Gedanken nach den ersten Tagen der neuen Trump-Präsidentschaft

Die Macht der Demütigung und die Ohnmacht der Demut

Veröffentlicht am 26.01.2025 um 12:15 Uhr – Von Hans-Joachim Sander – Lesedauer: 

Salzburg ‐ Seit einer Woche ist Donald Trump wieder Präsident der USA. In einem Beitrag für katholisch.de blickt der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander auf den Umgang von Trump und seinen Getreuen mit ihrer neuen Macht, die vielfach mit Demütigungen anderer einhergehe. Ein Mittel dagegen könne Demut sein.

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Panama-Kanal? "Gehört eigentlich uns!"; Grönland? "Muss exklusiv zum Kauf durch uns bereit stehen."; Kanadas Ausfuhrüberschuss? "Die sollen gefälligst einen Beitrittsantrag stellen."; "Dreamer" mit von der Verfassung verbrieftem Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft? "Nichts da, wer US-Bürger sein darf, entscheide ich mit meinen Leuten und nicht die Verfassung von God's Own Country!" Sie wissen, worauf ich anspiele.

Was passiert hier schon in den ersten Tagen der neuen Präsidentschaft von Donald Trump? Mit dem Panama-Sager soll allen Hispanics und Latinos südlich des Rio Grande deutlich werden, dass sie nur etwas gelten, wenn sie sich der Monroe-Doktrin unterwerfen, und die nördlich davon sollen sich dankschuldigst auserwählt fühlen. Mit Grönland soll allen Nato-Verbündeten deutlich werden, dass ihre US-Stützpunkte äußerst volatil sind. Die abtauende Großinsel genügt strategisch völlig für die Herrschaft auf der Nordhalbkugel. Mit Kanada soll global deutlich werden, wie sich wirtschaftliche Abhängigkeit künftig anfühlt. Mit den Deportationen von "Dreamern" und ihren illegal eingewanderten Eltern sollen sich alle erschrecken, die kommen wollen, aber nicht von triumphierenden MAGA-Kulturellen gewollt sind, weil sie anders aussehen, leben, geprägt wurden. Die sollen ihre Verwundbarkeiten dort ausbaden, wo sie herkommen, und dabei nimmt man am besten gleich die mit, die so wie sie für die Größe von uns nicht zu gebrauchen sind, weil es ihnen an Normalität mangelt.

Demütigungen anderer wirken wie Blut für das Raubtier Mensch

Man kann die Liste dieser Strategie, Macht aufzubauen, verlängern. Sie folgt nicht einfach Willkür und Sonnenbank vernebelten Launen. Ihre Grammatik wird davon bestimmt, andere zu demütigen. Wer Macht weiter ausbauen und dann erhalten will, kann auf die Demütigung anderer setzen. Das funktioniert und zwar exzellent, weil Demütigung anderer eine ebenso rohe wie überall sehr leicht zu habende Quelle von Macht ist. Man muss gar nichts für die tun, die sich an der Demütigung anderer delektieren, weil sie sich bereits darin als überlegen wähnen und sich so schon selbst der demütigenden Macht unterworfen haben. Demütigungen anderer wirken wie Blut, von dem das Raubtier Mensch, einmal davon geleckt, immer mehr haben will. Da kommt keine andere Spezies mit, weswegen auf diesem Planeten nichts so erlösungsbedürftig ist wie die Menschheit. Jemand weckt nicht einfach bloß das Schlechte im anderen, wenn er Demütigungen anderer politisch etabliert; er lässt auch die Erlösungsbedürftigkeit in der Überlegenheit trickreich verschwinden, mit der diesen Demütigungen gehuldigt wird. Mit der Macht der Demütigung gewinnt man daher sehr schnell sehr viele friends und follower, buddies und Spießgesellen, nach Anerkennung gierige Verschwörungs-Besserwisser und nicht zuletzt Profiteure mit Super-Vermögen im Auge.

„Keine hochwürdigsten katholischen Hutkrempen sind breit genug, um den vor Demütigung triefenden Bruderküssen zu entgehen, die dann fällig werden.“

—  Zitat: Hans-Joachim Sander

Zudem hat Demütigung den großen Vorteil, den eigenen verschworenen Zirkel bei der Stange der Loyalität zu halten. Wer sich mit Seitengedanken trägt und verrät, bekommt das zu spüren. John Bolton und Mike Pompeo, früher Sicherheitsberater und Außenminister der USA und von Attentaten auf ihr Leben tatsächlich bedroht, verlieren nach einer Entscheidung von Trump den Schutz der Sicherheitsbehörden. Irgendwann hatten sie es nicht mehr ausgehalten, ihre Einsichten aus Diplomatie und West-Point einfach zu vergessen und zu verschweigen. Die jetzt für Kabinettsposten in Frage kommen, verfügen über die Fähigkeit, andere zu demütigen. Das ist ihre wahre Qualifikation und ebenso ihre Schwäche, selbst geknechtet werden zu können.

Das mit der Demütigung der Anhänger funktioniert nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch flächendeckend. So gab es keine Berührung mit der Bibel beim Amtseid, obwohl gleich zwei Exemplare bereitstanden. Ein Versehen wegen Nervosität, sagen die sich überschlagenden Apologeten. Träumt weiter, kann man da nur sagen. Das ist ein deutliches Zeichen. "Ihr evangelikalen und katholischen Deppen habt mich zwar gewählt und an die Macht gebracht. Aber das, was für euch wichtig, ist, ist mir ein feuchter Kehricht." Daran werden Annäherungen katholischer Hochhierarchen nichts ändern, die sich in den USA schon abzeichnen.

Katholische Hutkrempen und vor Demütigung triefende Bruderküsse

Keine hochwürdigsten katholischen Hutkrempen sind breit genug, um den vor Demütigung triefenden Bruderküssen zu entgehen, die dann fällig werden. Außerdem kennen sich die episkopalen Herrschaften selbst darin aus, die das hinzunehmen bereit sein werden. Der geschlechtsspezifischen Diskriminierung von Frauen in der Priesterweihe und den flächendeckenden Vertuschungen des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker fehlt es wahrlich nicht an Demütigungshabitus. Daran ändern auch Erhebungen von Frauen zu administrativer Kirchenmacht und die Aufarbeitungsberichte nichts; sie machen vielmehr umso sichtbarer, wie weit Kirche von diesem Habitus betroffen ist.

Aber was hilft nun gegen Demütigungen, wenn eine Übermacht sie umfassend nutzt? Wenn deren populistische Verehrer weltweit sich daran delektieren und sich natürlich emsig Scheiben für ein eigenes Vorrecht auf Macht abschneiden? Was soll man machen, wenn man nicht resignieren will? Historisch gibt es verschiedene erfolgreiche Strategien gegen Demütigungen. Ein revolutionäres "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ließe sich anführen, wenn die Zeiten denn auf Revolution stünden und die Freiheit nicht zu der des Superkapitals mutieren könnte wie jetzt. "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" war auch so eine Strategie. In was für neue und noch tiefere Demütigungen sie geführt hat, wissen wir eigentlich längst und dennoch lassen sich selbstherrliche Derivate davon im Ukraine-Krieg sowie in der modernen Seidenstraßen-Rhetorik sehen.

Dogmatiker Hans-Joachim Sander
Bild: ©Privat

Hans-Joachim Sander ist Professor für Dogmatik an der Universität Salzburg.

Dagegen hat das Christentum mit seinem Glauben etwas anderes zu bieten. Das ist kein Zufall, weil es selbst aus Demütigungen entstanden ist. Es hat darauf zwar mühselig, dann aber doch kreativ zu reagieren gelernt. Die Kreuzigung ist eine tiefe Demütigung und zwar eine mit voller politisch-theologischer Absicht. Wie darauf reagieren, ist ein christliches Grundproblem. Seine Lösung ist in der heute so ganz anders gewordenen politisch-theologischen Lage einschlägig. Sie besagt, auf Demütigungen lässt sich mit Demut reagieren. Diese Demut bedeutet gerade nicht Unterwerfung vor lauter Resignation in die eigene Ohnmacht, sondern Souveränität gegenüber den Demütigungen, denen nicht auszuweichen ist, weil sie nun einmal mächtig sind. Mit Paulus beginnt diese Einsicht und sie führte schon ihn zu umfassenden Selbstrelativierungen auch des lange gehegten eigenen Glaubens. Diese Einsicht ist doppelt gelagert. Es ist einerseits die Anerkennung, dass Macht unaufhebbar ambivalent ist und selbst in ihrem positivsten Ermächtigungspotential die Demütigung anderer einschließen kann. Wer davon nichts wissen will, wird gegenüber der Macht versagen, vor allem gegenüber der eigenen. Und sie ist andererseits der Respekt davor, dass Ohnmacht zwar ebenso ambivalent ist wie Macht, aber aus ihr eine Ermächtigung wachsen kann, den Demütigungen zu widerstehen, mit denen die eigene Ohnmacht knechtet.

Eine solche Demut bringt drei politisch-theologische Imperative mit sich, die wir künftig leider wohl sehr nötig haben werden. Wer mit Demut handelt, demütigt andere nicht, weicht auch eigenen Demütigungen nicht aus und verweigert dem bitteren Widerstand von Gedemütigten nicht die Anerkennung. Wer Demut politisch folgt, handelt also stets so, dass die Maxime der Demütigung, die Gedemütigten zu isolieren, damit sie an ihrer Ohnmacht umso mehr leiden, nicht zu einer triumphierenden allgemeinen Gesetzgebung werden darf. Wer an Demut religiös glaubt, weigert sich daher, andere zu demütigen, womit die demütigende Macht aber lockt, verführt und auserwählt. Demut ist daher auch ohne die eigene Demütigung nicht zu haben, dem widerstehen zu müssen. Wer demütig glaubt, handelt daher stets so, dass auch die eigene Demütigung nicht zur Maxime für eine allgemeinen Gesetzgebung taugt. Die Souveränität gegenüber der eigenen Demütigung ist wichtiger als die Rache an denen, die mächtig genug waren, damit zuzuschlagen.

Mit einer demütigenden Macht muss man sich nicht versöhnen

Mit einer demütigenden Macht und ihren Zuschlägern muss man sich daher auch nicht versöhnen, gerade wenn das wegen angeblich höherer Werte eingefordert wird. Hier steht man vor einer Achillesverse des etablierten christlichen Glaubens. Bei dieser Versöhnung würde man aber nur so handeln, dass die Maxime der Demütigung, die Betroffenen in ihrer Ohnmacht verbittern zu lassen, zum allgemeinen Gesetz wird. Denn Demütigung braucht ohnmächtige Verbitterung, um nachhaltig wirksam zu sein. Allerdings liegt Verbitterung einfach nahe, wenn man einer Demütigung nicht ausweichen kann und der Mut zum Widerstand eine:n verlassen hat.

Deshalb ist es kein einfacher Weg, mit Demut zu glauben, wohl aber der bitter-ernste Mut, sich nicht mit den Vereinfachungen und Verharmlosungen abzufinden, die eine Demütigung benötigt, um als normal zu gelten und um sich zu greifen. Wir leben in einer Zeit, in der Freude und Hoffnung der einen zu Trauer und Angst der anderen geworden sind, weil das die auftrumpfenden Freuden an der Demütigung anderer sowie die inbrünstigen Hoffnungen einschließen kann, selbst davon nicht erwischt zu werden. Demütig zu glauben ist daher eine weitere Steigerung der Komplexität des Glaubens, die seit dem letzten Konzil eingesetzt hat. Es ist Zeit für diese Steigerung geworden.

Von Hans-Joachim Sander

Der Autor

Hans-Joachim Sander (*1959) ist seit 2002 Professor für Dogmatik an der Universität Salzburg.