Standpunkt

Brandbrief zu Unions-Plänen – Die Kirche kann es doch noch

Veröffentlicht am 31.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Tobias Glenz – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Kirchliche Stimmen zu politischen und gesellschaftlichen Themen verhallen oft ungehört, kommentiert Tobias Glenz. Dass es auch anders gehe, zeige die aktuelle Stellungnahme zu den Migrationsplänen der Union.

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So gerne sie es hätte, so selten gelingt es der katholischen Kirche heute noch: eine "Stimme in der Gesellschaft" zu sein, die in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Immer wieder äußern sich Kirchenvertreter zwar zu gesellschaftlichen und politischen Themen. Doch das Interesse an solchen Äußerungen ist häufig gering. Dagegen ist der Kirche mit ihrer jüngsten politischen Stellungnahme ein regelrechter Coup gelungen.

Der Brandbrief zu den migrationspolitischen Plänen der Union unter Friedrich Merz schlug sprichwörtlich ein wie eine Bombe. Nicht nur viele große Medien haben darüber berichtet, auch Bundeskanzler Olaf Scholz griff die kirchliche Stellungnahme in seiner Regierungserklärung auf – wenn auch nicht ganz uneigennützig. Zahlreiche Reaktionen in Medien wie auch in den sozialen Netzwerken – von deutlich zustimmend bis scharf ablehnend – zeigen, dass die Kirche einen Nerv getroffen hat. Ihr kann es also doch noch gelingen, sich über den Tellerrand hinaus Gehör zu verschaffen.

Dass das so selten funktioniert, mag unterschiedliche Gründe haben. Dazu zählt sicherlich ein Glaubwürdigkeitsverlust angesichts von Skandalen und fehlenden Reformen. Möglicherweise spricht die Kirche aber auch schlicht nicht immer die Themen an, die die Menschen wirklich umtreiben. So oder so: Wo sie Entwicklungen wahrnimmt, die ihren eigenen Überzeugungen widersprechen, hat die Kirche nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, Stellung zu beziehen – wie jetzt.

Im Nachgang erhielt die Sache dann doch noch einen kleinen Dämpfer: Die Veröffentlichung der aktuellen Stellungnahme war in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt nicht abgestimmt, zwei Bischöfe distanzierten sich davon sogar. Man war sich anscheinend nicht einig, mit welcher Intensität sich die Kirche in den Wahlkampf einmischen sollte. Dies zeigt, dass es auch künftig in vielen Fällen nicht einfach sein dürfte, mit einer Stimme zu sprechen. Es ist der Kirche zu wünschen, dass das dennoch immer wieder gelingt, um die eigenen Positionen in aktuelle Debatten glaubwürdig einbringen zu können.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.