Kardinäle positionieren sich dafür und dagegen

Diskussionen auf offener Bühne über einen Papst-Rücktritt

Veröffentlicht am 22.02.2025 um 00:01 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

Vatikanstadt ‐ Die akute Sorge um ein baldiges Ableben von Papst Franziskus (88) scheint vorerst gebannt. Doch nun diskutieren Kardinäle auf offener Bühne über einen Rücktritt des Papstes. Nicht jeder findet das hilfreich.

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"Die Raben beginnen wieder zu kreisen!" So umschreibt Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft von Sant'Egidio, in der Zeitung "Repubblica" die aktuelle Stimmung im Vatikan. Der prominente Kirchenhistoriker hat den Öffnungskurs von Papst Franziskus stets unterstützt. Seine drastischen Worte zeigen: Seit sich der 88-Jährige mit einer Lungenentzündung in der Klinik befindet, hat die Debatte um die künftige Führung der katholischen Kirche begonnen.

Zwar spricht der Vatikan in seinen Bulletins von einem leicht gebesserten Zustand. Sein Sprecher betont, dass der Heilige Vater nicht nur betet und Zeitung liest, sondern auch arbeitet. Fast täglich ernennt er Bischöfe, und die Kurie funktioniert wie immer. Auch das Heilige Jahr schreitet voran, die Pilgergruppen – derzeit die Diakone aus aller Welt – strömen in den Petersdom.  Und doch haben sich nach wenigen Tagen Abwesenheit des Papstes gleich mehrere Kardinäle aus der Deckung gewagt und öffentlich das D-Wort ausgesprochen: D wie Dimissioni. Seit 2013 Papst Benedikt XVI. überraschend seinen Rücktritt unter Verweis auf "nachlassende Kräfte des Körpers und des Geistes" angekündigt hat, ist das italienische Wort für Abdankung wieder Teil des vatikanischen Wortschatzes.

Zwar gab es die Möglichkeit rein rechtlich schon immer. Aber weil seit dem hohen Mittelalter kein Papst mehr zurücktrat, war es faktisch der deutsche Papst, der diesen Weg neu eröffnete. Dass die Tür zum Rücktritt offen steht, hat auch Franziskus mehrfach gesagt, zugleich aber betont, dass er sie nicht durchschreiten will. Er macht es nicht wie sein Vorvorgänger Karol Wojtyla, der nie Zweifel daran ließ, dass er bis zum bitteren Ende leiden würde – aber auch nicht wie Joseph Ratzinger, der aufgrund akuter Überforderung relativ früh das Amt aufgab,

Kein klares Signal

Während Franziskus selbst kein klares Signal gibt, debattieren Kardinäle über die Frage, ob und unter welchen Umständen er wohl zurücktreten würde. Gleich drei von ihnen ließen am Donnerstag erkennen, dass sie das für möglich halten: Der frühere vatikanische Kulturminister Gianfranco Ravasi, der französische Kardinal Jean-Marc Aveline und Kardinal Juan Jose Omella, bis vor kurzem Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz. Ihr Argument klingt auf den ersten Blick unverdächtig: Wenn Franziskus wegen seiner Lungenerkrankung kaum noch in Kontakt mit Menschen kommen darf, dann ist es vorstellbar, dass er lieber auf sein Amt verzichtet, als ein "Papst hinter Glas" zu werden.

Eine Statue von Papst Johannes Paul II. vor der Gemelli-Klinik
Bild: ©KNA/Justin McLellan/CNS photo

Papst Franziskus liegt in der römischen Gemelli-Klinik.

Keiner von den drei Kardinälen gehört zu den Ultra-Konservativen in der Kirche, die Franziskus lieber heute als morgen im Ruhestand sähen. Als Motiv für ihren Vorstoß vermuten Vaticanisti eher eine "Operation Biden": So wie im Juli 2024 wichtige US-Demokraten den überalterten Präsidenten zum Rückzug bewegten, um die gemeinsame Sache zu retten und eine frische Kraft ins Rennen zu schicken, gehe es auch bei den Befürwortern des Papstrücktritts vor allem darum, sein kirchenpolitisches Anliegen über einen Rücktritt hinaus zu wahren.

Dem hält Riccardi entgegen, dass Franziskus auch mit verringerter physischer Präsenz und mit weniger Kontakt zu den Menschen Papst bleiben könne. "Er würde das nicht gerne akzeptieren, aber er wird es wohl tun müssen aus Rücksicht auf sein Leben." Ähnlich wie Riccardi äußert sich Kardinal Matteo Zuppi. Der Erzbischof von Bologna ist Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz und gehört ebenfalls zum internationalen Netzwerk von Sant'Egidio. Aus seiner Sicht sagen die jüngsten Informationen aus der Klinik, "dass wir in die richtige Richtung unterwegs sind, und das ist eine vollständige Genesung, von der wir hoffen, dass sie bald eintritt". 

Ganz auf dieser Linie hat Italiens Bischofskonferenz für Sonntag angeordnet, dass in den mehr als 20.000 Pfarreien des Landes Millionen Gläubige für die Genesung des Papstes beten sollen. In einer der Fürbitten heißt es unmissverständlich: "Schau gnädig auf deinen Diener, unseren Papst Franziskus, damit er nach seiner Genesung seinen Auftrag im Dienst der Kirche fortsetzt."

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)