Standpunkt

Mehr Streit über Politik in der Kirche – nicht nur im Wahlkampf!

Veröffentlicht am 28.02.2025 um 00:01 Uhr – Von Simon Linder – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn  ‐ Der Wahlkampf für die Bundestagswahl hat gezeigt: Auch die politischen Ansichten der Kirchenmitglieder sind diverser geworden, schreibt Simon Linder. Umso wichtiger sei es, darüber zu sprechen und entsprechende Debatten in der Kirche zu ermöglichen.

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Es war ein turbulenter Wahlkampf, auch für die katholische Kirche. Zweifelhafter Höhepunkt: die Debatte um das Schreiben von Prälat Karl Jüsten, Leiter des Katholischen Büros in Berlin, das er mit seiner EKD-Kollegin Prälatin Anne Gidion verfasst hatte. Darin hatten Jüsten und Gidion die Inhalte eines Gesetzentwurfs und von Anträgen, welche die Unionsfraktion eingebracht hatte, sowie das Vorgehen, dafür eine Mehrheit mit der AfD in Kauf zu nehmen, kritisiert. In der Folge wurde bekannt, dass innerhalb der Bischofskonferenz verschiedene Positionen zu der Frage vertreten wurden und die Äußerung nicht abgestimmt war.

Dass Verbände wie die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und der Bund Katholischer Unternehmer die politischen Vorgänge unterschiedlich kommentieren würden, wird niemanden überrascht haben. Dass aber die beiden Präsidentinnen der beiden großen katholischen Frauenverbände von Mitgliedern für ihr Abstimmungsverhalten als Bundestagsabgeordnete heftig angegriffen wurden, oder dass Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) austrat, zeigt schon tiefere Risse, die durch die katholische Kirche gehen – und zwar nicht nur entlang gewohnter Linien, sondern mitten durch die Verbände, mitten durch das ZdK, mitten durch die Bischofskonferenz.

Es wäre ein Fehler, dies mit Verweis auf den in Wahlkampfzeiten erhöhten Grad an Emotionalität abzuhaken. Die Gremien müssen sich der Realität stellen, dass ihre Mitglieder in zentralen politischen Fragen fundamental unterschiedliche Positionen vertreten (und dies teilweise in den vergangenen Wochen überrascht feststellten). Manche der genannten Gremien tun das bereits seit Jahrzehnten erfolgreich – anderen kann man dabei zusehen, wie sie es gerade lernen (müssen).

Klar ist jedenfalls: Das "Katholische" verbindet nicht mehr zu einem Grundkonsens. Die neue Aufgabe lautet: Lernt, mit dem Dissens umzugehen! Sich aus politischen Debatten zurückzuziehen, weil man nicht mehr mit einer Stimme sprechen kann, wäre grundfalsch. Der Dissens ist sowieso da – besser, man spricht darüber. Wenn Kirche dafür Plattformen bietet, wird sie der Demokratie einen wichtigen Dienst erweisen.

Von Simon Linder

Der Autor

Simon Linder arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Universität Tübingen. Er ist promovierter Katholischer Theologe und hat einen Studienabschluss in Allgemeiner Rhetorik. Aktuell forscht er zum Thema "Assistierter Suizid".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.