Millionen beten für den kranken Papst

Dass Papst Franziskus an die Wirksamkeit von Gebeten glaubt, hat er Tausende Male betont. Mit den Worten "Betet für mich!" beendet er viele seiner öffentlichen Auftritte, aber auch private und staatsmännische Begegnungen.
Seit der schwerkranke Papst am 14. Februar in der Klinik behandelt wird, ist der Ernstfall für seine Bitte eingetreten. Und sie wird ihm erfüllt. Nach wenigen Tagen ist aus zaghaft spontanen Gebeten und Kerzen einzelner Gruppen vor der Gemelli-Klinik oder in römischen Kirchen eine weltweite Bewegung geworden. Von Alaska bis in die argentinische Heimat des Papstes, vom Marienwallfahrtsort Fatima bis nach Vietnam beten Katholiken für die Gesundung des Papstes.
"Jetzt und in der Stunde unseres Todes"
Symbolischer Mittelpunkt ist inzwischen der Petersplatz im Vatikan, wo seit 24. Februar jeweils ein anderer Kardinal ein abendliches Rosenkranzgebet leitet. Mehrere tausend Menschen, darunter Pilger, Römer und hochrangige Kurienkardinäle, beten dort das tausend Jahre alte Gebet, in dem Maria, die Mutter Jesu, um Fürsprache bei Gott angerufen wird. 50 Mal wird dabei dieser Satz wiederholt: "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen."

Mehrere tausend Menschen haben an den vergangenen Abenden auf dem Petersplatz für eine Genesung von Papst Franziskus gebetet.
Dass der Papst von seiner Krankheit genesen und mithin die Stunde seines Todes noch nicht so bald kommen möge, ist ein Wunsch, den der vorbetende Kardinal der Zeremonie voranstellt. Was im ersten Moment paradox klingt, entspricht der christlichen Tradition: Obwohl die Betenden glauben, dass der Tod kein endgültiges Aus, sondern bloß ein Übergang in eine andere, ewige Form des Seins ist, bitten sie doch Gott um die Gesundung des Kranken und die Linderung seiner Leiden.
Damit greifen sie auf, was die Bibel über Jesus berichtet: Er hat immer wieder Kranke geheilt. Darunter waren spektakuläre Heilungen, wie die eines Mannes, "der blind geboren" war, wie es im Johannes-Evangelium heißt. Und im Matthäus-Evangelium gehören nach den Worten Jesu die Krankenheilungen zu den Zeichen, die erkennen lassen, dass der Erlöser da ist: "Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören..."
Wegen dieses klaren biblischen Befundes beten auch Protestanten für Kranke - auch wenn sie es nicht mit dem Rosenkranz tun. Der Weltkirchenrat (ÖRK) hat Papst Franziskus in einem Brief geschrieben: "Bitte seien Sie versichert, dass wir weiter für Sie beten." Ähnlich hatte sich auch der Ehrenvorsitzende der weltweiten orthodoxen Kirche, Patriarch Bartholomaios I., geäußert. Und der ÖRK-Vorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm, schrieb: "Wir beten, dass Sie Gottes liebende Gegenwart in diesen schweren Tagen auf besondere Weise erfahren."

Wie sich die millionenfachen Bittgebete auf den Krankheitsverlauf von Papst Franziskus auswirken, ist schwer zu erfassen.
Das Beten für die Heilung Kranker mit Handauflegung gehört in manchen protestantischen sowie in einigen katholischen Gemeinden zum Gottesdienst. Darüber, wie das Gebet nicht nur zur seelischen Heilung, sondern auch zur körperlichen Gesundung beitragen kann, gehen auch unter Christen die Ansichten auseinander. Heutige Theologen sind gegen eine naive "magische" Deutung des Fürbittgebets.
Die doppelte Wirkung des Gebets
Die positive Wirkung des Gebets für die Betenden ist relativ klar; aber was es mit dem macht, für den gebetet wird, ist schwerer in Worte zu fassen. Dass es um objektive Wirkungen gehen kann, zeigen die Heiligsprechungsprozesse in der katholischen Kirche. Dort gehört der medizinische Nachweis, dass auf "Fürsprache" eines verstorbenen, vorbildlichen Christen ein heute lebender Mensch von einer Krankheit geheilt wurde, zu den Voraussetzungen einer Heiligsprechung. Und das Sakrament der Krankensalbung, das die katholische Kirche bis heute beibehalten hat, soll die seelischen wie auch die körperlichen Kräfte des Kranken stärken.
Wie sich die millionenfachen Bittgebete auf den Krankheitsverlauf von Papst Franziskus auswirken, ist schwer zu erfassen. In einer römischen Kirche wählte in diesen Tagen ein Priester eine pragmatische Mischung aus medizinischer und theologischer Herangehensweise: Er betete darum, dass Gott den Medizinern in der Gemelli-Klinik die Weisheit schenken möge, die richtige Behandlungsmethode für den kranken Papst zu finden. Letzteres scheint, ob mit oder ohne Gottes Hilfe, derzeit der Fall zu sein.