Emeritierter Theologieprofessor für Weihe von Diakoninnen

Dogmatiker Hünermann: Frauen sollen endlich in den Klerus

Veröffentlicht am 18.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 7 MINUTEN

Bonn ‐ In der katholischen Kirche in Deutschland ist der Diakonat der Frauen seit Jahren ein Thema. Der frühere Tübinger Dogmatikprofessor Peter Hünermann setzt sich schon lange dafür ein, mit Vehemenz. Und er spart nicht mit Kritik. Im Interview mit katholisch.de erklärt er, warum.

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Peter Hünermann gilt als einer der bedeutendsten deutschen Theologen. Von 1971 bis 1982 lehrte der heute 96-jährige Priester das Fach Dogmatik an der Universität Münster, danach bis zu seiner Emeritierung 1997 an der Universität Tübingen. Bereits seit Jahrzehnten setzt sich der frühere Dogmatikprofessor für den Diakonat der Frau ein. Im Interview mit katholisch.de erklärt er seine Beweggründe. 

Frage: Herr Professor Hünermann, Sie haben das Zweite Vatikanische Konzil miterlebt und auch die Einführung des Ständigen Diakonats für Männer. Noch immer ist die Weihe laut dem Kirchenrecht nur Männern vorbehalten …

Hünermann: Ich glaube nicht, dass das Gottes Wille ist.

Frage: Ihr Wunsch wäre also, dass Frauen Diakoninnen werden sollten?

Hünermann: Ja, Frauen sollten zu Diakoninnen geweiht werden. Dieses sakramentale Amt sollte endlich für Frauen geöffnet werden. Wir warten schon zu lange darauf. Ich weiß, dass kirchliche Entscheidungen langsame Prozesse sind. Es braucht viel Geduld.

Frage: Immer wieder setzt sich das Argument durch, dass Jesus nur Männer zu Aposteln berufen hätte…

Hünermann: Das ist schlichtweg falsch. Jesus hat zum Beispiel auch Junia oder Maria Magdalena zu Apostelinnen, zu Zeuginnen der Auferstehung berufen. Sie werden im Neuen Testament namentlich angeführt. Aus dem Wirken der Apostel entstehen die nach-apostolischen Ämter in der Kirche. Also darf man in der Nachfolge der Apostel zurecht auch Frauen in Ämtern der Kirche erwarten. Es ist schlichtweg falsch, wenn heutige Männer in der Kirche das nicht sehen wollen. Als im sechsten Jahrhundert die Hagia Sophia, die Bischofskirche in Konstantinopel fertig gestellt war, gehörten 56 Diakoninnen zum Domklerus.

Frage: Sie sagen, dass Frauen in den Klerus sollen?

Hünermann: Ja, Frauen dürfen Klerikerinnen sein. Frauen heute noch immer von diesem kirchlichen Amt auszuschließen ist eine Dummheit. Es gibt kein theologisches oder biblisches Fundament dagegen.

Frage: Können Sie verstehen, dass es Frauen zermürbt, immer wieder Argumente gegen die Frauenweihe zu hören?

Hünermann: Ja, ich weiß darum. Solche Machtverhältnisse sind seit der Antike in rund zweitausend Jahren eingeschliffen worden. Man kann sie nur Schritt für Schritt ändern.

Frage: Es gibt eine Eremitin, die im Interview sagte, dass sie gerne selbst die Eucharistie feiern und die Wandlungsworte sprechen würde. Wie finden Sie das?

Hünermann: Ihr Frau-Sein steht nicht dagegen

Bild: ©privat

Schwester Monika Amlinger ist Eremitin in Osnabrück. In einem Interview mit katholisch.de spricht sie davon, dass sie gerne einmal eine Eucharistie feiern und die Wandlungsworte sprechen würde.

Frage: Ein anderes Argument gegen die Weihe von Frauen zu Diakoninnen besagt, dass es erst eine einheitliche Positionierung der Weltkirche dafür brauche.

Hünermann: Auch das Diakonat für Männer ist nicht einheitlich in der Weltkirche umgesetzt. Es gibt Unterschiede in den einzelnen Ortskirchen. Daher zählt dieses Argument nur wenig. Das Diakonat für den Ständigen Diakon wurde erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil zu einem eigenständigen Amt gemacht. Denn das Priester-Amt hat über das ganze zweite Jahrtausend alle übrigen Ämter aufgesogen. Das Diakonat existierte in der römisch-katholischen Kirche nur als reine Durchgangsstufe für zukünftige Priester. Selbst das Bischofsamt wurde bis zum Zweiten Vatikanum nicht als sakramentale Realität anerkannt. Der Bischof war lediglich Priester mit einigen Sondervollmachten.

Frage: Ich habe gehört, dass Sie in den 1980-er Jahren Frauen ausgewählt haben, die für diakonische Dienste in Deutschland ausgebildet werden sollten. Wie kam es dazu?

Hünermann: Ja, das begann bei der Würzburger Synode in den Jahren 1971 bis 1975. Damals hatte ich mit anderen dafür plädiert, dass man Frauen zu Diakoninnen weihen könne. Die Bischöfe ließen eine Abstimmung aber nicht zu. Schließlich stimmten sie zu, dass eine Abstimmung über die Bitte nach Rom zulässig sei, nach der Rom prüfen solle, ob ein Diakonat für Frauen überhaupt möglich sei. Diese Abstimmung fand breite Unterstützung. Rom hat niemals auf diese synodale Bitte reagiert.

Frage: Wie war damals die Reaktion in der Theologie auf die Abstimmung?

Hünermann: Ich war sehr erstaunt über die negativen Reaktionen vieler bedeutender Theologieprofessoren damals. Da hieß es: "Nein, das geht nicht", weil die sogenannten Diakoninnen nie ein richtiges Diakonat ausgeübt hätten. Viele Theologen haben das Diakonat für Frauen daher abgelehnt. Auch Walter Kasper lehnte das noch als Bischof von Rottenburg-Stuttgart ab. Erst in jüngster Zeit hat er sich davon distanziert. Gott sei Dank! Mich hat es verwundert, welch enges Konzept manche Theologen vom Diakonat hatten. Das stimmte nicht mit der Realität überein. Wie gesagt: Es gab schon Diakoninnen in Konstantinopel, die damals dem Klerus angehörten. Diese Diakoninnen waren Teil der Ordnung innerhalb der Kirche und haben die mannigfachsten Dienste besonders in Bezug auf die Frauen und Kinder, Witwen und Waisen ausgeübt. Im Konzil von Chalcedon wurde ausdrücklich auf das Institut der Diakoninnen Bezug genommen. Aber daraus wurden bis heute keine Konsequenzen gezogen.

Frage: Gab es während des Zweiten Vatikanischen Konzils bereits Frauengruppen, die das Diakonat anstrebten?

Hünermann: Ja, die gab es schon zuvor. Als die Münchner Landtagsabgeordnete Ellen Ammann 1903 den Katholischen Deutschen Frauenbund gründete, wandte sie sich an den Professor und späteren Münchner Erzbischof und Kardinal Michael von Faulhaber und forderte die Diakonatsweihe für sich und ihre Mitgründerinnen. Der lehnte das aber ab. Später gab es in Amerika in den 1970-er Jahren eine Bewegung von Frauen, die sich für das Diakonat einsetzten. Sie übten diakonische Tätigkeiten aus und fragten, warum sie nicht zu den Ämtern zugelassen werden. Damals wurden die ersten Männer in den Diözesen zu Ständigen Diakonen geweiht. Es war enttäuschend für diese Frauen, dass sie nicht ebenfalls geweiht wurden. Als Reaktion darauf wurden in manchen Diözesen Frauen in leitende Positionen berufen. So gab es in Rottenburg-Stuttgart auf der Ebene der Domkapitulare eine Religionspädagogin, die für den Bereich kirchlicher Schulen verantwortlich war. Sie rief mich eines Tages an und sagt mir, dass sie sich von ihrem Bischof allein gelassen fühle. Daraufhin organisierten wir an der Akademie in Stuttgart eine Tagung zum Thema "Frauen in der Kirche und Frauendiakonat". So kam das Ganze in Schwung.

Bild: ©Gabriele Greef

Teilnehmerinnen des dritten Kurses "Fortbildung: Diakonische Leitungsdienste für Frauen in der Kirche" in Waldbreitbach.

Frage: Und Sie haben Frauen dazu eingeladen, sich für einen diakonischen Ausbildungskurs zu melden?

Hünermann: Ja, ich habe Kardinal Karl Lehmann informiert. Der damalige Bischof von Mainz und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz meinte, man müsse Erfahrungen sammeln, Konzepte einer Ausbildung entwerfen und Frauen suchen, die Pionier-Arbeit leisten. Die Frauen müssten allerdings wissen, dass sie am Ende nicht einfach mit einer Weihe rechnen könnten. Es meldete sich eine größere Zahl und wir haben sehr gründlich gesiebt, was die Familie, die theologische Vorbildung, das ehrenamtliche Engagement, die religiöse Sozialisierung betrifft. Wesentliche Unterstützung boten uns die Waldbreitbacher Franziskanerinnen und deren Generaloberin.

Frage: Wie sah der Ausbildungskurs konkret aus?

Hünermann: Wir konzentrierten uns in den Vorträgen und Arbeitsforen auf Grundlagenfragen, so dass wir zu Recht, angesichts eines römischen Verbotes der Ausbildung von Diakoninnen, sagen konnten: Wir sind nicht betroffen, weil wir konkrete liturgische Formen der diakonischen Ausbildung und die rechtlichen Aspekte und anderes nicht einbezogen haben. Es galt uns, Entdeckungszusammenhänge zu vermitteln, nicht die Einübung in bereits geregelte Praxis zu vermitteln. Teilnehmerinnen des ersten Kurses waren damals beispielsweise eine deutsch-tschechische Ordensschwester und Lehrerinnen. Pflegerische Berufe waren ebenso vertreten wie Frauen aus der Medienbranche, der Kommunalpolitik oder karitativen Organisationen. Ich war Mitglied in dem Auswahlgremium. Die Dominikanerin Schwester Benedikta Hintersberger hat diese Auswahl angeleitet. Schwester Aurelia Spendel, ebenfalls Augsburger Dominikanerin, hat uns anschließend bei weiteren Schritten geholfen. Dorothea Reiniger, damals gerade fertig mit ihrer Mainzer Dissertation zum Diakonat der Frau, schrieb mir dieser Tage im Blick auf die Anfänge, welche Mühe es gemacht habe auf weltkirchlicher Ebene wahr- und ernst genommen zu werden.  Der erste Kurs basierte ganz auf ehrenamtlicher Arbeit. Das veränderte sich erst in den folgenden beiden Kursen, die wesentlich um die Konzeption der "Diakonischen Kirche" und die dafür nötige Mitarbeit der Frauen als Diakoninnen kreisten.

Frage: Was sagen Sie den vielen Frauen, die inzwischen in schon drei Ausbildungskursen ihr diakonisches Zertifikat erhalten haben und seitdem in der Wartschleife sind?

Hünermann: Ich danke diesen Frauen und sage Ihnen: Dranbleiben und weitermachen! Die jetzige Leiterin des Netzwerkes Diakonat der Frau hat aus Teilnehmerinnen der Weltsynode eine Gruppe zusammengebracht, die gemeinsam auf der Synode an dem Thema weiterarbeiten. Papst Franziskus hat sich jüngst persönlich von der bis dahin festgehaltenen Konzeption vom marianischen und petrinischen Typus der Aufgaben von Mann und Frau losgesagt. Das sind ermutigende Aufbrüche. Ich werde es weiterhin unterstützen, dass es eines Tages in der Kirche Diakoninnen gibt: Es braucht Frauen, die zum Klerus gehören. Es braucht die Weihe von Frauen.

Von Madeleine Spendier