Wie ein Fischburger Katholiken in der Fastenzeit rettete
"In unserer Familie sagt man, wir haben Ketchup im Blut". Dieses Zitat klingt nicht nur nach Fastfood-Dynastie. Es stammt von Erica Shadoin, der Enkelin von Lou Groen, einem bekannten amerikanischen Unternehmer, der in den 1960er Jahren mit seinem speziellen Fischburger berühmt wurde. Nicht nur, weil er damit seine McDonald's-Filiale vor einem Umsatzeinbruch während der Fastenzeit bewahrte, sondern auch, weil er damit der örtlichen katholischen Gemeinde half, auch am Freitag mit reinem Gewissen Burger essen zu können. Aber der Reihe nach.
Wie alles begann
Wir schreiben das Jahr 1959 in den USA. In Cincinnati im Westen des US-Bundesstaates Ohio eröffnete Groen die erste McDonald's -Filiale in der katholisch geprägten Region. Doch relativ schnell war klar, dass er damit ein finanzielles Risiko einging: Die Fastenzeit als Vorbereitung auf das christliche Osterfest drohte dem ganzen Vorhaben einen Strich durch die Rechnung zu machen. Denn die Katholiken vor Ort verzehrten in der Fastenzeit freitags kein Fleisch. Für eine Fast-Food-Kette, die nur Burger mit Fleisch-Pattys anbietet, konnte das schnell zum Problem werden. Außerdem gab es die "perfekte" Alternative gleich um die Ecke: Frisch’s Big Boy. Dort gab es angeblich genau das, was Katholiken brauchten, um den Fastentag zu überstehen: ein Sandwich mit Fisch statt Fleisch.
Dass das so nicht funktionieren würde, war dem Unternehmer, der selbst katholisch war, sofort klar. Nur 75 Dollar nahm er freitags ein und als praktizierender Katholik aß er selbst keinen Fleischburger. Also musste er sich und sein Unternehmen der Zielgruppe anpassen und handeln. Eine fleischlose Variante musste her, um die Filiale vor Umsatzeinbrüchen zu retten und sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. So entwickelte er das Konzept des Fischburgers "Filet-O-Fish", bestehend aus paniertem Fischfilet und Groens Originalrezept für Remoulade. Ursprünglich enthielt der Burger keine Käsescheibe, aber eine im Unternehmen verbreitete Legende besagt, dass Groen eines Tages sah, wie einer seiner Mitarbeiter eine halbe Käsescheibe auf seinen Fischburger legte. Er fand die Idee genial – und ergänzte das Rezept. Ob der Mitarbeiter dafür gelobt wurde oder einen Bonus erhielt, ist nicht überliefert.
Ein katholischer Sieg
Der Katholik Groen arbeitete wochenlang an dem Konzept und präsentierte es schließlich den Chefs der Fast-Food-Kette. Dort stieß die Idee zunächst jedoch auf Ablehnung. "Ich will keinen schmutzigen, stinkenden Fisch in meinem Restaurant", habe einer der Vorgesetzten, Ray Kroc, gesagt, erinnert sich Groen-Enkelin Shadoin im Gespräch mit dem Portal "Crux". Der Standpunkt der Unternehmensführung: "Wir verkaufen Hamburger und Pommes, die Katholiken sollen das Gleiche essen wie alle anderen."

Ray A. Kroc war ein entschiedener Gegner des Fischburgers von Lou Groen - gab dann aber nach.
Doch Shadoins Großvater blieb hartnäckig, schließlich war er von seinem katholischen Fischburger überzeugt. Wochenlang ging es hin und her zwischen ihm und den Chefs, besonders Kroc, bis ein Kompromiss gefunden wurde. Ausgangspunkt: die Fastenzeit 1962. Kroc und Groen sollten jeweils ein fleischloses Menü in ihrer Filiale anbieten, und wer mehr verkaufte, sollte gewinnen. Groens Fischburger trat damals gegen Krocs Burger mit gegrillter Ananas und Käse an. "Mein Großvater sagte damals, dass er sofort wusste, dass er gewinnen würde", sagt Schadoin heute. Und er behielt recht: Der Fischburger verkaufte sich besser als der Ananasburger – am Karfreitag 1962 waren es sogar insgesamt 500 Burger für je 25 Cent. Bis 1963 wurde der Fischburger so erfolgreich, dass er einen Wendepunkt in der Geschichte von McDonald's markierte: Der Fischburger wurde offiziell eingeführt – als erster Burger ohne Fleisch-Patty. Groen selbst hatte nicht damit gerechnet, dass sein Burger mehr als nur sein eigenes Restaurant retten würde.
Kultstätte – auch heute noch
"Er war begeistert", erinnert Shadoin sich. "Ich bin im Westen von Cincinnati aufgewachsen. Die ganze Gegend ist sehr katholisch und ich glaube nicht, dass er es geschafft hätte, wenn er nicht mit Frisch's hätte konkurrieren können." Groens Erfindung des "Filet-O-Fish" fiel in eine bewegte Zeit für die katholische Kirche. Galten vorher noch strenge Fastenregeln, wie etwa die der Abstinenztage, wo nur eine Mahlzeit und Fleischverzicht gang und gebe war, krempelte das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) diese Ordnung ein wenig um. Neben Aschermittwoch und Karfreitag schrieb die Kirche den Gläubigen keine Abstinenztage mehr vor.
In einigen besonders katholisch geprägten Ländern verzichten die Katholiken dennoch nach wie vor freitags auf Fleisch. In Deutschland hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) 1995 eine Partikularnorm erlassen, in der betont wird, dass die Freitage "im Gedenken an das Leiden und Sterben des Herrn kirchliche Bußtage" sind, "an denen der Christ zu einem Freitagsopfer verpflichtet ist". Dieses Freitagsopfer könne verschiedene Formen annehmen, der Verzicht auf Fleischspeisen sei eine davon. Auch die deutschen Bischöfe hatten bei ihrer jüngsten Frühjahrsvollversammlung zu mehr Klimaschutz aufgerufen und erklärt, ein Beitrag dazu könne die Wiederentdeckung der Tradition des fleischlosen Freitags sein, wie etwa der Münsteraner Weihbischof Rolf Lohmann betonte.
Hätte die Neuregelung der Fastenordnung jedoch noch vor Groens Problem stattgefunden, hätte es diese Geschichte – und damit auch seinen Fischburger – möglicherweise gar nicht gegeben. Damit sie nicht in Vergessenheit gerät, hängt in Groens erstem McDonald's Restaurant heute noch eine Hommage an den erfolgreichen Fischburger. Sein Erfinder starb 2011 im Alter von 93 Jahren. Sein Restaurant ist auch heute noch ein beliebter Ort für Fischburger – nicht zuletzt wegen der katholischen Wurzeln der Region. Als Geburtsstätte des bis heute erfolgreichen Filet-o-Fish-Burgers ist es nach wie vor ein Kultort.