Vor 150 Jahren wurde erstmals ein US-Amerikaner Kardinal
Im Dezember hat Papst Franziskus 21 neue Kardinäle ernannt, aus allen Erdteilen. Viele von ihnen werden seinen Nachfolger wählen – und wer weiß, aus welcher Weltregion der dann kommen wird? Denn die etwa 120 Papstwähler, die unter sich das neue Kirchenoberhaupt ausmachen, kommen heute von allen Kontinenten; sie tragen alle Hautfarben, leiten winzige oder riesige Ortskirchen.
Solche Fragen stellten sich vor 150 Jahren noch nicht – überhaupt gar nicht. Damals waren die Verhältnisse homogen: Die Kardinäle waren wenige und kamen allesamt aus Europa, die meisten aus Italien. Und sie wählten mit Sicherheit einen Italiener zum Papst. Am 15. März 1875 jedoch geschah etwas Unerwartetes: nicht nur, dass der fast 83-jährige Pius IX. (1846-1878) noch einmal elf neue Kardinäle ernannte – sondern dass unter ihnen zum ersten Mal auch ein Nichteuropäer war; der Erzbischof von New York, John McCloskey.
Als das Christentum weit über Europa hinauswuchs
Und das kam so: Seit Portugal und Spanien im 15. Jahrhundert die Segel in Richtung Neue Welt gesetzt hatten, wuchs auch das Christentum erstmals weit über den Mittelmeerraum und über Europa hinaus. Zunächst natürlich über Jahrhunderte noch unter europäischer Dominanz, ja teils mit Unterdrückung durch Europäer. Doch vor allem in Nordamerika wuchsen allmählich eine neue Weltanschauung und ein sehr eigenes Selbstbewusstsein heran.

Der fast 83-jährige Papst Pius IX. (1846-1878) machte wenige Jahre vor seinem Tod mit dem New Yorker Erzbischof John McCloskey den ersten US-Amerikaner zum Kardinal.
Hungersnöte, Kriege und andere Krisen in Europa sorgten dafür, dass Millionen Menschen im 18. und 19. Jahrhundert ihr Glück in Amerika suchten. Und viele, darunter katholische Iren, später Italiener und Polen, brachten ihre Religion mit. Die kirchlichen Strukturen wuchsen und verfestigten sich rasch. Als die USA dann nach dem Sezessionskrieg (1861-1865) mehr und mehr zu einer industrialisierten Wirtschaftsmacht aufstiegen, wurden auch die Rufe nach einem amerikanischen Kardinal lauter.
Zur gleichen Zeit verlor der Papst in Rom durch die italienische Einigungsbewegung und Eroberung der Stadt seine politische Macht. Nach dem Untergang des Kirchenstaates 1870 nahm Pius IX. eine folgenschwere Kursänderung vor – die im Grunde bis heute fortwirkt. Mehr als zuvor trat der Papst nun als weltumspannendes Kirchenoberhaupt auf: Einer für alle, alle für einen.
Ein Dankeschön des Papstes
Zu dieser neuen Ideologie gehörten natürlich auch die vergleichsweise jungen Ortskirchen; in Afrika, Asien, Lateinamerika – und eben auch in den stark aufstrebenden Vereinigten Staaten von Amerika. Der Kardinalshut für John McCloskey lag in dieser Logik. Er war aber zugleich auch ein Dankeschön des Papstes, da der New Yorker Erzbischof beim Ersten Vatikanischen Konzil 1870 die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit unterstützt hatte.
McCloskeys Familie war Anfang des 19. Jahrhunderts aus Irland in die USA emigriert. 1810 geboren, brach er nach dem frühen Tod des Vaters mit elf Jahren die Schule ab und half seiner Mutter bei der Farmarbeit. Ein schwerer Arbeitsunfall brachte dann eine neuerliche Wendung: McCloskey entschied sich fürs Priesteramt – und enorm fleißig, wie er war, wechselte er schon bald karrieretechnisch auf die Überholspur: Studium in Rom, an seinem 34. Geburtstag die Bischofsweihe; ab 1847 Bischof von Albany, 1864 Erzbischof von New York mit seinen damals schon 1,2 Millionen Katholiken.

Kardinal Burke feiert die tridentinische Messe
Dort trieb McCloskey den Bau der riesigen neugotischen St. Patrick's Cathedral an der Fifth Avenue in Manhattan voran, die er 1879 selbst weihen konnte. Im Jahr zuvor dagegen war ihm ein Projekt missglückt: Nach dem Tod seines Förderers Pius IX. eilte McCloskey nach Rom, um an der Wahl des Nachfolgers teilzunehmen. Doch 1878 war es technisch noch unmöglich, die 7.000 Kilometer von New York in knapp zwei Wochen zu schaffen. So traf der erste Kardinal aus Übersee erst ein, als seine Amtsbrüder schon Leo XIII. gewählt hatten.
Will Trump einen US-Kardinal als nächsten Papst?
McCloskey selbst starb am 10. Oktober 1885. Bei der Totenmesse in "seiner" Patricks-Kathedrale würdigte ihn der Erzbischof von Baltimore, James Gibbons, als "gütigen Vater, treuen Freund, wachsamen Hirten, furchtlosen Führer – und vor allem unparteiischen Richter". Gibbons wurde übrigens wenige Monate später der zweite US-Kardinal der Geschichte – und die Kette ist seither kaum mehr abgerissen, von wenigen Jahren im Zweiten Weltkrieg abgesehen.
Nun freilich will die "Bild"-Zeitung erfahren haben, dass Donald Trump nach dem unbequemen Lateinamerikaner Franziskus demnächst unbedingt einen US-Amerikaner auf dem Papstthron sehen möchte – und am liebsten den erklärten Franziskus-Kritiker Kardinal Raymond Leo Burke (76). Käme es dazu, dann würde er eine Tradition fortsetzen, die im Mittelalter die deutsch-römischen Kaiser und dann Frankreichs Könige begannen: Der mächtigste weltliche Herrscher nimmt personell Einfluss auch auf die Spitze der Kirche. Damals führte das zum Umzug der Päpste nach Avignon – und sogar ins Schisma. Soweit sind wir derzeit noch nicht, zum Glück.