Beichte vor der Erstkommunion steht in der Kritik

Pfarrer: Fände es schade, wenn wir die Kinderbeichte abschaffen würden

Veröffentlicht am 27.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 7 MINUTEN

Ellwangen ‐ Pfarrer Sven van Meegen bereitet Kinder auf ihre Erstkommunion und die erste Beichte vor. Der Seelsorger weiß, dass sich manche Eltern mit der Kinderbeichte schwer tun. Deshalb möchte er das Sakrament bewusst gestalten. Im Interview mit katholisch.de erklärt er, wie er das macht.

  • Teilen:

Pfarrer Sven van Meegen leitet die Seelsorgeeinheit Ellwangen an der Jagst und bereitet jedes Jahr Schülerinnen und Schüler auf das Sakrament der Beichte und ihre Erstkommunion vor. Das macht er gemeinsam mit einem Team und besonderen Ritualen. Und auch die Eltern der Kinder werden in die Vorbereitungen mit hinein genommen. Denn der Seelsorger weiß, dass sich manche fragen, warum ein Kind zur Beichte soll. Im Interview mit katholisch.de erklärt der Priester aus Ellwangen, worauf es ihm dabei ankommt. 

Frage: Herr Pfarrer van Meegen, es gibt Eltern, die ihre Kinder nicht zur Beichte schicken möchten. Können Sie das verstehen?

van Meegen: Ich kann Eltern verstehen, die die Beichte ablehnen und ihre Kinder dort nicht gut aufgehoben fühlen. Das liegt zum Teil wahrscheinlich daran, dass sie selbst keine oder keine guten Erfahrungen mit der Beichte gemacht oder einen Priester erlebt haben, der ein Beichtschema angewendet hat, das nicht passte. Es läuft manches schief bei der Beichte.

Frage: Was denn zum Beispiel?

van Meegen: Früher wurden im Rahmen der Beichte Fehler und Schwächen abgefragt – auch im Bereich der Sexualität. Mancherorts wurde dabei Angstmacherei betrieben. Auch geistlicher Missbrauch beim Beichten ist zu verurteilen. Damit wurde viel Schaden angerichtet. Vieles liegt daran, dass Priester nicht gut ausgebildet oder auf die Beichtsituationen nicht angemessen vorbereitet sind. Dennoch glaube ich, dass die Beichte ein großes Potential hat, weil sie Menschen dazu bringen kann, sich mit sich, mit anderen und mit Gott zu versöhnen. Daher spreche ich gerne vom Sakrament der Versöhnung. Ich fände es daher schade, wenn wir die Kinderbeichte abschaffen würden.

Frage: Denken Sie denn, dass Kinder schon ein Bewusstsein für Sünde und Schuld haben?

van Meegen: Im gewissen Sinne ja. Denn Kinder erleben Konflikte zu Hause oder in der Schule. Sie spüren, wenn jemand ungerecht behandelt wird oder etwas unfair ist. Konflikte gehören zu unserem Leben dazu. Doch was braucht es, damit Auseinandersetzungen oder Streit friedlich gelöst werden können? Darüber denken wir bei uns in der Pfarrei gemeinsam bei der Vorbereitung auf die Kommunion und die erste Beichte nach.

Frage: Wie läuft das ab?

van Meegen: Dabei begleiten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem pastoralen Team, die Katecheten und Eltern die Kinder. Wir schauen uns gemeinsam an, was gut ist und was nicht gut lief: Wo habe ich anderen weh getan? Wo fühle ich mich unverstanden oder verletzt? Es geht nicht darum, Kinder bei der Beichte klein zu machen und ihnen zu sagen, was sie falsch gemacht haben, sondern um das, wo sie noch gut werden können. So lernen die Kinder ein Stück weit Versöhnungskompetenz. Was mir dabei wichtig ist: Die Kinder sollen in ihren Begabungen und Talenten gestärkt werden. Der italienische Kardinal Carlo Maria Martini hat einmal gesagt, dass durch die Beichte die Wertschätzung und der Dank hervorgehoben werden sollen. Und das erkläre ich den Eltern genauso. Wenn sie dann trotzdem sagen, dass ihre Kinder nicht zur Beichte sollen, dann ist das ihre freie Entscheidung.

Frage: Haben Sie besondere Rituale, mit denen Sie Kinder auf ihre erste Beichte vorbereiten?

van Meegen: Ja. Das Erstkommunionteam und unsere Gemeindereferentin Martina Schaupp basteln mit den Kindern ein Beichtherz aus Papier. Darauf schreiben die Kinder dann alles, was ihnen gut gelungen ist und auch das, was sie gerne ändern möchten und wo sie sich Versöhnung wünschen. Manchmal steht da auch nur drauf, was sie gerade beschäftigt. All das besprechen sie dann mit ihrer Familie und bringen das Herz dann mit zum Versöhnungstag. So nennen wir den Vorbereitungstag der ersten Beichte. Dann setzen wir uns im Kreis um den Altar. Das ist der Tisch der Versöhnung. Die Kinder schmücken ihn schön mit Kerzen, bunten Tüchern, Blumen und dem Kreuz. Nach einem gemeinsamen Gespräch lade ich die Kinder dazu ein, einzeln für das Beichtgespräch zu mir zu kommen. Die anderen Kinder hören parallel in verschiedenen Kleingruppen einen Impuls zur Versöhnung mit dem Erstkommunionteam hinten in der Kirche, im Gemeindehaus oder draußen. So möchte ich eine transparente, offene und dennoch geschützte Gesprächsatmosphäre für die Erstbeichte anbieten.

Bild: ©picture-alliance / Godong/Philippe Lissac

Eine Kinderbeichte im dunklen Beichtstuhl möchte Pfarrer Sven van Meegen nicht, sondern lieber in der Kirche. "Diese Gespräche im offenen Kirchenraum finde ich immer sehr angenehm, weil das Kind nicht in einem engen und unbequemen Beichtstuhl sitzen muss. Wir können uns in die Augen schauen und das Kind darf das Gespräch jederzeit beenden", so der Seelsorger.

Frage: Wie läuft die Beichte einzeln mit den Kindern ab?

van Meegen: Wir bleiben dann zu zweit vorne im Altarraum sitzen und beginnen mit dem Kreuzzeichen und einem Gebet. Ich rede mit dem jeweiligen Kind über das, was auf seinem Beichtherz steht oder über das, was es gerade loswerden möchte. Manche erzählen dann von sich aus, wenn etwas nicht gut in ihrem Alltag lief. Zum Beispiel kommt es öfters vor, dass ein Kind darüber sprechen möchte, wie es reagieren soll, wenn ihm etwas von anderen weggenommen wurde. Daraus entwickeln sich gute Gespräche. Ich nehme mir Zeit und höre zu. Ich frage nach, was dem Kind gut gelungen ist und wir schauen an, was nicht so gut gelungen ist. Und dann schauen wir auf das, was das Kind gerne ändern möchte. Und am Ende des Gesprächs bitten wir Gott, dass er das Kind segnet. Die sakramentale Lossprechung, eine Gebetszeit in Stille und das Entzünden einer Kerze schließen die Erstbeichte ab. Diese Gespräche im offenen Kirchenraum finde ich immer sehr angenehm, weil das Kind nicht in einem engen und unbequemen Beichtstuhl sitzen muss. Wir können uns in die Augen schauen und das Kind darf das Gespräch jederzeit beenden. Ich freue mich, wenn ein Kind freudestrahlend von der Beichte weggeht. Danach treffen sich alle Kinder wieder mit dem Erstkommunionteam, den Eltern und der Gemeindereferentin im Gemeindezentrum. Dort feiern wir dann zusammen das Versöhnungsfest. Wenn die Kinder dann auf ihre Eltern zugehen, sich mit ihnen aussprechen, sich umarmen, dann wird dabei viel geweint, genauso wie bei der Erstkommunion. Es ist eine Form der gegenseitigen Wertschätzung, die durch die Beichte ausgelöst wird.

Frage: Könnte dieses Versöhnungsgespräch nicht auch jemand aus dem Pastoralteam oder sogar ein Katechet oder Elternteil mit dem Kind führen?

van Meegen: Nach dem Kirchenrecht spendet der Priester das Bußsakrament. Aber wenn ein Kind nicht mit mir über sein Beichtherz sprechen möchte, kann ein Gespräch selbstverständlich mit jemand anderem aus dem pastoralen Team oder einer Katechetin stattfinden. Ein Gespräch mit den Eltern über das Beichtherz fände ich sehr wichtig. Wenn eine Familie eine kleine Versöhnungsfeier selbst zu Hause gestaltet, dann kommt ihnen dabei Gott nahe. Das Beichtgespräch ist ein Angebot der Kirche, es muss also nicht wahrgenommen werden. Ich fände es nur schade, wenn ein Gespräch über das Beichtherz gar nicht stattfinden würde. Einmal hatte ich eine Gruppe von Eltern, die einheitlich gesagt haben, dass sie nicht möchten, dass ihre Kinder zur Beichte gehen. Alle waren gegen diese Form des Beichtens, wie sie es selbst als Kinder erlebt haben. Wir haben uns zusammengesetzt und ich habe ihnen erklärt, wie wir im Team den Versöhnungstag gestalten. Es war ein offener Rahmen, ohne Druck und Zwang. Ich habe kommuniziert, was wichtig ist, welche Fragen ich den Kindern stelle und welche nicht. Und dann habe ich den Kindern angeboten, dass sie zu mir zum Gespräch kommen können. Alle Kinder waren dabei. Daran habe ich gemerkt, wie wichtig das Thema Versöhnung für die Kinder ist.

Frage: Wie haben Sie denn selbst als Kind Ihre erste Beichte erlebt?

van Meegen: Ich kann sagen, dass ich Glück hatte, denn ich habe als Kind viele positive Erfahrungen mit der Beichte gemacht. Ich war häufig mit meiner Oma in der Kirche und bin dort zur Beichte gegangen. Das waren immer sehr gute Gespräche mit den Priestern. Ich wurde nie von irgendjemandem dort peinlich ausgefragt. Bei meiner Erstkommunion habe ich ein größeres, sehr engagiertes Team an Katecheten erlebt, die uns Kinder begleitet haben.

Frage: Was ist Ihnen als Priester wichtig, wenn Sie die Beichte hören?

van Meegen: Ich möchte den Menschen zuhören. Für manche bin ich ein Müllcontainer, das ist in Ordnung. Ich weiß, wie befreiend es sein kann, wenn man etwas loswerden kann, was einen belastet. Wenn Menschen mit anderen zerstritten sind, dann ermutige ich sie im Beichtgespräch dazu, den ersten Schritt zur Versöhnung zu machen. Wenn jemand dankbar von dem Gespräch mit mir weggeht, dann macht mich das froh. Es gibt jedoch auch Grenzen im Beichtgespräch.

Frage: Zum Beispiel?

van Meegen: Zum Beispiel, wenn manche mir etwas von ihrer Sexualität erzählen wollen, weil sie meinen, es gehöre in den Bereich Schuld und Sünde. Dann sage ich, dass ich das nicht möchte. Manche, die zur Beichte kommen, und zum Beispiel psychische Probleme haben, empfehle ich weiterführende Hilfen oder eine Therapie. Einmal hat sich jemand nach der Beichte selbst bei der Polizei angezeigt, weil er eine Straftat begangen hatte und seine Schuld einsah. Das sind zum Glück Einzelfälle, aber es kommt vor. Für all das braucht es eine gute Gesprächsführung und ständige Fortbildungen für einen Priester, der die Beichte hört. Wenn Menschen Fehler ansprechen und eingestehen können, finde ich das eine große Chance für die Versöhnung und den Frieden. Gott geht mit uns mit, er ist barmherzig. Er möchte, dass unser Leben heil und gesund wird. Schön, wenn Kinder das durch ihre Beichte erfahren können.

Von Madeleine Spendier

Zur Person

Sven van Meegen ist Leitender Pfarrer in Ellwangen an der Jagst, Dekan und Professor für Sozialehtik und Sozialphilosophie an der Dualen Hochschule Heidenheim sowie Autor zahlreicher Bücher.  Neben Theologie und Philosophie hat van Meegen Sozialwissenschaften studiert sowie weiterführende Studien der Kinderpsychologie.