Synodale Agenda bis 2028 festgezurrt

Reformprogramm aus dem Krankenlager – Papst Franziskus plant vor

Veröffentlicht am 22.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 7 MINUTEN

Vatikanstadt ‐ Als "der Unvollendete" wurde Papst Franziskus unlängst in einem Buch tituliert. Dass er seine Reformprojekte für die Kirche noch lange weitertragen will, hat er nun mit einem ungewöhnlichen Manöver deutlich gemacht.

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Von einem "Paukenschlag aus der Gemelli-Klinik" ist im Vatikan die Rede: Mit einem vom Papst offenbar genehmigten Brief an alle Bischöfe weltweit hat Kardinal Mario Grech die Verlängerung der Reform-Agenda der Weltsynode von 2023/2024 um dreieinhalb Jahre angekündigt. Erst im Oktober 2028 soll dann eine Art Generalversammlung der katholischen Kirche (italienisch: Assemblea Ecclesiale) das Projekt zu einem Abschluss bringen.

Bis dahin sollen in einer "Umsetzungsphase" die Mitbestimmungs-Mechanismen, die von der Weltsynode beschlossen wurden, konkretisiert werden. Aber auch die inhaltlichen und kirchenrechtlichen Reformen, die der Papst zehn Studiengruppen anvertraut hatte, sollen weitergehen. Dazu gehören so unterschiedliche Streitfragen wie die Einrichtung eines Frauendiakonats oder die Öffnung der katholischen Kirche für polygame Familienstrukturen in Afrika.

Über das Ende des Pontifikats hinaus

Kardinal Grech, der das Synodensekretariat in Rom leitet, ist damit zu einer Schlüsselfigur für die Fortsetzung der Franziskus-Reformagenda in der Spätphase des Pontifikats geworden – und wahrscheinlich auch darüber hinaus. Denn mit der Ankündigung der kirchlichen Generalversammlung im Oktober 2028 hat er etwas in Gang gesetzt, das nicht – wie eine normale Versammlung der weltweiten Bischofssynode – mit dem Ende des Franziskus-Pontifikats laut Kirchenrecht automatisch erlöschen muss.

Vielmehr ist die "Assemblea Ecclesiale", wie Grech in einem "Interview" des Dikasteriums für Kommunikation erläuterte, ein Novum in der Kirchengeschichte. Ihr rechtlicher Rahmen ist ebenso unbestimmt wie die Zusammensetzung. Allerdings wolle man – soviel verriet er – auf die bereits in der Vorphase der Weltsynode auf kontinentaler Ebene gemachten Erfahrungen der Jahre 2022 und 2023 zurückgreifen. Damals waren neben Bischöfen und Geistlichen auch Laien und nicht geweihte Experten mit Stimmrecht vertreten, die Debatten waren streckenweise lebhaft.

Ein langer Weg bis 2028

Der Weg bis zur kirchlichen Generalversammlung im Oktober 2028 ist lang und kompliziert. Im Mai will das Synodensekretariat ein Papier mit Anleitungen für die Umsetzungsphase der Weltsynode veröffentlichen. Diese Phase soll dann "in den Ortskirchen" eineinhalb Jahre dauern und im Dezember 2026 enden. Bis Mitte 2027 sollen diese Erfahrungen in den Bistümern ausgewertet werden, in der zweiten Jahreshälfte 2027 erfolgt die Auswertung auf Ebene der Bischofskonferenzen.

Schwester Nathalie Becquart, Kardinal Mario Grech und Bischof Luis Marin de San Martin bilden das Generalsekretariat der Bischofssynode
Bild: ©KNA/Francesco Pistilli (Archivbild)

Sie bilden gemeinsam das Generalsekretariat der Bischofssynode: Schwester Nathalie Becquart (l.), Untersekretärin, Kardinal Mario Grech (m.), Generalsekretär, und Bischof Luis Marin de San Martin (r.), Untersekretär der Bischofssynode.

Auf Ebene der Erdteile sind dann 2028 abermals kontinentale Versammlungen abzuhalten. Und erst deren Ergebnisse sollen dann im Juni 2028 in ein Arbeitspapier (Instrumentum laboris) für die kirchliche Generalversammlung im Oktober 2028 münden.

Das Synodensekretariat soll den gesamten Prozess "begleiten und unterstützen". Da es nicht zur Römischen Kurie gehört, wird es (unter Leitung von Kardinal Grech) auch im Fall eines Todes oder Amtsverzichts von Papst Franziskus weiter im Amt bleiben – während die Kurienspitzen vom Staatssekretär bis zu Glaubenspräfekten ihr Amt bei einem Pontifikatswechsel erst einmal verlieren.

Sichtliches Bemühen um Legitimierung

Die Rechtsgrundlage seiner Ermächtigung scheint dabei auf etwas wackligen Füßen zu stehen. Zwar schreibt Grech in seinem Brief an alle Bischöfe und Patriarchen der katholischen Weltkirche, der Papst habe am 11. März (das heißt, in seiner vierten Klinikwoche) dem "Start der Begleitung und der Evaluierung der Umsetzungsphase der Weltsynode durch das Synodensekretariat definitiv zugestimmt". Aber für einen zeitlich und kirchenrechtlich so weitreichenden Beschluss erscheint dieser Satz als eher dünne Basis.

Die Tatsache, dass das Vorhaben im Text des päpstlichen Angelusgebets vom 16. März ausdrücklich erwähnt wird, spricht dafür, dass man sich um zusätzliche Legitimität für das Projekt bemüht. Vorsichtshalber hat Grech das Ganze in seiner Tragweite denn auch etwas niedriger zu hängen versucht, indem er schreibt: "Vorerst wird daher keine neue Synode ausgerufen, sondern man entscheidet sich für einen Prozess der Konsolidierung des bereits Erreichten."

Daraus ließe ich ableiten, dass die "Assemblea Ecclesiale" im Oktober 2028 nicht mehr, sondern weniger kirchenrechtliche Autorität hat als eine Synode. Doch gleichzeitig betont Grech, dass es in der nun kommenden Phase der Umsetzung nicht bloß um eine "Anwendung" der bisherigen Synodenbeschlüsse gehe, sondern um einen aktiven Rezeptions- und Anpassungsprozess gemäß den jeweiligen kulturellen Bedürfnissen der "unterschiedlichen kirchlichen Kontexte". Damit wird, wie zuvor schon bei den Themen Homosexualität und Polygamie, abermals die Möglichkeit unterschiedlicher kultureller Ausprägungen des Katholischen auch in wesentlichen Fragen eröffnet.

Herleitungen und Weiterentwicklungen

Der ekklesiologische und kirchenrechtliche Übergang von der klassischen Bischofssynode zu einem neuen Beratungsgremium der katholischen Weltkirche mit einem großem Anteil von Laien und starker Regionalisierung schien auch Grech selbst zunächst etwas kühn zu sein. Jedenfalls bittet er die angeschriebenen Bischöfe in seinem Brief, das Ganze vertraulich zu behandeln, bis im Mai die konkreten Anleitungen veröffentlicht werden. Warum diese Vertraulichkeit dann jedoch aufgegeben wurde, teilte er nicht mit. Die Furcht vor einem Ableben oder einem Amtsverzicht des Papstes könnte ihn veranlasst haben, die "Flucht nach vorne" anzutreten und mit der Veröffentlichung Fakten zu schaffen, hinter die es dann so leicht kein Zurück mehr gibt.

Hörsaal voll mit Bischöfen
Bild: ©Vatican Media/Romano Sciciliani/KNA (Archivbild)

So bischöflich wie hier bei der Jugendsynode sehen die Synoden mittlerweile nicht mehr aus.

Das nun offenbar eilig veröffentlichte Schreiben gibt einen interessanten Einblick in die Herleitung und kreative Fortentwicklung der neuen Beratungsprozesse und -Gremien der katholischen Weltkirche: 2018 schuf Papst Franziskus mit der Apostolischen Konstitution "Episcopalis communio" (EC) die kirchenrechtliche Grundlage. EC weitete das 1965 von Paul VI. geschaffene Instrument der Bischofssynode aus und veränderte den Zuschnitt.

In diesem Text, der als die Magna Carta für die neuartigen Synoden in der katholischen Kirche gelten kann, erweitert der Papst die Möglichkeit der Beteiligung von Laien drastisch. Sie durften zuvor nur als Experten die Bischöfe beraten. In den Synodenversammlungen von 2023 und 2024 waren dann plötzlich so viele Nichtgeweihte mit Stimmrecht vertreten, dass konservative Kritiker besorgt fragten, ob man es überhaupt noch mit einer "Bischofssynode" zu tun habe. Gleichzeitig sprach EC bereits von einer Umsetzungsphase, für die das Synodensekretariat künftig zuständig sei. Diese Zuständigkeit des Sekretariats betreffe "auch die anderen Fragen, die der Papst ihm zum Wohl der universalen Kirche unterbreitet".

Offenbar gehört die Schaffung und die Vorbereitung der nun überraschend angekündigten "Assemblea Ecclesiale" mit dazu. In ihrer Zusammensetzung wird sie sich von der 2023/2024 erstmals praktizierten Form einer "gemischten" Bischofssynode dadurch unterscheiden, dass in ihr noch sichtbarer "das gesamte Volk Gottes" vertreten sein soll. Ob diese Art der kirchlichen Generalversammlung künftig an die Stelle der Bischofssynode treten oder diese lediglich ergänzen soll, ist bislang völlig offen.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)