Debatte um Streichung eines Feiertags: So positioniert sich die Kirche
Aus Sicht vieler Arbeitnehmer fängt bald die schönste Zeit des Jahres an: Beginnend mit dem Osterfest, das in diesem Jahr am 20./21. April gefeiert wird, stehen bis in den Juni hinein zahlreiche Feiertage im Kalender, die das Arbeiten in manchen Wochen beinahe zur Nebensache werden lassen. In einem Zeitraum von nur gut zwei Monaten fallen durch den Karfreitag, den Ostermontag, den Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt, den Pfingstmontag und – zumindest in sechs Bundesländern – Fronleichnam gleich sechs Arbeitstage weg. Die so gewonnenen freien Tage werden gerne für Besuche bei weiter entfernt lebenden Freunden und Verwandten oder Kurzurlaube genutzt.
Geht es nach führenden Ökonomen könnte es damit allerdings bald vorbei sein – zumindest teilweise. So sprach sich die Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer Mitte März in einem Interview mit dem "Spiegel" dafür aus, zur Finanzierung der Krisenlasten einen Feiertag in Deutschland abzuschaffen. "Die Streichung eines Feiertages fände ich als Symbol genau richtig", sagte die 63-jährige Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und verwies auf Dänemark, wo im vergangenen Jahr der "Store Bededag" (Großer Gebetstag) als Feiertag abgeschafft worden war, um Verteidigungsausgaben zu finanzieren.
Streichen von Feiertagen als "sinnvolle Option"
Ähnlich äußerte sich auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Michael Hüther. "Wir sind bei der demografischen Entwicklung in einer dramatischen Phase. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter nimmt in den kommenden Jahren drastisch ab", so Hüther in der "Zeit". Um den Wohlstand zu erhalten, müsse deshalb etwas getan werden. "Eine Stellschraube ist das Arbeitsvolumen – also die Zahl der Arbeitsstunden pro Jahr. Man kann es zum Beispiel durch längere Arbeitszeiten, weniger Urlaubstage oder eben das Streichen von Feiertagen erhöhen. Ich finde, das ist eine sinnvolle Option."
Nach einer Berechnung des IW könnte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch die Abschaffung eines Feiertags um bis zu 8,6 Milliarden Euro steigen – aus wirtschaftlicher Sicht läge der Vorteil also auf der Hand. Die Bevölkerung kann sich allerdings mehrheitlich nicht für den Vorschlag erwärmen. Eine "Forsa"-Umfrage im Auftrag des "Stern" zeigte jüngst, dass 65 Prozent der Befragten die Abschaffung eines Feiertags ablehnen und nur 32 Prozent den Vorschlag befürworten.
„Christliche Feiertage prägen die Kultur und Tradition unseres Landes und ermöglichen die gemeinschaftliche Religionsausübung zu zentralen religiösen Ereignissen.“
Auch die katholische Kirche spricht sich in der aktuellen Debatte klar gegen die Abschaffung eines Feiertags zur Ankurbelung der Wirtschaft aus. "Christliche Feiertage prägen die Kultur und Tradition unseres Landes und ermöglichen die gemeinschaftliche Religionsausübung zu zentralen religiösen Ereignissen. Wir sehen daher nicht, dass die Folge der Schuldenaufnahme als Erstes die Abschaffung eines christlichen Feiertags sein soll", sagte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, vor wenigen Tagen der "Augsburger Allgemeinen". Ob eine solche Maßnahme "in dem gewünschten Ausmaß und vor allem nachhaltig zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beiträgt, ist zudem fraglich". Und: "Der religiöse und kulturelle Verlust wäre aber dauerhaft." Dies habe auch die Abschaffung des Buß- und Bettags gezeigt.
Buß- und Bettag wurde 1995 für die Pflegeversicherung geopfert
Der evangelische Feiertag, der immer am letzten Mittwoch eines Kirchenjahres begangen wird, war jahrzehntelang in ganz Deutschland gesetzlicher Feiertag, ehe er 1995 zur Finanzierung der damals neu eingeführten Pflegeversicherung abgeschafft wurde. Seither ist der Tag, der zur Besinnung auf eigene Schuld, zu innerer Einkehr, Buße, Umkehr und Neuorientierung aufruft, nur noch in Sachsen arbeitsfrei. Möglicherweise hat dies auch zu einer wachsenden Unkenntnis über Inhalt und Sinn des Buß- und Bettages beigetragen: Bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov konnten im vergangenen Herbst mehr als 60 Prozent der Befragten nicht erklären, welche Bedeutung der Feiertag für christliche Gläubige hat, lediglich 28 Prozent kannten die Bedeutung des Tags.
Würde nun – wie von den Ökonomen gefordert – erneut ein Feiertag abgeschafft, würde es mit ziemlicher Sicherheit wieder einen christlichen Feiertag treffen. Schließlich sind allen Kirchenaustritten und Säkularisierungswellen der vergangenen Jahrzehnte zum Trotz die meisten Feiertage in Deutschland nach wie vor christlich, weshalb hier nach Ansicht vieler Experten das größte Potential für eine Abschaffung liegt. Und tatsächlich gilt vor allem der Pfingstmontag als Streichkandidat – und das schon seit vielen Jahren. Bereits vor 20 Jahren forderten Wirtschafts- und Unternehmerverbände die Abschaffung des Pfingstmontags als arbeitsfreien Feiertag. "Wir haben in Deutschland zu viele Feiertage und zu viel Urlaub", sagte damals der Präsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner. Nicht jeder Feiertag müsse zwangsläufig auch arbeitsfrei sein. "An Pfingstmontag beispielsweise sollte gearbeitet werden", forderte der Wirtschaftslobbylist.

Arbeitnehmern würde nach Ansicht der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) bei der Streichung eines Feiertags "mit ausdrücklicher Billigung des Staates ein kompletter Tag für Erholung, gesellschaftliches Leben und gemeinsame Zeit mit der Familie und Freunden genommen".
Der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) positioniert sich in der laufenden Debatte anders. Zwar wirke die für den Fall der Streichung eines Feiertags prognostizierte Steigerung des BIP um 8,6 Milliarden Euro zunächst beeindruckend. "Beide Kirchen haben allerdings auf den Kulturverlust hingewiesen, und diesen Überlegungen schließt sich der BKU an; gerade die kirchlichen Feiertage sind weiterhin Ausdruck der christlichen Prägung unseres Landes", erklärte der BKU-Vorsitzende Martin Nebeling auf Anfrage von katholisch.de. Zudem erscheine es angesichts einer erlahmten Konjunktur angebracht, Zweifel am Effekt einer Streichung eines Feiertags zu äußern. "Betriebe, die bereits ohne Feiertage Kurzarbeit anmelden oder Personal entlassen müssen, werden von einem zusätzlichen Arbeitstag auch nicht profitieren", so Nebeling.
"Griff in die Mottenkiste ebenso toxischer wie nutzloser Maßnahmen"
Auch die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) lehnt die Abschaffung eines weiteren Feiertags ab. Eine solche Idee stelle "nichts anderes als den Griff in die Mottenkiste ebenso toxischer wie nutzloser Maßnahmen dar", sagte KAB-Bundespräses Stefan-Bernhard Eirich katholisch.de. Vor allem die Arbeitnehmer würden unter der Abschaffung eines Feiertags leiden. "Diesen würde mit ausdrücklicher Billigung des Staates ein kompletter Tag für Erholung, gesellschaftliches Leben und gemeinsame Zeit mit der Familie und Freunden genommen. Letztlich käme diese Maßnahme damit einer staatlich angeordneten Lohnkürzung gleich", so Eirich.
Völlig zu Recht werde in den aktuellen Tarifkonflikten immer wieder auf die in Deutschland bereits "sehr hohe Arbeitsverdichtung und die kaum noch überschaubaren, nicht selten unbezahlten Überstunden in fast allen Bereichen hingewiesen". Die Abschaffung eines Feiertags würde den immensen Leistungsdruck nach Ansicht der KAB weiter steigern. "Die Folge wäre ein weiteres Anwachsen krankheitsbedingter Fehltage und würde damit auf das Gegenteil des erwarteten Effekts hinauslaufen", so Eirich.
„Bayern wird definitiv keinen Feiertag abschaffen.“
Laut dem KAB-Bundespräses lässt sich die "Nutzlosigkeit" der Forderung nach der Abschaffung eines Feiertags bestens anhand des Buß- und Bettags belegen. Schließlich stecke die Pflegeversicherung, für deren Finanzierung der Feiertag einst geopfert wurde, seit Jahren in den roten Zahlen. Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, dass es in Deutschland im europaweiten Vergleich unverhältnismäßig viele Feiertage gäbe, zähle nicht – bei genauem Hinschauen liege Deutschland hier im EU-Mittelfeld. "Wie sinnlos der Vorschlag ist, zeigen zudem die wirtschaftlich gut dastehenden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Sie haben bundesweit die meisten Feiertage."
Feiertage in Deutschland sind Ländersache
Kirchlicherseits ist die Haltung in der aktuellen Debatte also eindeutig. Ob und wie die Politik den Vorschlag der Ökonomen aufgreifen wird, ist dagegen noch nicht ausgemacht. In den laufenden Koalitionsverhandlungen für die nächste Bundesregierung scheint die Feiertagsfrage bislang keine Rolle gespielt zu haben, in den von der Plattform "Frag den Staat" veröffentlichten Verhandlungsergebnissen aus den Gesprächen von CDU, CSU und SPD findet sich nichts zu dem Thema. Das muss aber nichts heißen, schließlich sind die Feiertage in Deutschland – bis auf den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober – Ländersache. Jedes Bundesland entscheidet eigenständig über seine Feiertage. Dies bedeutet, dass auch ein bislang bundesweit arbeitsfreier Feiertag wie der Pfingstmontag in einzelnen Ländern abgeschafft werden könnte.
Sehr wahrscheinlich ist das allerdings nicht – schließlich ist die Abschaffung eines Feiertags eine in der Bevölkerung ziemlich unpopuläre Maßnahme. Wohl auch deshalb hat sich von den 16 Ministerpräsidenten bislang keiner den Vorschlag der Ökonomen zu eigen gemacht. Ganz im Gegenteil: Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) kündigte vor wenigen Tagen markig an: "Bayern wird definitiv keinen Feiertag abschaffen." Ob damit in der laufenden Debatte schon das letzte Wort gesprochen ist, bleibt allerdings abzuwarten.