Ex-Kardinal McCarrick starb mit 94

Der tiefe Fall eines erfolgsverwöhnten US-Kirchenmanns

Veröffentlicht am 06.04.2025 um 15:34 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel und Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

Rom/Washington ‐ Das Bekanntwerden des Skandals rund um den ehemaligen Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick schockierte 2018 die katholische Kirche in den USA. Auch nach seinem Tod herrscht Fassungslosigkeit angesichts seiner Taten.

  • Teilen:

Er gehörte zu den erfolgreichsten Figuren der katholischen Kirche in den USA. Als Erzbischof von Washington (2001-2006) erhielt Theodore McCarrick den Kardinalshut; Spitzenpolitiker suchten seinen Rat und seinen Einfluss. Doch der Missbrauchsskandal in der Kirche erfasste ihn schließlich mit voller Wucht. Nach Bekanntwerden zahlreicher einschlägiger Vorwürfe gegen ihn fiel McCarrick ab 2018 ins Bodenlose, lebte zuletzt isoliert und dement in einer Einrichtung für kranke Geistliche im Bundesstaat Missouri.

Am Donnerstag ist der einst hoch geachtete Kirchenmann im Alter von 94 Jahren gestorben. Statt einer wohlwollenden Würdigung veröffentlichte des Erzbistum Washington lediglich eine knappe Erklärung, die sich an die Opfer richtet. "Ich denke besonders an diejenigen, denen er im Laufe seines priesterlichen Dienstes Schaden zugefügt hat", so der jetzige Washingtoner Erzbischof, Kardinal Robert McElroy.

Doch wie konnte es zu einem solch unrühmlichen Ende kommen? Und wieso blieben McCarricks Missbrauchstaten so lange unbemerkt von der Öffentlichkeit? Ein Grund ist, dass er beste Kontakte zu wichtigen Akteuren pflegte. Als 2009 Senator Edward Kennedy auf dem nationalen Heldenfriedhof in Arlington zu Grabe getragen wurde, war es McCarrick, der am Grab einen Brief vorlas, den Kennedy an Papst Benedikt XVI. geschrieben hatte. Als 2014 die Geheimverhandlungen zwischen der US-Regierung von Barack Obama und Diktator Raul Castro in Kuba um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen stockten, spielte McCarrick eine Schlüsselrolle dabei, Papst Franziskus als Vermittler ins Spiel zu bringen. Er hatte also Erfolg.

"Geraune" schon vor 2018

Seine herausragende Stellung belegen Fotos mit Päpsten, Präsidenten und anderen Prominenten. Umso tiefer war sein Sturz, als bekannt wurde, dass er offenbar vor Jahrzehnten als Priester in New York einen Minderjährigen missbraucht hatte. Gleichzeitig wurden Fakten öffentlich, die Journalisten und Insider schon lange als "Geraune" kannten. Dazu gehörte, dass McCarrick über Jahrzehnte Seminaristen in sein Bett brachte.

Kardinal Theodore McCarrick gestorben
Bild: ©Bob Roller/CNS photo/KNA

Ex-Washingtoner Erzbischof Kardinal Theodore McCarrick gestorben

McCarrick kam als irischstämmiges Arbeiterkind in einfachsten New Yorker Verhältnissen zur Welt. Der Vater stirbt früh an Tuberkulose, die Mutter arbeitet in einer Fabrik für Autoteile. Die von Irischstämmigen dominierte Pfarrei beschrieb er später als seine eigentliche Familie, mit vielen echten und Nenn-Tanten, -Onkeln und -Cousins. Mit 20 beschließt er, Priester zu werden. Es folgt eine steile Kirchenkarriere, die er vor allem seinem Witz, Sprachentalent und einnehmenden Charme zu verdanken hat.

Als McCarrick 1986 Erzbischof von Newark wird, wendet er das erlernte Onkel-Schema wieder an. In seinen Beziehungen zu jungen Seminaristen und Priestern ist er "Uncle Ted". Viele Übergriffe finden in einem Strandhaus in New Jersey statt. Noch in einer Homestory 2004 erzählt er freimütig, dass er dort seit 20 Jahren stets eine Woche Urlaub "mit einer Gruppe von Priestern und Seminaristen verbringt". Was er nicht sagt: Er lud immer einen Gast mehr ein, als das Haus Betten hat. Dieser Überzählige war dann ausersehen, das Lager des Erzbischofs zu teilen.

McCarrick war ein begnadeter "Fundraiser". Die von ihm 1988 mitgegründete "Papal Foundation" sammelte Hunderte Millionen US-Dollar Kapital an, unterstützte Päpste finanziell und verteilte Geld für Projekte in allen Erdteilen. McCarricks Rolle im Stiftungskuratorium (bis 2017) öffnete ihm Türen im Vatikan und überall auf der Welt. Im kirchenpolitischen Lagerkampf in den USA positionierte sich McCarrick stets gegen die konservativen "Kulturkämpfer". Damit lag er auf einer Wellenlänge mit Papst Franziskus.

Vergangenheit holte ihn ein

Erst 2018 holten ihn, der sich einst als Vorkämpfer einer Null-Toleranz-Politik gegen Missbrauch gerierte, die eigenen Taten aus der Vergangenheit ein. Als die Kirche mehrere Vorwürfe als "glaubwürdig und substanziell" einstufte, wurde er von Franziskus erst aus dem Kardinalskollegium und dann aus dem Klerikerstand entlassen; zwei tiefe Demütigungen. 2020 veröffentlichte der Vatikan einen mehr als 450 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht - den "McCarrick-Report".

Eine Bestrafung durch weltliche Justiz unterblieb, vor allem wegen Verjährungsfristen. Ab 2023 attestierten Gutachter McCarrick Verhandlungsunfähigkeit wegen fortgeschrittener Demenz. Er selbst stritt die Vorwürfe gegen ihn wiederholt ab. Im Sommer 2019 sagte er in einem Interview, er glaube nicht, dass er jene Dinge getan habe. Ungenannten "Feinden" hielt er vor, sie hätten andere ermutigt, Missbrauchsgeschichten über ihn zu erfinden. Bei einer offiziellen Anhörung im September 2021 äußerte er sich ähnlich.

Von Ludwig Ring-Eifel und Alexander Brüggemann (KNA)