Kirche trägt laut Theologin Polak Mitschuld an Glaubensverlust
Religiosität in Österreich ist "liquidiert", also flüssig, fluide, diffus, aber nicht verschwunden, meint die in Wien lehrende Theologin Regina Polak. In einem Beitrag für das Portal "communio.de" (Dienstag) setzt sie die Ergebnisse der Studie "Was glaubt Österreich" (WGÖ) mit dem von Theologen vielfach gewürdigten Buch von Jan Loffeld "Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt" in Beziehung.
"Auch in Österreich haben ein traditionell kirchlich-religiöses Selbstverständnis und der Glaube an Gott oder eine göttliche Wirklichkeit einen Tiefpunkt erreicht", fasst Polak zusammen. Doch sei das "eine zu einem wesentlichen Teil auch selbstverschuldete 'Liquidierung' des christlichen Glaubens". Schließlich liege das Vertrauen in die Kirche schon länger bei unter 30 Prozent. "Eine Kirche, die mit ihren internen Skandalen und Machtkonflikten das eigene Zeugnis konterkariert, trägt wesentlich zur Auslöschung desselben bei", schreibt Polak. Die engagierten Gläubigen zahlten dafür den Preis.
"Schneckenartiges Reformtempo"
Nach Polak zeigt die WGÖ-Studie, dass der Befund Loffelds, dass "nichts fehlt, wo Gott fehlt" für Österreich zu schlicht und pauschal ist. "Was fehlt, ist die Zustimmung zu einem personalen und christologisch gefassten Transzendenzverständnis", konkretisiert sie.
Irritiert zeigt sich die Theologin über den Schreck, der vielen kirchlichen Verantwortlichen in die Glieder fahre, wenn sie die Ergebnisse der Studie wahrnehmen: "Haben die zweifellos engagierten Seelsorgerinnen und Seelsorger ernsthaft geglaubt, dass der christliche Glaube in Österreich die unzähligen Skandale und Krisen der katholischen Kirche, deren schneckenartiges Reformtempo – vor allem mit Blick auf Frauen – oder die gesellschaftlichen Konflikte um Religion unbeschadet überlebt?"
Lernprozesse nur mit passendem Personal
Die von Loffeld vorgeschlagenen "dialogischen Lern- und Begegnungsprozesse" können aus ihrer Sicht nur funktionieren, wenn ein "Personal" vorhanden sei, "das auch jene Fragen und Erfahrungen glaubwürdig und intellektuell redlich benennen kann, auf die der Glaube und die Theologie Antwort geben". Dieses Personal müsse in der Lage sein, die christliche Botschaft in die aktuelle Erfahrungswelt zu übersetzen. Polak schreibt, diese Kompetenzen fehlten in einer mit sich selbst beschäftigten Kirche nicht selten. Der Glaube gelte als selbstverständlich und selbsterklärend, so dass lediglich nach moderneren Verpackungen gesucht würde.
Polak fragt: "Begegnen die Menschen der christlichen Gottes- und Christusrede vielleicht auch deshalb indifferent, weil wir nicht benennen können, welche auch heute relevanten Fragen und Erfahrungen dieser Rede zugrunde liegen?" Die christliche Botschaft müsse spannend und anschlussfähig an das konkrete Leben übersetzt werden, so "dass die Indifferenz aus ihrem Dämmerschlaf erwacht". (KNA)