Ministerin will Richterspruch ignorieren – scharfe Kritik von Bischöfen

Gericht in Polen: Weniger Religionsunterricht ist verfassungswidrig

Veröffentlicht am 04.07.2025 um 11:38 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Eklat um das Schulfach Religion in Polen: Die Bildungsministerin will ein Verfassungsgerichtsurteil ignorieren, das die Halbierung der Religionsstunden für illegal erklärt. Die Kirche ruft die Politikerin zur Räson.

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In Polen eskaliert der Streit um eine Halbierung der Religionsstunden an Schulen. Das Verfassungsgericht erklärte am Donnerstag die von der Regierung verfügte Reduzierung der Religionslehre von zwei auf eine Stunde pro Woche für verfassungswidrig. Darauf betonte Bildungsministerin Barbara Nowacka am Abend, sie erkenne den Richterspruch nicht an.

Die Ministerin verwies darauf, dass das Parlament dem Verfassungsgericht im März 2024 die Legitimität absprach; seither würden dessen Entscheidungen als unwirksam betrachtet. Denn unter der rechtskonservativen Vorgängerregierung seien rechtswidrig Richter ernannt worden, die dieser zuneigten.

Das Urteil bezeichnete Nowacka im Interview des Nachrichtenportals "Onet" als "Versuch, das Bildungssystem zu destabilisieren". "Eine Gruppe, die sich als Gericht ausgibt, untergräbt gemeinsam mit Bischöfen das Handeln der Regierung", so die Politikerin der Bürgerkoalition von Ministerpräsident Donald Tusk.

"Willkürlich gestaltet"

Die Verordnung der Ministerin zur Reduzierung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen war vom Verfassungsgericht als unvereinbar mit dem Gesetz über das Bildungswesen und der Verfassung erklärt worden. "Die Bildungsministerin hat den Inhalt der angefochtenen Verordnung willkürlich gestaltet", erklärten die Richter. Die Ressortchefin sei verpflichtet, im Einvernehmen mit Vertretern von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften zu handeln. Sie habe aber deren Einwände ignoriert.

Der Sprecher der Polnischen Bischofskonferenz kündigte weitere rechtliche Schritte wegen "rechtswidrigen Vorgehens des Ministeriums" an – "auch bei internationalen Institutionen". Es sei zu hoffen, dass die Schulen die vom Verfassungsgericht aufgehobenen Verordnungen nicht befolgen. Bereits früher hatte das Gericht Änderungen am Religionsunterricht für ungültig erklärt. "Die Bischofskonferenz fordert das Ministerium für nationale Bildung auf, das Gesetz einzuhalten", so Sprecher Leszek Gesiak.

Laut der umstrittenen Verordnung soll ab nächstem Schuljahr Religion nur noch eine Stunde in der Woche unterrichtet werden, und zwar in der ersten oder letzten Stunde. Das Fach gibt es erst seit 1990 wieder an polnischen Schulen. Die Teilnahme ist freiwillig; Eltern können ihre Kinder also vom Religionsunterricht abmelden. 1961 hatten die damaligen kommunistischen Machthaber in Warschau an allen Bildungseinrichtungen jeglichen Religionsunterricht verboten. (KNA)