Reihe: So bunt ist die Kirche in Deutschland

Syro-Malankaren in Deutschland – wenige Mitglieder, aber eng verbunden

Veröffentlicht am 07.09.2025 um 00:01 Uhr – Von Beate Kampen – Lesedauer: 
Syro-Malankaren in Deutschland – wenige Mitglieder, aber eng verbunden
Bild: © privat

Bonn ‐ "Pompös, viel Gesang und Weihrauch" – so beschreibt Anup Mandethu seine Gottesdienste. Er gehört zu den Syro-Malankaren, die nach dem besonderen Ritus Messe feiern – die oft bis zu zwei Stunden dauern. Katholisch.de einen Einblick in das Gemeindeleben.

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In Indien gibt es seit der Frühzeit des Christentums eine christliche Gemeinschaft, auch Thomaschristen genannt. Sie führen sich auf die Missionsreise des Apostels Thomas zurück. Heute gibt es mehrere Kirchen und Gemeinschaften, die aus den Thomaschristen hervorgegangen sind. Eine davon ist die syro-malankarische Kirche, die in der vollen Gemeinschaft der katholischen Kirche steht. Rund 460.000 Katholikinnen und Katholiken feiern ihre Gottesdienste nach der östlichen Liturgie. Auch in Deutschland leben Syro-Malankaren. Einer davon ist Anup Mundethu. Er sagt: "Ich bin stolz Syro-Malankare zu sein" und zeigt das durch sein Engagement in der St. Joseph Gemeinde in Frankfurt.

"Pompös, viel Gesang, viel Weihrauch" – so beschreibt Mundethu den syro-malankarischen Gottesdienst. Die Feier folgt einer östlichen Liturgie, dem west-syrischen Ritus. Gesprochen wird ein Dialekt des Aramäischen, "die Sprache Jesu", wie er betont. Der übrige Gottesdienst findet auf Malayalam statt, der Sprache ihrer Herkunftsregion in Indien. Anders als in vielen deutschsprachigen Gemeinden dauert die Messe oft bis zu zwei Stunden. Und auch danach bleibt die Gemeinde zusammen. "Dann gehen wir ins Pfarrheim, essen Kuchen und quatschen miteinander", erzählt Mundethu. 

In den 1960er-Jahren fanden in Deutschland die ersten syro-malankarischen Gottesdienste statt. In den Kirchen deutscher Gemeinden trafen sich Syro-Malankaren vereinzelt. Die Besucher waren vor allem indische Ordensschwestern und junge Inderinnen, die für eine Krankenpflegeausbildung nach Deutschland kamen. Die wenigen syro-malankarischen Priester in Deutschland, oft Theologiestudenten, hielten die Gottesdienste in ihrer Freizeit. Mit der Zeit wurden die Gottesdienste immer regelmäßiger.

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Anup Mundethu ist Sekretär des Pastoralrats der Syro-Malankaren in Deutschland.

Von Anfang an spielte die gute Vernetzung unter den Syro-Malankaren in Deutschland eine entscheidende Rolle. Auch über Stadtgrenzen hinweg wusste man, wer wo wohnt und lud sich gegenseitig zu den Gottesdiensten ein. Seit Anfang der 2000er haben sich fünf feste Gemeinden gebildet, eingebunden in die jeweiligen Bistümer: St. Thomas in Bonn/Köln, St. Joesph in Frankfurt/ Mainz, St. Mary in Krefeld/ Düsseldorf, St. Peter und Paulus in Heidelberg/ Stuttgart und St. Chrysostom in Herne/ Dortmund. Während es 2007 gerade einen Priester für alle fünf Gemeinden gab, betreuen heute vier Priester die rund 1700 Syro-Malankaren in Deutschland.

Die Gemeinden sind für viele mehr als ein Ort für den Gottesdienst. "Für mich ist das eine Familie", sagt der 45-jährige Mundethu. Sie bieten Austausch, Halt – und konkrete Hilfe bei der Integration. Wenn ein Syro-Malankare heute nach Deutschland zieht, dann kann er oder sie sich an ihren Heimatpfarrer wenden, der Kontakte zur deutschen Gemeinde weitervermittelt. Je nach dem, wohin die Person zieht, lädt die deutsche Gemeinde sie direkt zum Gottesdienst ein. "Wir helfen dann bei der Wohnungssuche, beim Kontakt mit der Ausländerbehörde oder bei sprachlichen Barrieren", erzählt Mundethu.

Mit Fingerspitzengefühl kulturelle Brücken bauen

Auch kulturelle Unterschiede erklären die Gemeindemitglieder den Neuankömmlingen. Mundethu erzählt dazu eine Anekdote. Bei einem gemeinsamen Pfarrfest mit der deutschsprachigen Gemeinde gab es nach dem Gottesdienst Bier und Wein – so weit so normal, könnte man meinen. In Indien sei es aber unvorstellbar, auf einer Veranstaltung der Kirche Alkohol zu trinken, erzählt Mundethu. Da braucht es das Fingerspitzengefühl der erfahrenen Gemeindemitglieder, beide Seiten für diese Unterschiede zu sensibilisieren. Das gilt auch für kirchenpolitische Themen. "Die meisten Syro-Malankaren sind sehr traditionell", sagt Mundethu. Themen wie die Frauenweihe und die Ehe für alle sind für viele undenkbar. "Sogar Mädchen als Messdienerinnen im Altarraum sind noch nicht normal", berichtet Mundethu. Deshalb ist ihm der Dialog wichtig: In seiner Gemeinde organisieren sie Gesprächsabende zum Synodalen Weg, um Brücken zu bauen.

Mundethu, der in Deutschland geboren wurde, sieht noch eine weitere Aufgabe der Gemeinden. Als Jugendlicher findet er dort einen Raum, in der er über seine Kultur und Tradition lernen kann. "In Sommercamps habe ich mit anderen Syro-Malankaren unsere Liturgie kennengelernt", erinnert er sich. In seiner Gemeinde gibt es bis heute Religionsunterricht für Kinder, um ihnen die syro-malankarische Kirche mit all ihren Besonderheiten zu erklären. So sollen auch kommende Generationen, die hier aufwachsen, an die syro-malankarische Kirche gebunden bleiben.

Die syro-malankarischen Gemeinden in Deutschland wachsen – und das spürbar. "Es kommen Schüler, die hier ihr Abitur machen, Auszubildende, Studenten oder auch 40-Jährige, die hier einen Job finden", berichtet Mundethu. Mittlerweile werden auch Gottesdienste in Berlin oder München gefeiert. Noch heißen die Gemeinden dort "Mission Units", da sie noch nicht offiziell zu den Bistümern gehören. Bis es so weit ist, kann es noch einige Zeit dauern.

„Es sollte keine Gefälligkeit sein, dass wir unsere Gottesdienste hier feiern dürfen.“

—  Zitat: Anup Mundethu

Die Zusammenarbeit zwischen den syro-malankarischen und den deutschen Partnern läuft nicht immer reibungslos. "Das ist sehr von den einzelnen Bistümern und Gemeinden vor Ort abhängig", weiß Mundethu aus seiner Arbeit im gemeindeübergreifenden Pastoralrat. Immer wieder fühlten sich Syro-Malankaren bei der Suche nach einem Ort für ihre Gottesdienste vor den Kopf gestoßen. Manche Pfarreien fragten zunächst, ob sich das Heizen und Öffnen der Kirche für eine kleine Gruppe finanziell lohne. Hinzu kämen in einigen Bistümern große bürokratische Hürden bei der Anerkennung muttersprachlicher Gemeinden. Als "Untermieter" fehle oft das Gefühl, auf Augenhöhe Teil der Pfarrei zu sein. Mundethu stört vor allem der Fokus auf Kosten und Verwaltung. "Es sollte keine Gefälligkeit sein, dass wir unsere Gottesdienste hier feiern dürfen", sagt er. Schließlich zahlen er und ein Großteil der Gemeindemitglieder ganz selbst verständlich die Kirchensteuer.

In seiner Pfarrei St. Franziskus in Frankfurt erlebt Mundethu hingegen eine gelungene Zusammenarbeit. Seit Jahren teilen sich beide Gemeinden Kirche und Pfarrhaus. Syro-Malankaren sind im Ortsausschuss vertreten, man feiert gemeinsam Pfarrfeste, und auch Mundethu besucht regelmäßig den deutschsprachigen Gottesdienst. Für ihn ist klar: Dieses Miteinander muss weiter gestärkt werden. "Es sollte selbstverständlich sein, uns Gottesdienste zu ermöglichen. Wir feiern alle den gleichen Jesus – unabhängig von Sprache oder Liturgie."

Von Beate Kampen