Heimat und Anlaufstelle: Spanischsprachige Gemeinden im Bistum Fulda

Was haben Glaube und Sprache gemeinsam? Beide sind integraler Bestandteil der menschlichen Identität. "Wenn man in seiner Herzenssprache betet, hat man einen viel besseren Kontakt zu Gott", sagt Iñaki Blanco Pérez. Selbst dann, wenn man die Sprache in dem Land, in dem man seit 30 Jahren lebt, beherrscht und hier längst Wurzeln geschlagen hat. Das gilt auch für viele Mitglieder spanischsprachiger katholischer Gemeinden in Deutschland. Zwei von ihnen sind im Bistum Fulda: in Hanau und in Marburg.
Blanco Pérez, 42 Jahre alt, kümmerte sich einige Jahre um die beiden Gemeinden. Er kommt selbst aus Spanien und vertritt im Bundespastoralrat die Katholiken spanischer Muttersprache. Geboren in Bilbao, kam er während seines Theologiestudiums nach Deutschland. Nachdem er danach zunächst einige Jahre in Spanien als Lehrer gearbeitet hatte, ging er nach Deutschland zurück und ließ sich im Bistum Fulda zum Pastoralreferenten ausbilden.
Raum für Sprache, Kultur und Glauben
Die Gemeinden spanischer Muttersprachen sind zum einen ein großes Stück Heimat für Alteingesessene, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben. "Ein Weg, die Kultur seines Heimatlandes zu leben, ist eben, die Gemeinde zu besuchen", betont Blanco Pérez. Zum anderen sind sie eine gute Anlaufstelle für Neuankömmlinge. Entscheidend dabei ist, Räume zu schaffen, in denen Sprache, Kultur und Glauben eine gemeinsame, unterstützende Gemeinschaft bilden.
Die Gemeinde in Hanau ist genau so ein Stück Heimat für Alteingesessene. Sie wurde in den 1960er Jahren gegründet, als viele spanische Gastarbeiter in die Region kamen, um in den Fabriken dort ihr Geld zu verdienen. Die spanischen Bischöfe schickten Priester für die Seelsorge zu ihnen. Die Arbeiter blieben und holten ihre Familien nach Deutschland. Sie und ihre Nachfahren bilden immer noch den Kern. Im Laufe der Zeit kamen dann einige Menschen aus Lateinamerika dazu, die die Gemeinde bereicherten. Auf dem Papier besteht sie aus rund 900 Katholiken – aktiv sind rund 100, schätzt Blanco Pérez.
Die Mitglieder der spanischsprachigen Gemeinde in Hanau bereiten zusammen mit der Pfarrei einen Teppich für den Fronleichnamszug vor.
Gottesdienst gefeiert wird in der Kirche St. Paul im Hanauer Stadtteil Großauheim. Jeden Sonntag und an besonderen Feiertagen gibt es eine Messe. Dabei spielt die Musik eine wichtige Rolle, sagt Blanco Pérez. Die Frömmigkeitsformen sind andere als in deutschen Gemeinden. Eine große Rolle spielen dabei etwa Marienfeste. "Hier hat jede Nation, die vertreten ist, sozusagen ist eigenes", sagt Blanco Pérez. Für Gläubige aus Mexiko sei das beispielsweise der Gedenktag der Jungfrau von Guadelupe im Dezember. Für all das gebe es auch Platz. Die Sprache ist zwar ein einendes Moment – ansonsten ist die Gemeinde sehr vielfältig. "Es gibt viele verschiedene Mentalitäten. Denn es macht einen großen Unterschied, ob die Leute aus Ecuador, aus Argentinien oder Spanien kommen."
Die Gemeindemitglieder sind in der Regel gut integriert und sprechen, selbst wenn sie nicht schon Jahrzehnte hier leben, gut deutsch. Hier hilft auch die Umgebung, denn Hanau sei eine offene Stadt, unterstreicht Blanco Pérez. Auch der Kontakt zur deutschen Pfarrei habe sich in den vergangenen Jahren intensiviert, es gebe viele gemeinsame Aktionen. "Das Bistum Fulda befindet sich gerade in einem großen strukturellen Veränderungsprozess, bei dem Gemeinden zusammengelegt werden. Dabei wird auch verstärkt darauf geblickt, wie man mit den verschiedenen fremdsprachigen Missionen zusammenarbeiten kann."
Die Gemeinde in Marburg funktioniert etwas anders als die in Hanau. Sie ist erst vor gut drei Jahren entstanden und speist sich vor allem aus dem studentischen Milieu der bekannten Universitätsstadt. So ist sie auch keine eigenständige Gemeinde, sondern eine Gruppe innerhalb der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Marburg – und aus einer Initiative von Studenten heraus entstanden. Sie dient vor allem als Anlauf- und Treffpunkt für diejenigen, die zum Studium oder für eine postdoktorale Arbeit nach Deutschland kommen. Anders als in Hanau besteht sie zum Großteil aus Lateinamerikanern.
Mitglieder der Gemeinde in Hanau pilgern auf dem Jakobsweg.
Die Gemeindemitglieder feiern ein bis zweimal pro Monat Gottesdienst, treffen sich allerdings wöchentlich zum Rosenkranz oder zu anderen Gebetsformen. Die Messen finden in einer kleinen Kapelle in einem Altersheim statt; dabei sind regelmäßig etwa 50 bis 60 Leute.
Bei der Gemeinde in Marburg ist die Fluktuation deutlich größer, weil viele Menschen nur eine bestimmte Zeit dort leben. Hier geht es vor allem darum, Anschluss zu finden und in einem vertrauten Rahmen neue Menschen kennenzulernen. "Sie hat eine andere Dynamik als die in Hanau", sagt Blanco Pérez.
Für beiden Gemeinden gilt jedoch: Sie ermöglichen kulturellen Austausch und unterstützten bei der Integration. Sie schaffen nicht nur Heimat, sondern bauen Brücken zwischen Kulturen mitten in Deutschland. "Sie zeigen, wie Pastoral Vielfalt ernst nimmt", betont Iñaki Blanco Pérez. In einer immer vielfältigeren Gesellschaft leisten sie einen wichtigen Dienst.