Ungleich vereint – gerade auch kirchlich
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Es ist wieder Zeit für den Nationalfeiertag der Republik: Seit 35 Jahren erinnert er die Deutschen an das Wunder der Friedlichen Revolution. An einem solchen Tag lohnt der kirchliche Blick in den Osten. Während die Wiedervereinigung für die allermeisten Menschen in Westdeutschland bedeutete, dass es weiterging wie zuvor, hat sich für die Ostdeutschen fast alles verändert. Für Christen blieb zwar das Glaubensbekenntnis und die damit verbundene Gemeinschaft gleich, die konkrete Ausgestaltung kirchlichen Lebens wurde aber aus der BRD innerhalb kürzester Zeit übernommen – und damit verändert. Sternsinger, Kirchensteuer und politisch agierender Verbändekatholizismus fassten mehr oder weniger Fuß, wo vorher fast ausschließlich Gemeinde und starke Binnenzentrierung waren.
Was das Pressegespräch der DBK zur "Sendung der Kirche inmitten einer säkularen Gesellschaft" theoretisch erklärte, kann man hautnah täglich in der Diaspora Ostdeutschlands erleben. Umso mehr gibt es drei Aspekte, die kirchliche Verantwortliche dringend ernst nehmen müssen:
- Was heute im Osten der Republik die pastorale Herausforderung ist, wird die Zukunft der Kirche im Westen sein. Unter anderen Voraussetzungen, aber mit analogen Auswirkungen. Wie können Strukturen in der Fläche noch erhalten werden? Wie gelingt Glaubensweitergabe bei Menschen, die vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben?
- Die Kirche kann nur Vorbild sein, wenn sie sich selbst an ihre Ansprüche hält. Wer Solidarität in der Gesellschaft fordert, muss sie selbst leben. Das meint in besonderer Weise den Finanzausgleich zwischen den Diözesen. Wir gehen nicht ehrlich miteinander um, sondern verstecken gegenseitig unseren Reichtum. Das erfordert einen Wechsel der eigenen Haltung. Synodale Gremien werden hierfür nur begrenzt mehr Gerechtigkeit schaffen können.
- Der Aufbau neuer Strukturen wird nicht mehr möglich sein. Stattdessen wird vielmehr die Frage sein, an welchen Stellen ökumenischer und priorisierter, vielleicht sogar örtlich begrenzter, Glaube verkündet werden kann.
Der anstehende Tag der Deutschen Einheit mahnt aber vor allem, nicht die eine Sicht und Struktur auf alle übertragen zu wollen. Deswegen bleibt der entschiedenste Ort des Lernens die Begegnung. Oder um es mit Angela Merkel zu sagen: "Seid bereit zur Begegnung, seid neugierig aufeinander, erzählt einander eure Geschichten und haltet Unterschiede aus."
Der Autor
Dr. Thomas Arnold baut im Leitungsstab des Sächsischen Staatsministeriums des Innern den Bereich strategische Planung, Organisationsentwicklung und Controlling auf. Zuvor leitete er von 2016 bis 2024 die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.
