Darum feiern wir Nikolaus statt Weihnachten

Nikolaus wird bei uns groß gefeiert. Eigentlich ist das aus der Not geboren. Denn Weihnachtstage mit der ganzen Familie können schon mal stressig sein. Jede Oma will die Enkelkinder sehen, jeder Opa Geschenke verteilen und auch Tanten, Onkel und die Wahlfamilie möchten gemeinsam schlemmen. Und die Kinder, die haben am Ende oft wenig von dem Terminmarathon. Da bleibt nämlich keine Zeit mehr, das Adrenalin auf ein Normalmaß zu bringen und die Besinnung wirken zu lassen. Ganz zu schweigen davon, dass die neuen Spielzeuge ja auch ausgiebig getestet werden wollen. Deshalb haben wir im Familienrat entschieden, die Feiertage zu entzerren und das traditionelle Treffen mit Oma vom ersten Feiertag schon auf Nikolaus vorzuverlegen. Ein Termin weniger auf der Festtagsagenda um Heiligabend, eine Gelegenheit mehr für neue, eigene Traditionen. Ein Tag der Festtagstrilogie, den wir ganz für uns haben. Herrlich!
Das Fest des heiligen Bischofs mit dem roten Mantel gehört ohnehin zu meinen liebsten im Jahreskreis. Ein Mann, der nachts heimlich Goldklumpen durch Fenster wirft, um eine Familie aus einer Notlage zu retten, berührt mich tief. Die Geschichte des Helfens ohne Gegenleistung, nicht mal um des Ruhmes willen, ist inspirierend und nötig. In einer Welt, in der wir gerne alles zur Schau stellen – online wie offline –, tut es gut, sich daran zu erinnern, dass die Tat selbst zählt und nicht der Social-Media-Post dazu. Auch das ist ja Besinnung auf das Wesentliche.
Apropos Besinnlichkeit: Diese vorgezogene Feier ermöglicht es meiner Familie, den Advent viel bewusster zu genießen, denn man ist schon früher vorbereitet, entsprechend weniger gestresst. Man hetzt nicht bis zum letzten Tag vor Weihnachten, um Tannenbaum, Weihnachtsdeko und Festtagsbraten zu organisieren. Sogar die Geschenke werden schon im November besorgt, weil man schlicht auch früher fertig sein muss. Dadurch entsteht ganz nebenbei Raum zum Innehalten, zum Genießen des adventlichen Zaubers. Zeit für ein achtsames Gebet oder einen Moment der Dankbarkeit. Vielleicht sogar Zeit, um jemandem zu helfen, der es nötig hat oder der gerade schwer an der Last seines Alltags zu tragen hat. Vielleicht kann man ihm mit einer stillen Geste etwas Adventszauber abgeben. Solidarität und Hoffnung sind Werte, die Bischof Nikolaus uns lehren kann und die ich auch meinen Kindern vorleben möchte.
Und uns recht von Herzen freun
Wenn wir also verinnerlichen, dass Heiligkeit nicht nur auf drei Feiertage im Dezember beschränkt, sondern der Weg dorthin mindestens ebenso wichtig ist, dann haben wir auch die Botschaft des heiligen Nikolaus verstanden. Nicht ein großes Weihnachtsfest zählt, sondern wie wir uns begegnen. Im Advent und im ganzen restlichen Jahr.
Für meine Familie hat es funktioniert, das Nikolausfest groß zu feiern. Für uns bleibt so am Ende mehr von Weihnachten: mehr Besinnung, mehr Gelassenheit, mehr Stimmung, mehr Zeit, um Spiele zu spielen, zu lesen oder um „einfach nur dazusitzen und vor uns hinzuschauen.“ (Astrid Lindgren)
In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser, möchte ich Sie ermuntern, sich ihre ganz eigenen Traditionen zu schaffen. Mutig die gewachsenen Familientraditionen zu hinterfragen und zu schauen, was guttut und was wegkann. Damit Raum entstehen kann die frohe Botschaft zu leben, statt zu feiern - besonders zur Weihnachtszeit.