Standpunkt

Deutsch-polnischer Briefwechsel 1965: Der erste Schritt zur Versöhnung

Veröffentlicht am 14.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Michael Böhnke – Lesedauer: 

Bonn ‐ Zum 60. Jahrestag des Briefwechsels der polnischen und deutschen Bischöfe erinnert Michael Böhnke an ein weiteres entscheidendes Datum der Versöhnung zwischen beiden Ländern: den deutsch-polnischen Grenzvertrag vom 14. November 1990.

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Am 14. November 1990 endete ein Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. In Warschau unterzeichneten die Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Krzysztof Skubiszewski den deutsch-polnischen Grenzvertrag. Die bestehende Grenze zwischen beiden Staaten – die Oder-Neiße-Linie – wurde damit völkerrechtlich anerkannt. Polen und Deutschland verpflichteten sich gegenseitig "zur uneingeschränkten Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität".

Bereits im Warschauer Vertrag vom Dezember 1970 hatten sich die Bundesrepublik und Polen dazu verpflichtet, auf gegenseitige Gebietsansprüche zu verzichten. Jedoch war die neue Ostpolitik der Regierung Brandt nicht unumstritten, bestimmte doch die 1950 verabschiedete "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" mit ihrem Bekenntnis zum Verzicht auf "Rache und Vergeltung" einerseits und der Forderung nach einem "Recht auf Heimat" andererseits die Position der Kirchen und der politischen Parteien in Deutschland.

Der Hintergrund: In Potsdam war 1945 zwischen den Siegermächten vereinbart worden, dass bis zu einer endgültigen Friedensregelung die Oder-Neiße-Linie als vorläufige Grenze zwischen Polen und Deutschland gelten sollte. Ehemals deutsche Gebiete standen seitdem unter polnischer Verwaltung. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten war angespannt.

Am 18. November 1965 haben die polnischen Bischöfe einen Versuch zur Entspannung unternommen. In einem Brief an ihre deutschen Amtsbrüder formulierten sie die berühmten Worte "Wir gewähren Vergebung und bitten um Vergebung". Sie bezogen sich damit sowohl auf die Kriegsgräuel als auch auf die Vertreibung, erteilten einer Revision der vorläufigen Grenzen jedoch indirekt eine Absage. Entsprechend zurückhaltend fiel die Antwort der deutschen Bischöfe vom 6. Dezember 1965 aus.

Heute gilt der Briefwechsel als einer der ersten und bedeutendsten Schritte der deutsch-polnischen Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Allerdings legte erst der Grenzvertrag vom 14. November 1990 das Fundament für eine gute deutsch-polnische Nachbar- und Partnerschaft.

In vier Tagen werden polnische und deutsche Bischöfe den 60. Jahrestag des Briefwechsels in Wroclaw feierlich begehen. Es gilt, bei dieser Gelegenheit auch an den Grenzvertrag zu erinnern.   

Von Michael Böhnke

Der Autor

Michael Böhnke ist emeritierter Professor für systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Außerdem ist er Ethik-Beauftragter des Deutschen Leichtathletikverbands.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.