Erste außenpolitische Rede des neuen Kirchenoberhauptes

Papst Leo XIV. lobt den türkischen Präsidenten Erdogan

Veröffentlicht am 27.11.2025 um 14:58 Uhr – Lesedauer: 

Ankara ‐ Zum Auftakt seiner Türkeireise traf der Papst mit Präsident Erdogan einen wichtigen politischen Player im Nahen Osten. Seine erste Rede in dem Land nutzte Leo XIV. zu einer politischen und religiösen Charme-Offensive.

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Papst Leo XIV. hat zu Beginn seiner Nahostreise den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen. Vor Spitzen von Staat und Gesellschaft lobte er am Donnerstagmittag in Ankara ausdrücklich dessen Familienpolitik und sprach von einer "besonderen Rolle der Türkei". In seiner ersten außenpolitischen Rede als Papst sagte er: "Sie nehmen einen wichtigen Platz in der Gegenwart und Zukunft des Mittelmeerraums und der ganzen Welt ein."

Die Türkei, so der Papst weiter, verbinde Asien und Europa, aber sie sei auch selbst "ein Begegnungsort verschiedener Empfindungsweisen, deren Vereinheitlichung eine Verarmung darstellen würde". Mit Nachdruck warb das Kirchenoberhaupt für gesellschaftlichen Pluralismus, der von extremen Vertretern des türkischen Nationalismus bekämpft wird. Er sagte: "Eine Gesellschaft ist dann lebendig, wenn sie plural ist: Es sind die Brücken zwischen ihren verschiedenen Seelen, die sie zu einer Zivilgesellschaft machen."

Zur Rolle der Christen in der Türkei, die dort nach den Vertreibungen im frühen 20. Jahrhundert nur noch eine kleine Minderheit bilden, sagte er: "Ich möchte Ihnen versichern, dass auch die Christen, die Teil der türkischen Identität sind und diese empfinden, positiv zur Einheit Ihres Landes beitragen wollen." Weiter betonte Leo XIV: "In einer Gesellschaft wie der türkischen, in der die Religion eine sichtbare Rolle spielt, ist es von grundlegender Bedeutung, die Würde und Freiheit aller Kinder Gottes zu achten: von Männern und Frauen, Landsleuten und Ausländern, Armen und Reichen."

Lob für Familien- und Frauenförderung

Die Familienpolitik in der Türkei lobte der Papst: "Die Familie ist in der türkischen Kultur von großer Bedeutung, und es mangelt nicht an Initiativen, um ihre zentrale Rolle zu unterstützen." Er fuhr fort: "Weder eine individualistische Kultur noch die Geringschätzung von Ehe und Fruchtbarkeit bieten den Menschen mehr Lebensmöglichkeiten und Glück. Auf diese Täuschung der Konsumwirtschaft, in der Einsamkeit zu einem Geschäft wird, sollte man mit einer Kultur reagieren, in der Zuneigung und Bindungen einen hohen Stellenwert haben".

Zur Rolle der Frau in der Türkei bemerkte Leo: "Insbesondere die Frauen stellen sich durch Studium und aktive Teilnahme am beruflichen, kulturellen und politischen Leben zunehmend in den Dienst des Landes und seines positiven Einflusses auf internationaler Ebene." Und weiter: "Daher sind die in diesem Sinne wichtigen Initiativen zur Unterstützung der Familie und des Beitrags der Frau zur vollen Entfaltung des sozialen Lebens sehr zu schätzen." Gegen Ende seiner Rede wandte sich der Papst direkt an Erdogan und sagte: "Herr Präsident, möge die Türkei ein Faktor der Stabilität und der Annäherung zwischen den Völkern sein, im Dienste eines gerechten und dauerhaften Friedens." Der Vatikan sei gewillt, gemeinsam mit der Türkei "an einer besseren Welt mitzuwirken".

Vor seiner Rede in der türkischen Nationalbibliothek hatte Papst Leo XIV. zunächst im Atatürk-Mausoleum einen Kranz niedergelegt. Danach war er von Erdogan vor dem Präsidentenpalast mit militärischen Ehren empfangen worden, bevor die beiden sich zu politischen Gesprächen zurückzogen. Dabei erörterten sie auch internationale Fragen, wie Erdogan in seiner Begrüßungsrede an den Papst in der Nationalbibliothek sagte. Erdogan betonte in seiner Rede unmittelbar vor der Papstansprache die religiöse Toleranz als ein Ziel seiner Regierung. Ferner unterstrich er die aktive Rolle der Türkei in den Gesprächen für einen Frieden zwischen der Ukraine und Russland und lobte den Einsatz des Vatikans für eine Zweistaatenlösung im Konflikt von Israelis und Palästinensern. (KNA)