Krankenhausseelsorger Reiner Nieswandt zum vierten Advent

Gott mit uns: Eine fast unglaubliche Geschichte von der Kinderstation

Veröffentlicht am 21.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Reiner Nieswandt – Lesedauer: 
#gemeinsamleuchten

Wuppertal ‐ Der Krankenhausalltag konfrontiert täglich mit Leid und Ausweglosigkeit. Und doch gibt es Augenblicke, die allem widersprechen. Reiner Nieswandt erzählt von einem Neugeborenen, das für ihn das Weihnachtsgeschehen vorweggenommen hat – und vom Licht der Verheißung, das die Welt braucht.

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Gelegentlich werde ich von wohlmeinenden Mitmenschen gefragt, ob die Arbeit in den Krankenhäusern Wuppertals nicht sehr hart ist. Wir sind hier schließlich tagtäglich mit schwerem Leiden und oft aussichtslosen Situationen konfrontiert. Auch das ganze psychosoziale Elend dieser großen Stadt - Armut, Ausgrenzung, Drogenabhängigkeit und Kriminalität – bleibt nicht vor den Türen der Häuser, sondern kommt mitten hinein, auf die Notaufnahmen, die Intensiv- und Pflegestationen. Da gilt es nicht selten, herausfordernde und verstörende Bilder, Gerüche und Geräusche, zusammen mit den Angehörigen und den vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen, auszuhalten und einander beizustehen, selbst wenn die Situation eigentlich "zum Davonlaufen" ist.

Dreimal im Jahr beerdige ich in einer Sammelbestattung "Sternenkinder", also Kinder, die während der Schwangerschaft starben oder tot geboren wurden. Das Leid, das bei den ökumenischen Gottesdienstfeiern und dann auf dem Friedhof zum Ausdruck kommt, lässt sich nicht in Worte fassen, und auch Worte des "Trostes" wirken gelegentlich hohl. Auch hier gilt es dann, dabei zu bleiben und solidarisch zu sein.

"Der Kleinen geht es besser"

Ähnliches gilt für meine Besuche auf einer Kinderintensivstation unserer Stadt. Wenn ich von dort einen Anruf erhalte, gilt es, sofort zu reagieren, um den Familien beizustehen. Denn auch hier ist die Situation meist hoffnungslos und kann sich minütlich verschlechtern.

Mittlerweile ist es zwei Jahre her, dass ich einen solchen Anruf erhielt, verbunden mit der Information, ich würde die Eltern des neugeborenen Kindes kennen. Also fuhr ich, mit mulmigem Gefühl im Bauch, unverzüglich los. Angekommen, betrat ich das Zimmer, wo die Eltern des Babys bereits auf mich warteten. Ich fragte beide, ob sie wollten, dass ich ihre Tochter taufe. Sie bejahten, und so wurde das Kind von mir getauft. Nun geschah das, warum ich diese wahre, fast unglaubliche Geschichte erzähle: Unmittelbar nach der Taufe sagte die anwesende Kinderkrankenschwester: "Der Kleinen geht es besser."

Pfarrer Reiner Nieswandt
Bild: ©privat

"Unsere Aufgabe als Christinnen und Christen bleibt es, dieses Licht der Verheißung weiterzugeben, egal wo wir leben und arbeiten, leiden und lieben", schreibt Reiner Nieswandt.

Und das blieb auch so. Zehn Tage später wurde das Kind nach Hause zu seiner Familie entlassen. Vor wenigen Wochen ist sie zwei Jahre alt geworden und ich habe sie, zum Kindergeburtstag von der Familie eingeladen, zum ersten Mal nach ihrer Geburt und Taufe wieder gesehen. Sie ist gesund und keiner kann sich so recht erklären, warum sie damals diese Probleme hatte.

Vor zwei Jahren war dieses Ereignis ein für mich "vorgezogenes Weihnachtsgeschen". Jedes neugeborene Kind ist ein solches Geschenk, das uns, wie der Prophet Jeremia in einem gänzlich anderen Zusammenhang formuliert, "eine Hoffnung und eine Zukunft" (Jer 29,11) verheißt. So war es damals, vor mittlerweile über zweitausend Jahren in Galiläa, auch. Der Engel verheißt, in der Version der Verkündigungserzählung bei Matthäus, dass Gott sein uraltes Versprechen, seinem Volke beizustehen, in der Geburt des Kindes Jesus als "Gott mit uns – Immanuel" (Jes 7,14 und Mt 1,23) in Erfüllung gehen lässt.

Die Erzählung von Weihachten rührt weiter an

Und so verwundert es mich nicht, dass so viele, die schon lange nicht mehr glauben können oder gar keine Christen (mehr) sind oder werden wollen, sich dennoch von der Weihnachtserzählung anrühren lassen. Denn hier scheint, trotz aller, manchmal auch von uns Christen mit verursachten Verdunklungen, ein Licht auf, "das die Heiden erleuchtet" (Lk 2,32), also die ganze Welt. Und dieses Licht der Hoffnung brauchen wir, wenn es eine Zukunft auf diesem Planeten geben soll, in einer Welt, die viel zu oft keinen sicheren, behüteten und liebevollen Platz für die Kinder hat, ebenso wie es damals dem neugeborenen Jesus und seinen Eltern erging (Lk 2,7).

Unsere Aufgabe als Christinnen und Christen bleibt es, dieses Licht der Verheißung weiterzugeben, egal wo wir leben und arbeiten, leiden und lieben. In diesem Sinn wünsche ich uns allen einen von Gott gesegneten vierten Advent.

Von Reiner Nieswandt

Der Autor

Reiner Nieswandt ist Leitender Pfarrer in der Katholischen Krankenhaus-Seelsorge Wuppertal.

Weihnachtsaktion 2025 #gemeinsamleuchten

Wir sind umgeben von erschütternden Nachrichten. Krieg, Naturkatastrophen, Flucht und Armut sind nur einige der Themen, die uns tagtäglich bewegen. Menschen und Medien erzählen uns vom Schicksal Einzelner und Vieler. Und alle sind berührend. Da kann man sich schon einmal Gedanken machen, ob es überhaupt in Ordnung ist, noch Weihnachten zu feiern. Ob man sich schuldig fühlen muss, wenn man in Frieden und Freude feiert, während andere leiden. Wir möchten darauf eine Antwort geben: Ja, ist es. Feiert Weihnachten, tragt das Licht dieses besonderen Festes in die Welt! Lasst uns gemeinsam leuchten und andere zum Strahlen bringen. Lasst uns #gemeinsamleuchten – gerade an Weihnachten.