Der Kustos des Heiligen Landes zur Bedeutung der Geburt Jesu

Weihnachten im Heiligen Land: Ein Licht, geboren in Fragilität

Veröffentlicht am 24.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Francesco Ielpo OFM (Übersetzung: Steffen Zimmermann) – Lesedauer: 
Gastbeitrag

Bethlehem ‐ Weihnachten ist mehr als ein Fest: Es ist Gottes Entscheidung für die Nähe in einer verwundeten Welt. Der Kustos des Heiligen Landes, Francesco Ielpo OFM, schreibt in seinem Gastbeitrag für katholisch.de, wie das Licht von Bethlehem gerade in Zeiten von Konflikt, Angst und Spaltung Hoffnung schenkt.

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Für uns Christen ist Weihnachten weit mehr als ein Datum im Kalender: Es ist die lebendige Erinnerung an ein Ereignis, das die Geschichte der Menschheit verändert hat. Weihnachten ist das Fest, an dem wir die Geburt Jesu feiern, des ewigen Wortes, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,14). Es ist der Tag, an dem Gott sich nicht in der Größe des Mächtigen zeigen wollte, sondern im demütigen und schlichten Raum einer Grotte von Bethlehem.

Bethlehem, die kleine Stadt Judas, ist der Ort, an dem der Sohn Gottes in äußerster Fragilität menschliche Gestalt angenommen hat. Es gab dort weder Lichter noch königliche Paläste: nur ein notdürftiges Lager, Stroh und Holz, den Geruch eines Stalls und das Weinen eines Kindes. Und gerade in dieser Kleinheit – in der Kleinheit eines in Demut geborenen Kindes – offenbart sich eine überraschende Wahrheit: Gott entscheidet sich, bis zum tiefsten Punkt unserer Menschlichkeit herabzusteigen, um uns die Hoffnung zurückzugeben.

Die Gegenwart Gottes in den Armen erkennen

In unseren von Konflikten, Leid und Spaltungen geprägten Jahren bedeutet der Blick auf dieses Kind, auf ein Licht zu schauen, das nicht erlischt, selbst wenn ringsum alles von Finsternis umhüllt scheint. Das Licht von Bethlehem lädt uns ein, nicht der Resignation nachzugeben, sondern die Gegenwart Gottes in den Armen, den Ausgegrenzten, den Verwundeten des Lebens und in all jenen zu erkennen, die im Dunkeln gehen. Es ist ein Licht, das aus der Fragilität geboren wird und dort sichtbar wird, wo nicht Macht zählt, sondern die Würde jedes einzelnen Menschen.

Bild: ©picture alliance / Anadolu | Wisam Hashlamoun

Der italienische Franziskaner Francesco Ielpo OFM, der Autor dieses Beitrags, ist seit Juni 2025 Kustos des Heiligen Landes und Wächter des Berges Zion.

Bethlehem ist nicht nur ein geografischer Ort, sondern ein Symbol der menschlichen Existenz. Hier verstehen wir, dass Gott unser Leid nicht scheut, sich nicht von den Wunden der Welt abwendet, sondern sie annimmt und verwandelt. Gott wird in der Fragilität geboren, weil er dort Hoffnung erblühen lassen will, wo alles vom Bösen und von der Angst erstickt zu sein scheint.

In diesem Weihnachtsfest sind wir gerufen, dieses Licht in unseren Alltag hineinzutragen und es durch Gesten des Friedens, der Aufnahmebereitschaft, des Dialogs und des gegenseitigen Verständnisses zu bezeugen. Für den Frieden im Heiligen Land zu beten bedeutet auch, darum zu bitten, dass sich jedes Herz für die Versöhnung öffnet, Mauern und Trennungen überwindet und Brücken der Geschwisterlichkeit baut.

Freude ist keine Flucht vor der Realität

Das hier, zwischen Jerusalem und Bethlehem, gefeierte Weihnachten erinnert uns daran, dass Freude keine Flucht vor der Realität ist, sondern die Gegenwart Gottes mitten in den Schwierigkeiten. Jesus wird nicht geboren, um uns von den Problemen der Welt zu entfernen, sondern um uns innerhalb der Wirklichkeit zu begleiten – mit einem neuen Blick, der Hoffnung aufzunehmen vermag und jede Wunde in einen Keim des Lebens verwandelt.

Möge dieses Licht, geboren in der Fragilität einer Grotte, unsere Herzen und unsere Gemeinschaften erleuchten und Frieden, Mut und erneuertes Vertrauen in die Zukunft schenken. Möge das Geheimnis der Menschwerdung in jedem von uns die Gewissheit verwurzeln, dass Gott weiterhin an unserer Seite geht und dass in jedem Winkel der Welt die Gegenwart Christi Quelle wahrer Hoffnung ist

Von Francesco Ielpo OFM (Übersetzung: Steffen Zimmermann)

Der Autor

Bruder Francesco Ielpo OFM (*1970) ist seit Juni 2025 Kustos des Heiligen Landes und Wächter des Berges Zion. Als Kustos des Heiligen Landes ist Ielpo im Auftrag des Papstes Wächter über die Heiligen Stätten. Damit ist er – neben dem Lateinischen Patriarchen Pierbattista Pizzaballa – oberster Repräsentant der Katholiken in Israel, Palästina, Jordanien und Zypern sowie ihr bekanntestes Gesicht. Ielpo wurde in Lauria in der süditalienischen Provinz Potenza geboren. Er legte 1998 seine Profess im Franziskanerorden ab und wurde 2000 zum Priester geweiht. Zugleich wurde er Rektor des Instituts Franciscanum Luzzago in Brescia. Unter anderem war Ielpo von 2013 bis 2016 Kommissar des Heiligen Landes in der Lombardei und führte diese Aufgabe von 2016 bis 2023 für die Provinz Norditalien fort.