Kleruspräfekt: Nur Teile der Kirche erleben Berufungskrise

Der Präfekt des Klerusdikasteriums, Kardinal Lazarus You Heung-sik, sieht nicht die gesamte Kirche in einer Berufungskrise. "Zunächst einmal muss klargestellt werden, dass nicht die Kirche insgesamt eine Berufungskrise durchlebt, sondern nur bestimmte Teile der Kirche, insbesondere dort, wo die Säkularisierung mittlerweile alle Ebenen der Gesellschaft erreicht hat", sagte Kardinal You in einem Interview, das auf der Internetseite des Dikasteriums (Montag) veröffentlich wurde. Gleichzeitig gebe es in der gesamten Welt eine Krise stabiler Lebensentwürfe. "Eine Welt, die zu vorübergehenden, unvollständigen Bindungen ermutigt und davon abhält, feste und dauerhafte – sagen wir treue – Verpflichtungen einzugehen, ist eine Welt, die alle davon abhält, ihre Berufung zu suchen, geschweige denn, darin auszuharren."
Die Kirche dürfe sich mit diesem Zustand nicht abfinden. "Wir müssen darauf bestehen, die Schönheit und die komplementäre Vielfalt aller Berufungen zu verkünden, von der Ehe über das Ordensleben bis hin zum geweihten Amt, denn alle tragen zum Aufbau der Kirche und zur glücklichen Selbstverwirklichung bei." Das "radikale Angebot des Evangeliums" dürfe dabei jedoch nicht verwässert werden, sondern müsse ohne Angst verkündet werden, sagte der Kardinal.
Priestertum ein "wunderbares Geschenk"
You äußerte sich anlässlich der Veröffentlichung des Schreibens "Eine Treue, die Zukunft schafft" am Montag. In dem Text hatte Papst Leo XIV. sich zur Situation von Priestern heute geäußert und sich unter anderem besorgt über den Priestermangel in manchen Ländern gezeigt. You würdigte den Text des Papstes: "Ich glaube, dass dieses Apostolische Schreiben das ganze heilige Volk Gottes daran erinnert, dass das Priestertum ein wunderbares Geschenk, eine sehr hohe Verantwortung, aber vor allem ein unverzichtbarer Dienst in der Mission der Kirche ist, wie es der Herr Jesus gewollt hat." Das Schreiben sei in der heutigen Zeit besonders wichtig, wo das Priestertum als das Erbe einer alten Welt angesehen und aufgrund vieler schmerzhafter Skandale angefragt werde.
In einer synodalen Form des Priesteramts sehe er – ähnlich wie Papst Leo XIV. – "ein wirksames Gegenmittel gegen die Selbstbezogenheit und Isolation", die "im priesterlichen Leben häufige Versuchungen sind", so der Kleruspräfekt. Gleichzeitig betonte der Kardinal: "Eine Kirche, die stärker synodal lebt, ist keine Kirche, die Rollen verteilt oder demokratisch wird, sondern eine Kirche, die versucht, eine echte Mitverantwortung bei der gemeinsamen Umsetzung der kirchlichen Mission entsprechend den spezifischen Fähigkeiten jedes Einzelnen für das Wachstum des Reiches Gottes zu verwirklichen."
Der Kleruspräfekt ging auch auf die Bedeutung der sozialen Medien in der Mission ein, die der Papst in seinem Schreiben aufgeworfen hatte. "Es ist klar, dass das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke Orte sein können und meiner Meinung nach auch sein müssen, an denen Priester leben und das Evangelium verkünden können", erklärte You. "Gleichzeitig geht jedoch aus dem Text des Heiligen Vaters eine Aufforderung hervor, dass jeder Priester mit seinem Leben – nach dem Vorbild Johannes des Täufers – immer auf Christus und niemals auf seine eigene Person verweisen soll, aufgrund jener für die Evangelisierung notwendigen Zurückhaltung." (cbr)