Institut für Zeitgeschichte veröffentlicht kritische Ausgabe von "Mein Kampf"

Zentralrat der Juden begrüßt kommentierte Ausgabe

Veröffentlicht am 08.01.2016 um 11:00 Uhr – Lesedauer: 
Geschichte

Hannover  ‐ Der Zentralrat der Juden in Deutschland hält die Veröffentlichung der kritisch kommentierten Ausgabe von Hitlers "Mein Kampf" für sinnvoll - gerade vor dem Hintergrund von Rechtspopulismus und "Pegida". Es gibt aber auch kritische Stimmen.

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Schuster sagte, die kommentierte Ausgabe könne deutlich machen, um was für ein Machwerk es sich handele. Sie könne zudem zeigen, mit welchen völlig skurrilen Theorien und Thesen Hitler gearbeitet habe. Schuster räumte ein, das Buch könnte geeignet sein, in rechtsextremistischen Kreisen solche Thesen zu verbreiten. Es sei wichtig, sich mit Hitlers Propaganda auseinanderzusetzen, gerade vor dem Hintergrund von Rechtspopulismus und "Pegida", so der Zentralratspräsident. "Denn einige Dinge, die wir auch heute wieder hören, finden wir auch in diesem Buch."

Auch dass sich Schüler mit Auszügen der kommentierten Ausgabe befassen, so wie von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) angeregt, sei eine gute Idee, so Schuster weiter. Seiner Ansicht nach sind "Judentum" und "jüdisches Leben in Deutschland" allerdings Themen, die im Unterricht und auch generell auf die Zeit von 1933 bis 1945 reduziert werden. "Jüdisches Leben gab es in Deutschland viele Jahrhunderte davor und Gott sei Dank auch wieder danach."

Germanist Adler findet freien Verkauf "skandalös"

Der Germanist Jeremy Adler findet es dagegen skandalös, dass man sich "Mein Kampf" künftig als "Klassiker" offen in die Bücherregale stellen könne. Eine gewissenhafte Institution dürfe keine Hetzschriften verbreiten, sagte der Professor vom Londoner Kings College im Deutschlandfunk. Niemand könne kontrollieren, wie der rassistische Text aufgenommen werde. "Die Virulenz, die einmal in dem Buch steckte, steckt noch immer in dem Text." Adler schlug als Alternative vor, Videos und Broschüren mit kleinen Auszügen zu veröffentlichen.

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, hält anders als Schuster nichts davon, die Neuauflage von "Mein Kampf" im Schulunterricht einzusetzen. "Für die wissenschaftliche Arbeit und auch für die Reflektion im pädagogischen Bereich ist dieses Werk sicherlich sinnvoll. Aber für Otto Normalverbraucher und erst recht für den Schüler halte ich das für nur schwer rezipierbar", sagte er im SWR. Er halte es darüber hinaus für "eher problematisch, wenn der Unterricht und die Geschichtspädagogik wieder hitlerzentriert arbeitet", fügte der SPD-Politiker hinzu.

Das Institut für Zeitgeschichte in München präsentiert am Vormittag eine wissenschaftlich kommentierte Neuauflage von Hitlers "Mein Kampf". Das zwei Bände umfassen rund 2.000 Seiten. Enthalten sind mehr als 3.500 Anmerkungen. Ziel sei es, Hitler und seine Propaganda nachhaltig zu dekonstruieren und damit der nach wie vor wirksamen Symbolkraft des Buches den Boden zu entziehen, heißt es auf der Internetseite des Instituts. Die Urheberrechte für "Mein Kampf" waren Ende 2015 erloschen. (KNA)