"Wichtiger Teil unserer Identität"
Frage: Herr Weihbischof, der Bayerische Rundfunk will die Volksmusik ins Digitalradio verbannen. Eine gute Idee?
Wörner: Ich finde es schade, dass der BR, der ja auch für die Identität der Bayern, Schwaben, Franken und Oberpfälzer steht, seine tägliche Volksmusiksendung aus dem UKW-Programm nimmt. Viele ältere Menschen tun sich schwer mit der neuen Digitaltechnik und dem Internet. Außerdem weiß ich von vielen jüngeren Menschen, die die Sendung gerne regelmäßig hören - auch auf dem Heimweg im Auto, um den Arbeitstag abends zwischen 19 und 20 Uhr ausklingen zu lassen.
Frage: Volksmusik hatte lange Zeit den Ruf, betulich und rückständig zu sein. Das hat sich geändert. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Wörner: Gute Volksmusik hat ja gerade für uns Bayern sehr mit unserer eigenen kulturellen Identität zu tun, mit unseren Wurzeln. Schauen Sie sich doch die Entwicklung an: Auf unseren Volksfesten ist es wieder völlig normal, Tracht zu tragen. In etlichen Gasthäusern ist die Wirtshausmusik wieder sehr beliebt, junge Menschen interessieren sich auch wieder für Volkstanz. Das alles hat mit unserem Identitätsbewusstsein zu tun oder zumindest mit der Suche danach. Der BR wirbt ja zu Recht mit dem Slogan "Do bin i dahoam" (Da bin ich daheim). Umso weniger kann ich es verstehen, und ich fühle mich da mit vielen anderen kritischen Stimmen verbunden, dass nun ein wichtiger Teil dieser unserer Identität nicht mehr auf UKW zu hören sein soll.
Frage: Welche Rolle spielt Volksmusik gerade im kirchlichen Bereich, kann sie Teil der Verkündigung sein?
Wörner: Hier möchte ich der Volksmusik-Redaktion des BR ein großes Lob und meinen Dank aussprechen. Dort wird immer wieder versucht, das religiöse Brauchtum und die entsprechenden Stücke, die die Volksmusik dazu liefert, in den kirchlichen Jahres- und Festkreis einzubetten. Ich bin immer wieder sehr positiv überrascht, welche Zusammenhänge da die Redaktion erklärt. Manche dieser Sendungen haben für mich sogar Verkündigungscharakter, und zwar durchaus auch aus ökumenischer Perspektive. Bayern ist ja nicht nur katholisch. Ich finde, gerade zu den Zeiten, die im Kirchenjahr besonders prägnant sind, kann Volksmusik einiges an Besinnung beitragen, jetzt in der Fastenzeit zum Beispiel oder auch im Advent, auf Weihnachten zu.
Frage: Welchen Bezug haben Sie zu dieser Art Musik?
Wörner: Ich persönlich bin auch deshalb über die Entscheidung des BR traurig, weil ich selber begeisterter Volksmusiker bin. Ich packe immer noch gerne meine Zither aus, sofern es meine Zeit zulässt. Ich komme aus dem Werdenfelser Land. Mit Tracht, Volksbrauchtum und auch entsprechender Musik werden wir groß. Ich habe mir damals als Schüler sogar überlegt, ob ich Musik studieren soll. Aber dann bin ich etwas anderes geworden ...
Frage: Die Empörung in Bayern über das Vorgehen des Senders ist breit. Gehen im Freistaat die Uhren anders?
Wörner: Anders gehen die Uhren bei uns nicht. Aber vielleicht sollte der BR doch auch mit der Zeit gehen und das in den vergangenen Jahren gestiegene Interesse an guter Volksmusik berücksichtigen? Wir Bayern - und als Augsburger Weihbischof denke ich da in besonderer Weise auch an die bayerischen Schwaben und den Allgäu-Schwäbischen Musikbund - haben ein sehr ausgeprägtes Identitätsbewusstsein. Das lassen wir uns auch nicht so leicht nehmen. Vielleicht dürfen wir ja noch Hoffnung haben, dass die Programmverantwortlichen ihre Entscheidung überdenken. Es käme ja auch niemand auf die Idee, "Heute im Stadion" nur noch im digitalen Programm des BR zu bringen, damit es auf BR 1 keine "Brüche" gibt, wie die Reform begründet wird. Also ich wäre, wie sicher viele andere Hörer auch, sehr glücklich, wenn es Volks- und Blasmusik auch weiterhin auf UKW zu hören gäbe.