Video - 00:05:29

Kann ich Spiritualität trainieren? Glaube.Leben.

Zeit für körperliche Fitness und mentale Arbeit nehmen wir uns heutzutage mehrfach in der Woche. Aber auch unser Glaubensleben benötigt Übung, damit wir gesund bleiben. Wie man spirituelles Training gestalten kann, erklärt Pfarrer Christian Olding.

Video: © Alpha Entertainment

Video im Wortlaut

Körperliche Fitness und körperliches Training sind in unserer Kultur etwas Selbstverständliches geworden. Wenn unser Körper eben leistungsfähig und widerstandsfähig sein soll, dann muss er aktiv trainiert werden. Für manche mag es vielleicht weniger selbstverständlich sein, aber genauso braucht auch unser Glaubensleben ein aktives, spirituelles Training.

Dass das Spirituelle in unserem Leben nicht zu unterschätzen ist, das hat der Soziologe Abraham Maslow eindeutig gezeigt. Er hat sich mit den verschiedenen Bedürfnissen des Menschen beschäftigt und festgestellt, dass wir auf körperliche Bedürfnisse angewiesen sind, dass wir Sicherheit brauchen, dass wir Menschen nicht allein existieren können, sondern soziale Wesen sind. Und er hat auch festgestellt, dass wir uns unbedingt selbst verwirklichen müssen. Auf Dauer allerdings hat Maslow diese Bedürfnisse nochmal überarbeitet und festgestellt, dass die Krönung von allem unser Bedürfnis nach etwas Größerem als uns selbst ist. Er hat sich mit Menschen wie den amerikanischen Präsidenten, mit Martin Buber und Einstein beschäftigt und festgestellt, dass sie alle an etwas Größeres als sich selbst geglaubt haben. Dass sie alle etwas Transzendentes, etwas Sinnvolles, etwas Göttliches brauchen. Abraham Maslow kam zu der Erkenntnis, dass ohne etwas Größeres als uns selbst, wir auf Dauer apathisch, hoffnungslos und aggressiv werden.

Um an dieses Größere in unserem Leben heranzukommen, werden uns verschiedene Wege angeboten. Der Westen ist von der Überzeugung geprägt, dass wir einfach nur mehr trainieren müssen, um leistungsfähiger zu werden und offener gegenüber größeren und höheren Zielen in unserem Leben. Der Osten leitet uns dazu an, uns selbst aufzulösen, das Ego zu vernichten, leer zu werden, damit wir im Nirwana aufgehen. Und der christliche Weg schließlich ist von einem "Du" überzeugt. Einem Gegenüber, das wir Gott nennen. Diesem "Du" müssen wir nicht noch mehr opfern oder ihm beweisen wie leistungsfähig wir sind. Diesem Gott können wir nur vertrauensvoll begegnen. Loslassen. Das ist der christliche und entscheidende Weg für mich.

Um in meiner Beziehung zu Gott zu wachsen, um wirklich Loslassen und Vertrauen zu lernen, braucht es konkrete Schritte und Übungen. Und das Erste, was ich zu tun habe, ist eine bewusste Entscheidung zu treffen. Genauso wenig wie ich schwimmen lernen kann, wenn ich nur Bücher darüber lese und am Beckenrand stehen bleibe, sondern ins Wasser springen muss, genauso wenig kann ich Spiritualität lernen, wenn ich mich nicht ganz bewusst dazu entscheide, diesen konkreten Weg anzugehen. Und das Erste, was ich dann zu tun habe, ist im Hier und Jetzt anzukommen. Ich kenne das von mir selbst. Ganz oft bin ich schon bei alldem was als nächstes auf mich wartet, all die To Do-Listen und all die Projekte, die anstehen. Oder ich bin noch gefangen, von dem, was der Tag mir abverlangt hat und was mich belastet. Der Einzige, der immer im Hier und Jetzt ist, ist mein Körper. Und deswegen sagt die Bibel: "Der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes." Mein Leib ist der Ort, in dem Gott mir begegnen will. Und deswegen lohnt es sich, ganz tief in sich hinein zu hören und ganz tief in sich hinein zu atmen. Damit mit meinem Körper auch mein Geist im Hier und Jetzt ankommen kann.

Und dann, dann höre ich nochmal hin. Genauso wie ich bei Gesprächen, wenn ich mich mit einem Freund treffe, nicht sofort losplappern und loslegen sollte, sondern zunächst einmal zuhören müsste, was mein Gegenüber mir zu sagen hat. Genauso sollte ich das bei Gott tun: Hinhören, was er mir zeigen möchte. Hinhören, was für Perspektiven, Ideen und Ziele er für mein Leben hat. Und wenn ich das gehört habe, dann öffne ich mich, dann lege ich los, dann spreche ich, um Gott das mitzuteilen, was ich auf der Seele und tief in meinem Herzen habe. Damit ich nicht auf den Oberflächlichkeiten meines Lebens stehen bleibe, sondern wirklich zu dem durchdringe, was tief in mir schlummert und was eigentlich heraus will.

Das alles braucht Routine und braucht Gewohnheit. Beziehungen leben und wachsen dadurch, dass sie verlässliche und verbindliche Zeiten haben. Und dass braucht es auch bei Gott. Es braucht diese verbindlichen Zeiten in meinem Leben, in denen alles schweigt, in denen kein Handy, kein Netflix und keine Musik mich ablenkt, sondern ich einfach nur da bin für Gott. Und ein wichtiger Punkt ist, dass ich auf Enttäuschungen vorbereitet bin. Dieser Gott wird mich enttäuschen, weil er nicht einfach nur meine Bedürfnisse und Wünsche befriedigen wird. Und an diesem Punkt wird sich entscheiden, ob es nur um mich ging, oder ob ich wirklich diesem Gott und diesem Größeren begegnen wollte. Martin Buber hat einmal gesagt: "Alles wahre Leben ist Begegnung." Und genauso ist es. Die Frage bei dem spirituellen Weg ist: "Will ich am Ende nur mir begegnen und bei mir stehen bleiben, oder will ich mich wirklich öffnen für diesen Gott?"

Im Video-Format "Glaube.Leben." beantwortet Christian Olding Fragen, die sich jeder irgendwann einmal stellt. Die katholisch.de-Serie will Orientierung für das eigene Leben mit dem Glauben geben. Aus seiner persönlichen und beruflichen Erfahrung heraus nimmt Pfarrer Olding den Zuschauer an die Hand. Dabei bedient er sich in gewohnter Manier klarer Worte und Bilder. Jeden zweiten Dienstag erscheint eine neue Folge auf katholisch.de und in unserem YouTube-Kanal.