Fischiges Latein und feierfreudige Lutheraner
Herr, erbarme dich, die Protestanten haben den Karneval entdeckt! "De Dom gehört zu Meenz am Rhoi/wie Fassenacht, Weck, Worscht un Woi", wird beim Mainzer Rosenmontagszug ein Dreieinhalb-Meter-Luther predigen, und auch die Düsseldorfer Protestanten - "Vergnügt, erlöst, befreit, evangelisch" - fahren einen Rosenmontags-Luther auf. Wer von all dieser lutherischen Narretei nichts wissen möchte, dem tut das Bistum Augsburg ein Werk der Barmherzigkeit: Statt Heiterkeit und ausgelassener Stimmung wird 40 Stunden still gebetet, die Fastenzeit wurde anscheinend vorgezogen. Handelte es sich nicht um eine eucharistische Anbetung - man könnte das fast für protestantisch halten.
Ungewöhnlich angeordnete Kirchenjahre gibt's auch im Plattenladen. Die "20 schönsten religiösen Schlager und Volksmusik-Hits" - wer wollte so nicht das Osterfest begehen? Und zwar nicht als bürgerliches Hasenfest, sondern eingebettet in die ganze christliche Heilsgeschichte! Denn auf dem Cover der diese Woche erschienenen CD prangen Maria und Josef an der Krippe des Jesuskindes. Warum das so ist, konnten die anonymen Christen des Plattenlabels auf Nachfrage nicht beantworten. Dabei ist doch klar, dass hier nicht religiöser Analphabetismus, sondern intime Kenntnis des guten deutschen protestantischen Liedguts den Pinsel geführt hat: "Und über deiner Krippe schon/zeig uns dein Kreuz, du Menschensohn."
Statt deutscher Zunge steht der Weltkirche eine Weltsprache an. Und zwar nicht die Lingua franca Englisch, sondern Latein. Bissige Kenner des internationalen Parketts bemerken ohnehin, dass nicht das Englisch der Königin Weltsprache sei, sondern BSE. Bad simple English. Doch auch die Sprache der römischen Una sancta bleibt nicht verschont im Streit um "Amoris laetitia". Fortiter in re, ganz und gar nicht suaviter in modo - und mit einer Latinitas simplex malaque wird da gefochten.
Vor zwei Wochen kursierte ein franziskuskritischer Fake-Osservatore in Rom. Merkmal: Statt kurialem Bürokratenlatein wurde das mittelalterliche Latein der Philosophen verwandt. Immerhin. Der Gegenschlag konservativer Publizisten, zwischen die und den Papst kein Blatt des falschen Osservatore passt, folgte vergangene Woche: "Sine dubia" wollen sie an der Seite des Papstes sein. Das soll "ohne Zweifel" heißen - eine durchaus dubiose Grammatik. Zum Glück fanden sich nicht nur ultramontan denkende, sondern auch ultramontan deklinierende Unterzeichner: "Sine dubiis", ohne Zweifel mit korrektem Ablativ, hat die Petition mittlerweile Unterschriften im hohen zweistelligen Bereich.
Ebenfalls um die Wurst geht's in der großen See(lachs)schlacht zwischen "Bild"-Zeitung und Umweltministerium. Ganz investigativ schaute das Blatt dem Ministerium in die Karten der Kantinen - und fand freitags zwar Fleisch, aber keinen Fisch, den "gläubige Christen freitags essen", wie das Fachblatt für christlich-abendländische Kulinaristik kanonistisch etwas verkürzt mitteilt. Bekanntlich wird das Abendland auf deutschen Tellern verteidigt: "BILD meint: Fisch muss auf den Tisch!" Das Ministerium schlägt zurück: "An beiden Hauptsitzen gibts heute Fisch: In Bonn Seelachsfilet, in Berlin Schollenfilet." Abendland gerettet, guten Appetit.