"Maria ist nicht die Vorzimmerdame Jesu"
Herr Prälat Mandl, etwa eine Million Wallfahrer kommen jedes Jahr nach Altötting. Wer sind die Pilger?
Prälat Mandl: Es kommen zum einen sogenannte Traditionsgruppen seit Jahrzehnten, teilweise seit Jahrhunderten nach Altötting. Da gibt es zum Beispiel die Landshuter Fußwallfahrt. Das ist eine der ältesten Pilgerzüge. Die große Fußwallfahrt aus Regensburg mit 10.000 Teilnehmern, aus Freising eine etwa gleich große Gruppe, und noch Gruppen aus Deggendorf und Straubing. Die meisten Pilger kommen aber mit dem Bus oder mit dem Auto. Andere Pilgergruppen kommen mit einem Sonderzug, wie etwa aus Würzburg, Freiburg und Bamberg. Es gibt auch neuere Formen wie Fahrradpilgern, das nimmt ständig zu. Oder Motorradpilgern. Und dann gibt es sogar eine Traktorpilgerfahrt von Bauern.
Viele Traditionswallfahrten kommen also aus Bayern. Gibt es auch ausländische Gäste?
Prälat Mandl: Auch da ist ein Aufwärtstrend zu beobachten. Wir haben sehr viele Gäste aus Polen. Sie machen oft eine Rundfahrt durch die großen europäischen Wallfahrtsorte und beginnen bei uns, gehen dann weiter nach Lourdes, Fatima und auf der Rückfahrt Mariazell, Einsiedeln und Loreto. Dann natürlich Österreicher, Ungarn, Slowenen, und Kroaten – die Länder der alten Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Italiener sind auch gut vertreten. Wir haben aber auch immer wieder amerikanische Pilger und ganz neu aus dem asiatischen Raum:
Wird die Marienfrömmigkeit populärer?
Prälat Mandl: Ja, das glaube ich ganz stark. Die Leute verstehen immer mehr, dass Maria nicht die Vorzimmerdame von Jesus ist. Man fragt sie nicht an und wird dann eingelassen beim Herrn. Sie gehört untrennbar zu ihm. Das kommt am Altar unserer Gnadenkapelle sehr schön zum Ausdruck. Da ist alles aus Silber und Gold: Gold ist das Metall von Jesus und Silber das von Maria. Man kann die beiden nicht separat haben. Sie gehören zusammen: "Per Mariam ad Jesum" war schon der alte Spruch aller Kirchenlehrer. An Marias Hand findet man unweigerlich den Herrn. Maria will gar nicht, dass wir bei ihr stehenbleiben. Sie ist ja eine dienende und helfende, tröstende und ratende Frau.
Haben die Bayern einen anderen Bezug zu Maria?
Prälat Mandl: Sie hat natürlich einen großen Stellenwert in Bayern. Das geht vor allem zurück auf den Kurfürsten Maximilian I. (1573-1651). Er hat im Rahmen der Gegenreformation die Marienverehrung und die Wallfahrt, als das stärkste Mittel der Erneuerung der katholischen Kirche neu entdeckt. Im Dreißigjährigen Krieg, schon zu Beginn, hat er den Titel der Patrona Bavariae gekürt, das ganze Land der Muttergottes geweiht und die Mariensäule auf dem Marienplatz in München aufstellen lassen. Im Jahr 1917, im vorletzten Jahr des Ersten Weltkrieges hat Papst Benedikt XV. auf Anfrage des damaligen Königs Ludwigs II. das ganze Land noch einmal der Gnadenmutter geweiht. Das 100. Jubiläum wurde dieses Jahr in einer Sternwallfahrt aller bayerischen Diözesen gefeiert. In Altötting feiern wir jedes Jahr am 1. Mai das Fest der Patrona Bavariae ganz groß.
Werden in Bayern Marienfeste insgesamt anders gefeiert?
Prälat Mandl: Natürlich, bei uns sind die marianischen Feste teilweise noch staatliche Feiertage. Wenn nicht, werden eben am Morgen oder Abend große Festgottesdienste gefeiert. Zum Beispiel am 8. Dezember, Mariä unbefleckte Empfängnis. Der 15. August ist der höchste Marienfeiertag und das Patrozinium unserer Kirche in Altötting. Weil Altötting so etwas wie das Herz und "Nationalheiligtum" Bayerns ist, kommt auch immer ein Vertreter der Staatsregierung.
Was planen Sie für die Tage?
Prälat Mandl: Wir feiern am Vortag, am 14. August, eine Vigil, in der Basilika St. Anna. Anschließend findet die größte Lichterprozession des Jahres mit der dreimaligen Umrundung der Kapelle statt. Beim Abschluss wird die Stadt Altötting jedes Jahr der Gnadenmutter neu geweiht. Zum Festtag Mariä Himmelfahrt selbstkommt immer der Bischof von Passau, unser Diözesanbischof. Er zieht am Vormittag in Begleitung des Gnadenbildes hinunter in die Basilika und feiert dort einen Pontifikalgottesdienst. Da werden besonders viele Menschen kommen. Am Nachmittag schließt die Feier mit einer besonderen Marienvesper in der Stiftspfarrkirche und ein abschließendes "Ave" in der Gnadenkapelle. Wir erwarten für diese Tage etwa 5.000 Pilger.
Haben Sie ein ganz persönliches Lieblingsmarienlied?
Prälat Mandl: Oh, da gibt es viele. "Maria dich lieben ist allzeit mein Sinn", "Gegrüßet seist du Königin, aber auch Klassiker wie "Segne du Maria" und "Maria breit den Mantel aus". Bei den Pilgerandachten weiß ich, dass diese Lieder alle auch ohne Gotteslob auswendig können.