Das ist 2017 in der katholischen Kirche in Deutschland passiert

Ein Jahr im Schatten Luthers

Veröffentlicht am 28.12.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Jahresrückblick

Berlin ‐ Das Reformationsgedenken stand 2017 zwar im Fokus, war aber längst nicht das einzige Thema. Katholisch.de blickt auf die Höhe- und Tiefpunkte zurück. Dabei ging es um Liebe, Tod und Versöhnung.

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Wenn an Silvester der Vorhang für 2017 fällt, geht ein Jahr zu Ende, das ganz im Zeichen des Reformationsgedenkens stand. Wie ein roter Faden zog sich die Erinnerung an den 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag mit zahlreichen Veranstaltungen durch das Jahr – und bot auch für die katholische Kirche in Deutschland viele ökumenische Anknüpfungspunkte für ein gemeinsames Gedenken.

Am 11. März feierten Katholiken und Protestanten in Hildesheim einen viel beachteten Versöhnungsgottesdienst. Dabei verpflichteten sich Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, die sichtbare Einheit der Kirchen voranzutreiben. "Das Reformationsgedenken soll ein neuer Anfang sein für einen Weg, der uns als Kirchen nicht mehr voneinander trennt", so Bedford-Strohm. "Wir wollen in der Zukunft nicht mehr getrennt glauben, wir wollen gemeinsam glauben."

Gewachsenes Vertrauen in der Ökumene

Überhaupt Marx und Bedford-Strohm: Das enge und freundschaftliche Verhältnis der beiden in München residierenden Bischöfe war während des Reformationsgedenkens der sichtbarste Ausdruck für das gewachsene Vertrauen in der Ökumene. Die katholische Bilanz des Gedenkjahrs fiel dementsprechend weit überwiegend positiv aus. Die Sorge um einen protestantischen Triumphalismus gegenüber den Katholiken habe sich als unbegründet erwiesen, betonte Kardinal Marx. Nun gehe es darum, den "ökumenischen Schub" zu verstetigen.

Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.
Bild: ©dpa/Corinna Kern

Ihr gutes und freundschaftliches Verhältnis steht sinnbildlich für das gewachsene Vertrauen in der Ökumene: Kardinal Reinhard Marx (l.) und Bischof Heinrich Bedford-Strohm.

Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Bischofskonferenz, Bischof Gerhard Feige, sah einen "bedeutsamen Fortschritt" für die Ökumene. "Begegnungen und Gespräche, Gottesdienste und Gebete, Pilgerreisen und andere gemeinsame Aktionen haben ein Vertrauen wachsen lassen, das eine wichtige Grundlage für weitere Bemühungen bildet", so der Magdeburger Bischof. Der von vielen Gläubigen für dieses Gedenkjahr erhoffte Fortschritt hinsichtlich eines baldigen gemeinsamen Abendmahls blieb allerdings aus – und der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki machte kurz vor Ende des Jahres mit seiner Forderung nach mehr "Ehrlichkeit in der Ökumene" klar, dass sich daran bis auf weiteres wohl auch nichts ändern wird.

Veränderungen gab es 2017 allerdings im Kreis der deutschen Bischöfe. Während das Bistum Mainz am 18. April mit Peter Kohlgraf einen neuen Bischof begrüßen konnte, begann in Hildesheim und Würzburg im September die Phase der Sedisvakanz. Innerhalb von nur neun Tagen traten der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle und Würzburgs Oberhirte Friedhelm Hofmann aus Altersgründen von ihren Ämtern zurück. Seither warten beide Bistümer auf einen neuen Bischof. Da eine Sedisvakanz zuletzt in Deutschland im Schnitt rund ein Jahr andauerte, sollten beide Diözesen 2018 jeweils einen neuen Bischof begrüßen können.

Abschied von Kardinal Joachim Meisner

Abschied nehmen musste die katholische Kirche im Sommer von Kardinal Joachim Meisner. Drei Jahre nach seinem altersbedingten Rücktritt als Erzbischof von Köln starb der 83-Jährige am 5. Juli während eines Urlaubs in Bad Füssing. Meisner war zu DDR-Zeiten zunächst Weihbischof in Erfurt und Bischof in Berlin, 1989 wechselte er auf Wunsch von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) nach Köln. Immer wieder mischte er sich von hier aus in gesellschaftliche und kirchliche Debatten ein. Über Jahrzehnte war Meisner so eine der prägenden Gestalten der katholischen Kirche in Deutschland. Zuletzt hatte er Aufmerksamkeit erregt, als er 2016 mit drei anderen Kardinälen in einem Brief Zweifel am Schreiben "Amoris laetitia" und der Ehe-Lehre von Papst Franziskus bekundete.

Linktipp: Das war 2017 aus Sicht der Kirche

Streit im Malteserorden, ein neuer Bischof für Mainz, der Tod von Kardinal Joachim Meisner – und ganz viel Ökumene: Katholisch.de blickt auf das Kirchenjahr in Deutschland und der Weltkirche zurück.

Die deutschen Bischöfe positionierten sich Anfang Februar in anderer Weise zu "Amoris laetitia". In einem gemeinsamen Wort öffneten sie wiederverheirateten Geschiedenen im Einzelfall den Weg zum Empfang von Beichte und Eucharistie. "Eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren", heißt es in dem Papier. Im internationalen Vergleich lieferten die deutschen Bischöfe damit eine relativ weit gefasste Auslegung des Papstschreibens. Allerdings betonten sie auch, dass es keinen "Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung aller zivilrechtlich wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten" gebe. Der Gewissensentscheidung müssten eine ernsthafte Prüfung und ein von einem Seelsorger begleiteter geistlicher Prozess vorausgehen.

Diskussion um die Zukunft des Priesterberufs

Ein genaueres Augenmerk richteten die Bischöfe im zu Ende gehenden Jahr auf den Priesterberuf. Bei einem Studienhalbtag sprachen die Mitglieder der Bischofskonferenz bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung im März in  Bergisch Gladbach über die Konsequenzen der veränderten Bedingungen im priesterlichen Dienst und Leben. Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei nicht die Frage nach dem Priestermangel oder der zölibatären Lebensform, sondern die Frage nach dem Gelingen eines Lebens und Wirkens als Priester in der heutigen Zeit. Hier diagnostizierten die Bischöfe, dass sich "das Leitbild einer umfassenden seelsorglichen Verantwortung nicht selten als menschliche und geistliche Überforderung" von Priestern erweise.

Einen kleinen Lichtblick lieferte im Juli die Veröffentlichung der kirchlichen Statistik für das Jahr 2016. Demnach ging die Zahl der Kirchenaustritte im zweiten Jahr in Folge zurück. Laut den Zahlen traten 162.093 Menschen aus der Kirche aus; rund 20.000 weniger als 2015. Damit blieb die katholische Kirche mit knapp 23,6 Millionen Mitgliedern vor der evangelischen Kirche (21,9 Millionen) die größte Religionsgemeinschaft in Deutschland.

Bild: ©Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / photothek.net (Archivbild)

Am 30. Juni öffnete der Bundestag die Ehe für homosexuelle Paare - gegen den Willen der katholischen Kirche.

Eine herbe Niederlage musste die katholische Kirche dagegen auf dem politischen Parkett einstecken. In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beschloss der Bundestag am 30. Juni mit großer Mehrheit die "Ehe für alle"; seit dem 1. Oktober können homosexuelle Paare in Deutschland die Ehe schließen. Das Votum des Parlaments stieß vor allem bei den Bischöfen auf scharfe Kritik. Der Familienbischof der Bischofskonferenz, Berlins Erzbischof Heiner Koch, bedauerte in einer Reaktion, dass "der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben hat, um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen". Es sei traurig, dass das Rechtsinstitut Ehe ins Räderwerk politischen Taktierens geraten sei.

Debatte um das Verhältnis zum Islam

Im Lichte weiterer islamistischer Terroranschläge wie dem auf dem Berliner Breitscheidplatz geriet 2017 das Verhältnis der Kirche zum Islam stärker in den Fokus. Bischof Georg Bätzing, der Vorsitzende der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog in der Bischofskonferenz, sagte bei der Herbst-Vollversammlung im September in Fulda, dass "der interreligiöse Dialog der katholischen Kirche mit dem Islam heute unter wachsendem Rechtfertigungsdruck" stehe. Zwar wolle die Kirche den Dialog nicht abreißen lassen, aber man sehe durchaus, dass kriminelle Extremisten den Islam dadurch pervertierten, dass sie sich zur Legitimation ihrer Verbrechen auf ihn beriefen. "Gerade angesichts der heutigen Spannungen brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Dialog. Nur so nämlich kann erreicht werden, dass beide Religionen nicht Teil der internationalen Probleme sind, sondern Teil von deren Lösung", so Bätzing.

Zum Ende des Jahres entwickelte sich schließlich noch eine Debatte um das Vaterunser. In einem TV-Interview kritisierte Papst Franziskus Anfang Dezember die deutsche Fassung der Bitte "führe uns nicht in Versuchung" als "keine gute Übersetzung". Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. "Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan", so der Papst. In der Folge meldeten sich zahlreiche Bischöfe und Theologen zu Wort – mit einer klaren Tendenz: Bislang gibt es nur wenig Unterstützung für die Sichtweise des Papstes.

Von Steffen Zimmermann