GroKo: Familiennachzug bleibt auf der Strecke
Dreieinhalb Monate nach der Bundestagswahl haben die Spitzen von Union und SPD ihren Parteigremien Koalitionsverhandlungen empfohlen. Das teilten die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Martin Schulz (SPD) und Horst Seehofer (CSU) am Freitagvormittag nach einer mehr als 24-stündigen Marathonsitzung in Berlin mit.
"Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", sagte Schulz. Seehofer zeigte sich "hochzufrieden" über die Resultate, die einem Aufbruch gleichkämen. Bundeskanzlerin Merkel sagte, es handele sich "um ein Papier des Gebens und des Nehmens, wie es sein muss, das dann für unsere Gesellschaft einen breiten Bogen aufspannt". Die rund 40 Unterhändler stimmten nach Angaben der Parteichefs einstimmig für das Sondierungspapier, das Grundlage für Koalitionsverhandlungen sein soll.
Parteien planen Stärkung von Familien
Aus dem 28-seitigen Papier, das katholisch.de vorliegt, geht unter anderem hervor, dass die drei Parteien Familien und Kinder stärken wollen. "Wir werden alle Familien finanziell entlasten, die Kinderbetreuung verbessern und mehr Zeit für Familie ermöglichen. Die Rechte der Kinder werden gestärkt", heißt es unter dem Punkt "Familie, Frauen und Kinder". Unter anderem soll das Kindergeld in dieser Legislaturperiode in zwei Schritten um 25 Euro pro Kind erhöht werden, außerdem kündigen die Parteien ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Kinderarmut an. Darüber hinaus sollen Kinderrechte im Grundgesetz festgeschrieben und die Beantragung familienpolitischer Leistungen entbürokratisiert werden.
Linktipp: Der Bundestag verliert seine Christen
Nach der Wahl sitzen im neuen Bundestag deutlich weniger Christen als zuletzt. Hinsichtlich der Katholiken unter den Parlamentariern gibt es dennoch gute Nachrichten. Eine Analyse von katholisch.de. (Artikel von September 2017)Im Bereich der Migration dokumentiert das Sondierungspapier eine Einigung beim umstrittenen Familiennachzug von subsidiär geschützten Flüchtlingen. Hier kündigen die Parteien eine Neuregelung an, nach der der Familiennachzug künftig nur noch aus "humanitären Gründen" möglich sein und auf 1.000 Fälle pro Monat beschränkt werden soll. Er soll zudem nur gewährt werden, wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen wurden, keine schwerwiegende Straftaten begangen wurden und es sich nicht um sogenannte Gefährder handelt. Insgesamt sollen die zuwanderungszahlen die Spanne von 180.000 bis 220.000 Menschen pro Jahr nicht übersteigen.
Katholische Bischöfe hatten sich zuletzt noch einmal klar für den Familiennachzug ausgesprochen. "Natürlich können nicht alle gleich mit Großfamilien kommen, insbesondere wenn der langfristige Status des jeweiligen Flüchtlings noch ungeklärt ist", sagte etwa der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode. Wenn Deutschland aber jemanden aufgenommen habe, müsse es auch möglich sein, dass sein nahes Umfeld, die Kernfamilie, daran teilhabe. Auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hatte die Haltung der katholischen Kirche bekräftigt: "Wenn Christen den hohen Stellenwert der Familie betonen, dann darf dies keine Schönwetterveranstaltung sein", so der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz.
Parteien wollen Fluchtursachen bekämpfen und Umwelt schützen
Im Bereich der Entwicklungshilfe wollen Union und SPD laut dem Sondierungspapier mit einer "kohärenten Afrika-Strategie" die Zusammenarbeit mit dem Nachbarkontinent ausbauen und Fluchtursachen umfassend bekämpfen. Dabei gehe es vor allem darum, sich für "die unteilbaren und universellen Menschenrechte einzusetzen, faire und nachhaltige Handelsstrukturen zu etablieren und eine Welt ohne Hunger und Terror zu schaffen". Zudem soll im Bundestag eine Kommission "Fluchtursachen" eingerichtet werden. Ebenso haben die Parteispitzen einen Ausbau der humanitären Hilfe sowie Hilfe für den Aufbau demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen in Krisenregionen festgehalten.
Darüber hinaus bekennen sich CDU, CSU und SPD dazu, "für unsere Kinder und Enkelkinder eine intakte Natur" bewahren zu wollen. Dazu sollen bestehende Schutzprogramme fortgesetzt oder ausgebaut werden, die Vermüllung der Weltmeere eingedämmt und die Potentiale der Landwirtschaft für Klimaschutz und Biodiversität genutzt werden. Außerdem verpflichten sich die Parteien zum Pariser Klimaschutzabkommen. "Wir wollen die Klimaziele von Paris erreichen und dabei soziale Belange berücksichtigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gewährleisten und bezahlbare Mobilität sicherstellen", heißt es unter dem Punkt "Verkehr und Infrastruktur".
Mit Blick auf die auch von den Kirchen immer wieder kritisierten Rüstungsexporte kündigen die Verhandlungspartner weitere Restriktionen an. "Wir schränken die Rüstungsexporte weiter ein, schärfen die Rüstungssexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 und reagieren damit auf die veränderten Gegebenheiten", heißt es in dem Papier. Rüstungsexporte in Länder, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, sollen ab sofort nicht mehr genehmigt werden. Als weiteres Ziel wird darüber hinaus eine "gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik" angestrebt.
Kirchen engagieren sich gegen Rüstungsexporte
Die beiden großen Kirchen hatten im Dezember konkret einen Stopp von Waffenlieferungen an die Türkei und in den Irak gefordert. In ihrem Rüstungsexportbericht sprach sich die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) damals dafür aus, dass die Bundesregierung Anträge für Rüstungsexporte in die Türkei "bis auf weiteres" ablehnen solle. "Bereits erteilte Ausfuhrgenehmigungen sollten widerrufen werden." Die GKKE begründet ihre Position mit den Folgen der "besorgniserregenden Entwicklungen der türkischen Politik" nach dem gescheiterten Putschversuch im Sommer 2016. Auch die Belieferung der gegen den "Islamischen Staat" im Irak kämpfenden kurdischen Peschmerga lehnten die Kirchen ab.
Den Ergebnissen der Sondierungsverhandlungen müssen jetzt noch die Parteigremien zustimmen. Bei der Union dürfte es keine Probleme geben, in der SPD ist eine Fortsetzung der "GroKo" aber höchst umstritten. Am 21. Januar soll ein SPD-Parteitag in Bonn grünes Licht für den Start von Koalitionsverhandlungen geben. Geschieht dies, können die Koalitionsverhandlungen bereits am 22. Januar beginnen – fast genau vier Monate nach der Bundestagswahl.