Franziskus scheint der Jugend zugehört zu haben
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"Christus vivit – Jesus lebt" – Mit dieser Überschrift beginnt das nachsynodale Schreiben des Papstes zur Jugendsynode, die im Herbst 2018 im Vatikan stattgefunden hat. Die 77 Seiten lesen sich in vielen Bereichen überraschend gut. Einerseits schafft es das Schreiben mit liebevollen Zusagen, den jungen Adressatinnen und Adressaten das Wesentliche unseres Glaubens zu vermitteln: Du bist von Gott geliebt. Gott ist ein verzeihender Gott und die neue oder erneute Ausrichtung auf ihn ist immer willkommen.
Andererseits verortet Franziskus das Jung-Sein bei Jesus und vielen Heiligen, ohne sich anzubiedern. Das Dokument lebt in vielerlei Hinsicht von großer Ausgewogenheit und Klarheit: Zum einen müssen Glaube und Kirche sich so weiterentwickeln, dass junge Menschen sich angezogen fühlen, zum anderen darf das Gläubig-Sein im eigenen Umfeld auch als Andersartigkeit, im guten Sinne als exotisch, wahrgenommen werden.
Natürlich gibt es Bereiche in "Christus vivit", die der Realität vieler junger Menschen in Deutschland eher fernstehen, zum Beispiel, wenn Franziskus schreibt, dass "die Geschlechtlichkeit ein Geschenk Gottes ist. Kein Tabu. […] Es hat zwei Zwecke: einander lieben und Leben zeugen. […] Die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, wenn sie leidenschaftlich ist, bringt dich dazu, dein Leben für immer zu geben." (261)
Aus weltkirchlicher Sicht verständlich, aber ...
Kritische (junge) Menschen fragen hier natürlich nach Liebe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern – ist die mitgemeint? Darf sie sein? Queere Liebe und Sexualität kommen als Thema in dem Schreiben nicht vor, was aus weltkirchlicher Sicht vielleicht verständlich, aber aus deutscher Realität betrachtet schade ist. Dass Franziskus selbst vor kurzem Homosexualität als "Modeerscheinung" bezeichnet hat, entspricht einfach nicht der wohlwollenden Selbstverständlichkeit, mit der die meisten jungen Menschen in Deutschland auf verschiedene Formen von Liebe reagieren.
Das Spannende an dem Schreiben sind dennoch die vielen klugen Abwägungen, die Franziskus anbietet, es gibt kaum Verteufelung der jungen Realität. Vielmehr erscheint das Schreiben ein gelungener Reflexionsprozess dessen zu sein, was Franziskus und sein Team von den jungen Gesprächspartnerinnen und –partnern vor und auf der Synode verstanden haben. Die Antwort ist ambiguitätsbewusst und gleichzeitig klar in der eigenen Haltung. Der Papst zeigt sich lernend und ist gleichzeitig Zeuge seines Glaubens, seiner Wertevorstellungen.