Wenn es Kirche jetzt ernst mit den Menschen meint...
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Wenn heute um 12 Uhr die Kirchenglocken läuten und weltweit die Christinnen und Christen zum "Vater unser" rufen, bleibt die Welt nicht stehen. Aber die Angst und Trauer, vielleicht auch die selten gewordene Hoffnung bekommen damit einen Deutungshorizont. "Mitgefühl und Zärtlichkeit" nannte es Franziskus. Übersetzt heißt das: Her mit den Aktionen, wo nach Hilfe geschrien wird! Her mit kreativen Ideen, damit zwischen allen staatlichen Maßnahmen nicht der Mensch als soziales Wesen verloren geht! Schon jetzt zünden Initiativen, die Hilfe ohne Wenn und Aber bieten. Es macht Mut, dass viele Köpfe unseres Landes weniger Grenzen kennen, als manche es in den letzten Jahren vermutet hatten. Es ist übrigens auch gut, dass keine der deutschen Diözesen versucht, mit juristischen Spitzfindigkeiten doch noch eine Ausnahme von den Verboten zu erlassen.
Bei aller Hilfe ist es zunächst einmal egal, ob dahinter Menschen mit Taufschein stehen oder nicht. Wenn aber im Handeln aufscheint, was Christen dazu motiviert, kann Ostern schon in der Fastenzeit erkennbar werden. Mit seinem "Urbi et Orbi"-Segen macht es der Papst ja diesen Freitag schon vor.
Nicht alle derzeitigen Deutungen der Pandemiesituation sind leicht auszuhalten. Das Gerede von der Strafe Gottes ist dabei nur ein besonders schillerndes Beispiel. Verständlich, dass manche Theologen gerade in dieser Zeit Muße finden, die Welt zu erklären oder akademische Diskurse anzuheizen. Es macht ja auch inmitten der Zunft Spaß, über den vorkonziliaren Charakter von Gottesdienst-Lifestreams nachzudenken. Aber ist es jetzt der richtige Zeitpunkt? Oder kommt es jenen, die darin eine Stärkung finden, eher wie theologische Spitzfindigkeit zur falschen Zeit vor?
Das heißt nicht, dass damit das Nachdenken aufhören soll. Wenn die Kirche es mit den Menschen ernst meint, kann sie jetzt sammeln, was sie in früheren Zeiten über Verletzlichkeit in Tod und Krankheit, Trost im Leid, Freiheit angesichts dominierender Staaten, Solidarität bei knappen Ressourcen und Nähe in Zeiten der Distanz schon gedacht hat. Nicht losplappern. Sondern nachdenken. Um für den Tag bereit zu sein, wenn die Menschen ihre Erfahrungen deuten wollen. Denn der Kirche darf es nicht darum gehen, lediglich Freiräume im Tagesablauf zu füllen. Stattdessen muss sie den Menschen wirklich Tragendes anbieten. Herz und Verstand – das verlangt diese Krise. Glaube, Liebe, Hoffnung durchzubuchstabieren, wird ohne beides nicht gehen.