Teil der Instruktion sei offenbar noch unter Benedikt XVI. verfasst worden

Wilmer: Vatikan-Papier schlecht übersetzt – Bündel Missverständnisse

Veröffentlicht am 31.08.2020 um 08:56 Uhr – Lesedauer: 

Augsburg ‐ Die umstrittene Vatikan-Instruktion sei kein Dogma, daher wirbt Bischof Heiner Wilmer um Gelassenheit. Enttäuschungen hätten auch mit der schlechten deutschen Übersetzung des Papiers zu tun. Zudem trage das Dokument die Handschrift zweier Päpste.

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Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer plädiert für mehr Gelassenheit als Reaktion auf das viel kritisierte Vatikan-Papier zu Gemeindereformen. "Ich sehe die Instruktion mit ihren inhaltlichen Spannungen als Einladung zum Gespräch", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Montag): "Sie enthält Hinweise und Bemerkungen, über die wir nachdenken sollten. Die Vatikan-Instruktion ist kein Dogma. Warten wir also einmal ab." Nach der Instruktion vom 20. Juli hatten sich etliche deutsche Bischöfe sehr kritisch zu dem Papier geäußert, andere hatten es gelobt. Das Schreiben setzt klare Grenzen für Reformen. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich engagierten Laien anzuvertrauen, widerspricht die Instruktion. Laien können demnach zwar mitwirken an der Gemeindeleitung, doch tatsächlich leiten, verwalten, moderieren und koordinieren dürfen nur Priester.

Er könne manche Enttäuschung nachvollziehen, betonte Wilmer - "zumal die deutschen Bischöfe von der Instruktion nichts wussten. Aber es handelt sich meiner Meinung nach um ein Bündel aus Missverständnissen, und das liegt auch an der schlechten deutschen Übersetzung der Instruktion." Der Bischof sprach sich für eine differenzierte Betrachtung aus: "Es scheint, dass ein Teil des Textes vor zehn Jahren geschrieben wurde, zur Zeit des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. Ein anderer Teil, der erste, trägt klar die Handschrift von Papst Franziskus. In ihm geht es darum, dass das Volk Gottes der Hauptakteur der Evangelisierung sei."

Sind unter den deutschen Bischöfen "die Fetzen geflogen"?

Auf die Frage, ob beim jüngsten Treffen der Bischöfe "die Fetzen geflogen" seien, antwortete Wilmer, dass die Gespräche vertraulich gewesen seien. Aber "grundsätzlich wünsche ich mir eine Streitkultur, in der es auch heftig zugehen kann. Die unterschiedlichen Gruppen können ihre Meinung sagen und bleiben doch zusammen." Am Ende habe der eindeutige Tenor gestanden, dass es gut sei, das Gesprächsangebot der vatikanischen Kleruskongregation anzunehmen. Auf die Frage, ob es dem Vatikan wohl passe, dass die Bischofskonferenz neben ihren beiden Vorsitzenden auch zwei Laien zu den Gesprächen nach Rom schicken wolle, sagte Wilmer: "Ich gehe davon aus, dass sich auch die römische Behörde freut, wenn Getaufte Verantwortung übernehmen."

Von dem Treffen im Vatikan erhoffe er sich eine gute Gesprächskultur, ergänzte der Bischof: "Und ich erhoffe mir, dass wir die Umstände, in denen die Menschen jeweils leben, ernst nehmen." Dass viele Bischöfe Strukturreformen weiter verfolgen wollten, bei denen engagierte Laien eine große Rolle spielen, sehe er nicht als Widerstand gegen Rom. Auch dass er im Bistum Hildesheim bei der Leitung der Pfarrgemeinden auf Teams setzen wolle, in denen nicht mehr nur der Pfarrer alles entscheide, liege "völlig auf Linie der Instruktion. Wir sind nun einmal Kirche im Wandel." Selbstkritisch verwies Wilmer zudem auf eine "deutsche Schwäche", die darin bestehe, "dass wir auf alles, das von außen kommt und uns belehren könnte, hochsensibel reagieren. Weil wir uns als Lehrmeister verstehen. Wir werden dann leider auch so wahrgenommen in der Welt - als Oberlehrer."

Weiter sieht Wilmer in der Corona-Krise eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung und eine extreme Herausforderung für die Kirchen. "Corona zu leugnen, ist für mich eine Form der Angst", sagte der Bischof: "Und Angst kann uns steuern. Sie kann uns dazu treiben, Dinge zu tun, die am Ende inhuman sind." Ihm mache es große Sorgen, "dass Teile unserer Gesellschaft momentan nach außen drängen, anstatt zusammenzuhalten", so Wilmer weiter. Die Hauptaufgabe der Kirche müsse nun sein, den Menschen Hoffnung zu geben. "Ohne Hoffnung bricht unsere Kultur zusammen", betonte der Bischof. Die Arbeit der Kirchen sei unter den Bedingungen der Pandemie eine enorme Herausforderung. "Dazu brauchen wir ein fundamentales Umdenken, denn wir müssen trotz der krisenhaften Umstände bei den Menschen sein."

Weihnachten sieht Wilmer in diesem Jahr als besondere Bewährungsprobe, weshalb man jetzt schon anfangen müsse zu planen: "Menschen werden aus Sorge um ihre Gesundheit Kirchen oder Räumlichkeiten, in denen viele zusammenkommen, nicht betreten. Deshalb müssen wir kreativ werden, um sie zu erreichen - zum Beispiel mit neuen digitalen Formaten." Dabei, so der Bischof weiter, könne man auch vom Judentum lernen, wo die großen Feste besonders auch in der Familie gefeiert würden: "Wir müssen Menschen also bestärken, Hauskirche zu sein - auch mit liturgischem Wissen. Wir müssen ihnen vermitteln: Ihr seid Kirche, ihr seid Gemeinde, auch zu Hause!" Zugleich wies Wilmer die Kritik zurück, Kirche habe zu schnell staatliche Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie unhinterfragt übernommen und Menschen in Not alleine gelassen: "Es ist wirklich nicht so, dass die Kirche in eine Schockstarre gefallen wäre. Im Gegenteil: Es wurde viel in der Seelsorge getan, für die Schwachen, für die Einsamen." (tmg/KNA)