Kardinal Zen: Parolin hat den "verehrten Benedikt XVI." beleidigt
Der frühere Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, hat Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin öffentlich der Lüge bezichtigt. In seinem Blog kommentiert Zen eine Rede Parolins, die dieser am Samstag in Mailand gehalten hatte und in der er die beabsichtigte Verlängerung des Vatikan-China-Abkommens verteidigt. Bei den Worten Parolins werde ihm "übel", so Zen. "Da er nicht dumm und ignorant ist, erzählte er sehenden Auges eine Reihe von Lügen", schreibt Zen.
Die "abstoßendste Behauptung" Parolins, so der 88-jährige Kardinal weiter, sei "die Beleidigung des verehrten Benedikt XVI." Parolin sagte, dieser habe "damals das vor zwei Jahren vom Heiligen Stuhl unterzeichnete Abkommen gebilligt; wohl wissend", dass der frühere emeritierte Papst Parolins Aussage nicht dementieren werde. Das am 22. September 2018 unterzeichnete Abkommen läuft am 22. Oktober aus. Noch wartet der Vatikan auf eine Bestätigung aus Peking, dass die Vereinbarung zur Ernennung von Bischöfen verlängert werde.
Parolin hatte am 3. Oktober anlässlich der 150-jährigen Arbeit des Ordens des "Päpstlichen Instituts für auswärtige Missionen" (PIME) in Mailand das vorläufige Abkommen verteidigt. Dabei sagte er unter anderem, es liege auf der Linie von Franziskus' Vorgängern Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Parolin wie der vatikanische Außenminister, der britische Kurienerzbischof Paul Gallagher, räumten zwar mehrfach ein, die Vereinbarung mit China habe noch nicht die erhofften Früchte gebracht. Dafür brauche es Zeit und Geduld. Zudem sei dies der einzige Kommunikationskanal mit der Führung in Peking.
Zen: Parolin manipuliert Papst Franziskus
Zens Hauptvorwurf gegen Parolin lautet, dieser manipuliere Papst Franziskus, um das umstrittene Abkommen zu verlängern. In dem ausführlichen Blog-Beitrag zeichnet Zen des weiteren ein eigenes Bild der katholischen China-Mission seit dem 17. Jahrhundert. Die gegenwärtige China-Politik des Vatikan kritisiert Zen als Wiederholung der Ostpolitik des früheren Kardinalstaatssekretärs Agostino Casaroli (1914-1998). Laut Benedikt XVI. habe Johannes Paul II. diesen gescheiterten Ansatz aufgegeben und gegenüber dem früheren Ostblock eine härtere Haltung eingenommen.
Benedikt XVI. selbst habe 2007 in seinem Brief an die chinesischen Katholiken zwar einen Dialog mit Peking als wichtig und wünschenswert dargestellt. Allerdings habe er gewarnt, dass "die Lösung der bestehenden Probleme nicht durch einen andauernden Konflikt mit den legitimen zivilen Autoritäten angestrebt werden" könne. Zugleich sei aber "eine Fügsamkeit gegenüber diesen nicht annehmbar, wenn sie sich unrechtmäßig in Angelegenheiten einmischen, die den Glauben und die Disziplin der Kirche betreffen".
Schätzungen zufolge sind 9 bis 10 Millionen der knapp 1,4 Milliarden Einwohner der Volksrepublik China Katholiken. Eine große Besonderheit des chinesischen Katholizismus ist die Teilung in zwei Gruppierungen: Neben einer regimenahen und staatlich zugelassenen "Patriotischen Vereinigung" gibt es die sogenannte Untergrundkirche in erklärter Gemeinschaft mit dem Papst. Seit 1951 unterhalten der Vatikan und China keine offiziellen diplomatischen Beziehungen mehr. In den vergangenen Jahrzehnten war es wegen vom chinesischen Staat beeinflussten Bischofsernennungen und der Verfolgung der papsttreuen Untergrundkirche immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem kommunistischen Land gekommen. Das vorläufige Abkommen über Bischofsernennungen gilt daher als historischer Meilenstein der chinesisch-vatikanischen Beziehungen. (tmg/KNA)