"Nichts, was mit Mehrheit zu entscheiden ist"

Theologin Sattler: Bei Frauenpriestertum ist "langer Atem" nötig

Veröffentlicht am 08.12.2020 um 12:56 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Der Synodale Weg schickt ein Votum nach Rom und der Vatikan beschließt daraufhin, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen? Dafür bestehe keine Chance, betont die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler. Doch am Ende setzten sich die guten Argumente durch.

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Die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler warnt davor, im Rahmen des Synodalen Wegs Erwartungen an schnelle Fortschritte beim Thema Frauenpriestertum zu schüren. "Wir brauchen einen langen Atem. Aber am Ende werden sich die guten Argumente durchsetzen", sagte sie in einem Interview mit der "Badischen Zeitung" (Montag). Sattler steht beim Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland gemeinsam mit dem Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode dem Forum "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche" vor.

Der Einschätzung Sattlers zufolge ist die Mehrheit der Gläubigen in Deutschland offen für Priesterinnen. Auch unter den deutschen Bischöfen herrsche "eine große Hör- und Gesprächsbereitschaft und bei manchen sogar die Einsicht, dass eine Neuorientierung notwendig ist". In der theologischen Forschung in Europa gebe es eine große Mehrheit dafür, dass die geltend gemachten Argumente nicht ausreichten, Frauen von der Priesterweihe auszuschließen. "Klar ist aber: Das Frauenpriestertum ist nichts, was mit Mehrheit zu entscheiden ist", betont die Theologin. In solchen Lehrfragen könne auch eine Minderheit in der Wahrheit sein – das habe es in der Geschichte immer wieder gegeben.

Votum als "Impuls in die Weltkirche"

Sattler rechnet damit, dass sich auf dem Synodalen Weg eine Mehrheit der Delegierten dafür aussprechen werde, ein Votum mit der Bitte nach Rom zu schicken , die Frage "ergebnisoffen und in einem ausgewogen besetzten Gremium" zu prüfen. Die Chance, dass der Vatikan daraufhin entscheidet, Frauen zum Priesteramt zuzulassen, sehe sie aktuell nicht. "Aber ich sehe eine Chance, dass von unserem Votum ein Impuls in die Weltkirche ausgeht, die Frage 'Was könnte Gottes Wille für unsere Zeit sein?' in geistlicher Redlichkeit zu bearbeiten", so die Theologin.

Die Aussagen des Apostolischen Schreibens "Ordinatio sacerdotalis" von Papst Johannes Paul II. zum Ausschluss von Frauen von Priesteramt hält sie nicht für letztverbindlich. "Ich denke, dass die Argumente aus der biblischen Tradition nicht zwingend zur Ablehnung des Frauenpriestertums führen müssen und dass daher die Grundlage für eine Ablehnung nicht gegeben ist", so Sattler. In formaler Hinsicht sei zu bedenken, dass sich Johannes Paul II. bei dieser Aussage nicht explizit auf seine päpstliche Autorität berufe und sie daher kein Dogma sei. Stattdessen sage er lediglich, sie ergebe sich schlüssig aus der Offenbarung. "Hier gibt es allerdings andere Einschätzungen", betont die Theologin.

Argumente für das Frauenpriestertum liefern laut Sattler vor allem die Texte des Neuen Testaments. So seien einzelne Frauen, an erster Stelle Maria von Magdala, Zeuginnen des auferstandenen Jesus Christus geworden. Dazu komme, dass der Kreis der Apostel außer beim Evangelisten Lukas nicht auf die zwölf Jünger Jesu begrenzt sei. Sogar mit Berufung auf Paulus lasse sich begründen, dass unter den Aposteln Frauen waren. Apostel seien bei Paulus Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sind. "Stellt man das in den Mittelpunkt und fragt, was die Aufgabe von Priestern ist, lautet nach dem Neuen Testament die Antwort: die Verkündigung des Evangeliums", so Sattler. Auch Frauen sind demnach zur Verkündigung berufen. (mal)