Irakreise des Papstes: Warum ausgerechnet jetzt?
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Manchmal verstehe ich Papst Franziskus nicht. Während internationale Treffen von Regierungschefs weitgehend online stattfinden, das Alltagsleben in vielen Ländern vom Lockdown bestimmt und der internationale Flugverkehr stark eingeschränkt ist, reist das 84-jährige Kirchenoberhaupt in den Irak. Und das für vier lange Tage, mit Stationen in verschiedenen Landesteilen, Höflichkeitsbesuchen bei Politikern und Gottesdiensten mit bis zu 10.000 Menschen. Das Reiseprogramm liest sich wie aus einer Zeit, in der "Corona" für die Weltbevölkerung noch ein unbekanntes Wort war.
Ja, es gibt auch gute Gründe FÜR die Reise: Noch nie zuvor hat ein Kirchenoberhaupt den Irak besucht. Die Zahl der Christen hat sich unter der Verfolgung durch den Islamischen Staat in den vergangenen Jahrzehnten dezimiert; die wenigen verbliebenen in dem Land können das Zeichen der päpstlichen Solidarität mehr als gebrauchen. Auch das Treffen mit dem schiitischen Religionsführer Großajatollah Ali al-Sistani ist eine Premiere in der Geschichte. Trotzdem reibe ich mir die Augen und frage mich: Warum denn ausgerechnet jetzt? Was ist der Anlass, der die Reise gerade jetzt so notwendig macht?
Mit seiner Visite geht Franziskus ein doppeltes Risiko ein. Da ist einmal der Sicherheitsaspekt. Gerade erst hat der Vatikan eingeräumt, dass aufgrund der prekären Lage eine besondere Gefahr für Franziskus besteht. Wie unsicher die Lage ist, zeigt der Raketenbeschuss eines US-Stützpunkts am Mittwoch, nur zwei Tage vor Franziskus' Ankunft.
Aber auch die Pandemielage im Irak ist derzeit nicht gerade entspannt. Der Inzidenzwert ist seit Anfang Februar um das Viereinhalbfache gestiegen. Der Papst mag nach seiner Impfung immun sein. Aber die Mehrheit der Menschen, die seine Gottesdienste besuchen, ihn sehen wollen und in der Euphorie vielleicht nicht an ausreichend Abstand denken, ist es möglicherweise noch nicht.
Das bereitet mir Magengrummeln. Trotz aller hehren Motive bringt es niemandem etwas, die Realität auszublenden. Man könnte es ja auch so lesen: Indem er reist, setzt sich Franziskus über die Bemühungen anderer wichtiger internationaler Persönlichkeiten hinweg, die weitgehend darauf verzichten. Auch innerkirchlich leben Gläubige in vielen Teilen der Weltkirche noch mit Beschränkungen.
Der 8. Jahrestag seiner Wahl steht kurz bevor – vielleicht wäre es besser gewesen, mit der historischen Reise bis zum 9. oder 10. Jahrestag zu warten. Denn es besteht die Hoffnung, dass zumindest die Pandemielage dann besser ist.
Die Autorin
Gabriele Höfling ist Redakteurin bei der Katholischen Nachrichten-Agentur und bei katholisch.de.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin wider.