Politische Schwierigkeiten und Peripherie: Brisante päpstliche Reisen
Im vergangenen Dezember hat Papst Franziskus eine Auslandsreise angekündigt, die es in sich hat. Nicht nur, weil es die erste Reise des Papstes nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist. Es ist auch ein Besuch in einem Land, das aufgrund von Kriegen und Terror immer neu im Fokus der Berichterstattung ist. Die erste Reise eines Papstes in den Irak ist eine Sensation: Schon Johannes Paul II. hegte im Heiligen Jahr 2000 den Wunsch, an die Orte zurückzukehren, die vor allem in Verbindung mit dem Erzvater Abraham stehen. Dass sich nun, über zwanzig Jahre später, der Wunsch des damaligen Pontifex erfüllt, ist sicher nicht nur eine Solidaritätsbekundung mit den Christen im Irak. Papst Franziskus wird auch eine Friedensbotschaft in den Irak mitbringen und versuchen, zwischen den gespaltenen Gruppen zu vermitteln. Es ist eine Papstreise von höchster Brisanz.
Wenn man in die Geschichte der Auslandsreisen der Päpste blickt, dann wird man schnell feststellen, dass es schon immer Pastoralbesuche in Ländern gegeben hat, die von der Öffentlichkeit mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt wurden. Schon die allererste Reise eines neuzeitlichen Papstes ins Ausland stand unter einem solchen Vorzeichen: Paul VI. ließ sich ganz vom Zweiten Vatikanischen Konzil inspirieren und sah seinen Anspruch darin, ein Papst für die Welt zu sein. Erstmals seit vielen Jahrzehnten durchbrach er die Mauern des Vatikanstaats, um Anfang Januar 1964 ins Heilige Land zu reisen. Politisch freilich waren die Visiten im Heiligen Land schon immer brisant: Der Status von vielen heiligen Stätten war noch ungeklärt, Anschläge erschütterten das Land, Jerusalem war eine geteilte Stadt. Dazu kam das neue Verhältnis zu den Kirchen der Orthodoxie und zu den anderen Religionen. Zwar war die Erklärung "Nostra Aetate", die zu einem neuen Miteinander mit Juden und Muslimen aufrief, noch nicht vom Konzil verabschiedet; doch längst war klar, in welche Richtung es im gemeinsamen Umgang gehen würde: Hochachtung und Wertschätzung standen den alten Verurteilungen und Polemiken gegenüber, die endgültig überwunden werden sollten. Freilich war die erste Auslandsreise eines Papstes auch von Missgeschicken jenseits der großen Bühnen überschattet: Schon beim Anflug auf Amman verhindert dichter Nebel fast die Landung; in Jerusalem wird die päpstliche Limousine derart von Gläubigen umdrängt, dass der Pontifex erst nach langem Warten aussteigen kann; beim Gottesdienst in der Grabeskirche schmorte ein Kabel durch, was dazu führte, dass der Papst in dichten Rauch eingehüllt war. Und dennoch war die Auslandsreise ins Heilige Land ein großer Erfolg, dem sich viele weitere Reisen der nachfolgenden Päpste anschließen sollten.
104 Auslandsreisen in insgesamt 127 Länder
Aufgrund seines sehr kurzen Pontifikats konnte zwar Johannes Paul I. keine einzige Visite in ein anderes Land unternehmen, doch das machte sein Nachfolger wieder wett: In 104 Auslandsreisen besuchte Johannes Paul II. insgesamt 127 Länder – ein Rekord, der vor allem seinem langen Pontifikat geschuldet war. Natürlich gab es auch hier Reisen, die unter einem besonderen Augenmerk standen. Schon im November 1980, also gut zwei Jahre nach seiner Wahl auf den Stuhl Petri, besuchte der Heilige Vater Deutschland. An Unterstützung für den Papstbesuch jedenfalls mangelte es: Gemäß einer Umfrage aus dem Jahr 1980 stand eine große Mehrheit der Deutschen dem Besuch des Pontifex relativ gleichgültig gegenüber; es gab wichtigere Themen, als die Reise von Johannes Paul II. Es war auch die Zeit, die von vielen Kirchenaustritten überschattet war und die Zahl sollte im Jahr des Papstbesuches noch einmal ansteigen. Die Themen, die damals in Deutschland die Gemüter erhitzten, waren Fragen der Abtreibung und der Pille, der Scheidung sowie die Forderung, den Zölibat endlich aufzuheben. Freilich gab es auch genügend Anhänger, die dem Papst begeistert zujubelten. Jedoch musste sich Johannes Paul II. auch die öffentliche Äußerung von Kritik gefallen lassen: In München verlas eine Sprecherin der Deutschen Katholischen Jugend eine Erklärung, in der sie sehr deutlich die Missstände in der katholischen Kirche anprangerte. Eine Antwort des Papstes blieb allerdings aus.
Schwierig waren Papstreisen immer dann, wenn sie in Länder gingen, die aufgrund ihrer Politik nicht unumstritten waren. Hierzu zählen vor allem die Reisen nach Polen, die Johannes Paul II. mitten hinein in die Sowjetunion führten. So heißt es, dass schon die erste Polenreise des Papstes im Jahr 1979 die Einwohner des Landes verändert hätte. Es sei der Auftakt zu einem Umbruch gewesen, der allerdings erst zehn Jahre später wirklich umgesetzt werden konnte. Johannes Paul II. kannte die politischen Systeme auf seiner Zeit als Erzbischof von Krakau nur zu gut und er wusste um den Einfluss, den er mit seinen Worten und Gesten auf die Menschen ausüben konnte. Moskau freilich war der Pontifex ein Dorn im Auge und wenngleich die kommunistische Herrschaft noch andauern sollte, so war ein Umdenken durch den Pontifex doch eingeleitet worden.
Viele Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besuchte Johannes Paul II. ein anderes kommunistisches Land: Im Januar 1998 brach der Heilige Vater nach Kuba auf. Von den Medien wurde der Besuch aufmerksam verfolgt, immerhin hatte ein kommunistischer Machthaber jenen Papst in sein Land eingeladen, der in seiner Heimat maßgeblich den Umbruch zu verantworten hatte. Fidel Castro freilich hatte im Papst einen Verbündeten für seine Ideologie gesucht und dabei keine Gelegenheit ausgelassen, dem Pontifex zu schmeicheln. Johannes Paul II. allerdings ließ sich auf das Gebaren des Diktators nicht ein; auf kritische Töne in seinen Ansprachen und Predigten verzichtete er nicht, wenngleich diese von den kubanischen Medien zensiert wurden. Am Ende blieb der erwartete Umsturz in Kuba aus – er scheiterte vielleicht auch an den mangelnden Spanischkenntnissen des Papstes, der die entscheidenden Sätze seiner Predigt in Havanna auf Latein zitieren musste.
Auch Auslandreisen von Franziskus sind brisant
Dass die Türkei-Reise von Benedikt XVI. Ende November 2006 zum Politikum würde, hatte sich der Papst wohl selbst zuzuschreiben. Schließlich sorgte er erst wenige Wochen zuvor für einen Eklat, als er bei seiner Vorlesung in Regensburg Unstimmigkeiten zwischen der katholischen Kirche und der muslimischen Welt hervorrief. Eigentlich war die Reise nämlich nur als Besuch beim ökumenischen Patriarchen zur gemeinsamen Feier des Andreas-Festes geplant gewesen. Doch letztendlich wurde sie zu einer wichtigen Wegmarke im Zusammenhang mit der Versöhnung mit dem Islam.
Auch die Auslandreisen von Papst Franziskus entbehren nicht einer gewissen Brisanz, die allerdings teilweise vom Pontifex selbst hervorgerufen wird. Schließlich liegt es Franziskus mehr am Herzen, in die Peripherien der Welt zu reisen, anstatt jene Staaten aufzusuchen, die zum klassischen Besuchsprogramm der Päpste gehören. Doch auch Papst Franziskus wählt nicht jedes dieser brisanten Themen selbst aus: Einen bitteren Nachgeschmack hat die Reise nach Chile erfahren. Dort stieß er auf eine Kirche, die sich in der Krise befand und die unter einem massiven Vertrauensverlust litt. Das Thema des sexuellen Missbrauchs konnte Franziskus nicht umgehen, da er selbst einen Bischof eingesetzt hatte, der im Land selbst nicht unumstritten war. Der Pontifex verteidigte sich mit harschen Worten – und erntete dafür reichlich Kritik. In der medialen Berichterstattung wurde der Papstbesuch in Chile und Peru als Misserfolg gewertet.
Es bleibt nun abzuwarten, wie Papst Franziskus im Irak mit den heißen Themen umgehen wird. Als vehementer Mahner zum Frieden und zur Versöhnung wird Franziskus nicht müde, die Mächtigen dieser Welt dazu aufzurufen, anstelle von Terror und Gewalt das Miteinander der Völker und Religion neu zu entdecken.