Steinmeier: Corona hat Einstellung zu Sterben und Tod verändert
Die Corona-Krise hat nach Ansicht von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Einstellung der Gesellschaft zu Sterben und Tod verändert. "Das Ausgeliefertsein und die Einsamkeit im Sterben, unsere Verwundbarkeit, die Stigmatisierung durch das Virus, die Unsichtbarkeit des einsamen Todes abseits der betriebsamen Gesellschaft – all das ist mit der Pandemie verbunden", sagte Steinmeier in einem Interview der "Herder Korrespondenz" (April-Ausgabe). Mit der nationalen Gedenkfeier am 18. April in Berlin wolle die Staatsspitze diese verstörenden Folgen anerkennen und zeigen: "Wir sehen das Leid."
Die Kirchen seien in der Corona-Krise trotz aller Einschränkungen hörbar, so Steinmeier weiter. Diese hätten eine "wichtige Rolle übernommen, auch beim Gedenken an die Corona-Toten." Die Kirchen hätten "die Seelsorge aufrechterhalten, auch im Krankenhaus, und Familien angesichts des Todes von Angehörigen begleitet." Besonders zu Allerseelen und am Totensonntag sei der Corona-Verstorbenen gedacht worden.
Möglicherweise Gegenteil der Säkularisierung durch Pandemie
Er halte es nicht für ausgemacht, dass die Pandemie "die Säkularisierung beschleunigt", fügte der Bundespräsident hinzu: "Möglicherweise erleben wir sogar das Gegenteil: Denn in der Pandemie machen viele die Erfahrung, nicht nur auf individuelles Glück vertrauen zu können." Viele erlebten, "auf sich selbst zurückgeworfen und zugleich elementar auf andere angewiesen zu sein, um diese Krise zu bestehen." Diese Erfahrung könne durchaus die Offenheit für die christliche Botschaft oder Religion vergrößern. Das Bedürfnis nach Religiosität, nach Glauben und übergeordneten Antworten auf das Leben sei vorhanden.
Steinmeier rief zu einem fairen Umgang mit der Politik mit Blick auf die Entscheidungen zu Corona auf: "Die Beteiligten handeln unter immensem Verantwortungsdruck. Sie müssen weitere Infektionen abwenden und gleichzeitig den wirtschaftlichen und sozialen Schaden so gering wie möglich halten." Über all das müsse die Gesellschaft offen und öffentlich sprechen, damit Lehren gezogen werden können. Unausgesprochene oder ignorierte Vorwürfe dürften die Pandemie nicht "als Misstrauen gegen den Staat überdauern". (epd)