Standpunkt

Der Synodale Weg muss seine Wanderschuhe schnüren

Veröffentlicht am 14.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Gerade die katholische Kirche weiß um die Bedeutung der Bildsprache, kommentiert Pater Nikodemus Schnabel. Deshalb solle der Synodale Weg sich tatsächlich bewegen. Er denkt dabei an gemeinsame Wanderungen – und Bundespräsident Steinmeier als Vorbild.

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"Der Weg entsteht beim Gehen!", dieser berühmte Satz des spanischen Lyrikers Antonio Machado ist wohl der beliebteste Slogan, den man findet, wenn Delegierte des Synodalen Weges in Deutschland diesen Dialogprozess charakterisieren möchten – auch wenn das Zitat dann gerne mal Franz Kafka untergeschoben wird. Überhaupt fallen die vielen Weg- und Bewegungsmetaphern beim Synodalen Weg auf: seine Benennung, die zu findende Bezeichnung der Delegierten als "Synodengänger*innen" oder die häufig zu findende Aussage, dass der Synodale Weg "kein Spaziergang" sei. Leider decken sich diese kraftvoll dynamischen Aussagen nicht mit der Bildsprache, die der Synodale Weg auch schon vor der Corona-Pandemie ausgesendet hat, nämlich Sitzungen. 

Der deutsche Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, macht in diesen Tagen mit seiner Initiative #schrittfürschritt vor, wie es auch anders gehen kann. Er und seine Frau schnüren tatsächlich ihre Schuhe und machen sich auf die Wanderschaft durch die Republik, um im gemeinsamen Wandern mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, und zwar um einerseits von diesen zu hören, wie sie die vergangenen Monate der Pandemie erlebt haben und was sie besonders beschäftigt im Hinblick auf die Zukunft und welche konkreten Erwartungen sie für die kommenden Monate haben.

Gerade die katholische Kirche, welche doch eigentlich um die Bedeutung der Bildsprache weiß, sollte sich hier das deutsche Staatsoberhaupt dringend zum Vorbild nehmen. Wenn der Synodale Weg beim Gehen entsteht, dann muss er jetzt endlich auch mal seine Wanderschuhe schnüren, hinausgehen und sich bewegen. Wie großartig wären gemeinsame Wanderungen der Synodengänger*innen mit katholischen Gläubigen, denen der Sitzungskatholizismus fremd ist, die keine Begeisterung für Tagesordnungspunkte und Geschäftsordnungsanträge entwickeln können, aber sehr viel zu sagen haben, dem man unbedingt zuhören sollte! Ich denke dabei auch an Touren mit Gläubigen nicht-deutscher Muttersprache, an gemeinsames Rasten mit Mitgliedern der Kirche, die ernsthaft einen Kirchenaustritt erwägen oder gar schon vollzogen haben, an Gipfelbesteigungen mit den Glaubensgeschwistern der anderen christlichen Kirchen des Westens und Ostens, an Picknickpausen mit den Gläubigen anderer Religionen und mit denen, die nicht an Gott glauben, Religion aber relevant finden und auch an herausfordernde Wegstrecken mit denen, welcher Religion und Kirche gegenüber eine dezidiert kritische Haltung einnehmen – und natürlich vor allem und immer wieder an Weggemeinschaft mit den Betroffenen der verschiedenen abgründigen Formen des Missbrauchs innerhalb der Kirche: Für sie sollte der Kirche kein Weg zu mühsam und zu weit sein!

Von Pater Nikodemus Schnabel

Der Autor

Pater Nikodemus Schnabel OSB ist Benediktinermönch der Dormitio-Abtei in Jerusalem und Direktor des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft (JIGG).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.