Der katholischen Kirche läuft die Zeit davon
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Dass die Mühlen der Kirche langsam mahlen, wenn es um Veränderungen geht, ist eine Binsenweisheit. Schließlich hat man immer in Jahrhunderten gedacht. Doch was in Zeiten berittener Boten, von Monarchen geführter Staaten und unmündiger Gläubiger vielleicht noch funktionieren konnte, ist in unserer schnelllebigen, gut vernetzten, digitalisierten und individualisierten Gesellschaft für viele Menschen kaum noch verständlich – geschweige denn erträglich.
Was der Papst bei einer Generalaudienz am Mittwoch oder beim Angelus am Sonntag auf dem Petersplatz sagt oder tut, wissen die Gläubigen des 21. Jahrhunderts in Echtzeit auch in Deutschland, Australien oder in den USA. Das Problem ist: Sie wissen auch, wenn er und seine Mitarbeiter etwas nicht tun. Und das kommt in den vergangenen Jahren so häufig vor, dass selbst viele treue Katholikinnen und Katholiken die Geduld verlieren oder schon verloren haben.
Die Kurienreform im Vatikan ist auch nach acht Jahren nicht vollendet. Die im April 2020 eingesetzte zweite päpstliche Kommission zum Thema Diakoninnen trifft sich in diesem September rund eineinhalb Jahre nach ihrer Gründung zum ersten Mal – eine Arbeitsgruppe mit dem gleichen Auftrag hat schon ein folgenloses Thesenpapier produziert. In Köln und Hamburg wartet man auf Entscheidungen bezüglich der Zukunft ihrer Erzbischöfe und überlässt die Diözesen, teilweise führungslos, in ihrer schwierigen pastoralen Situation sich selbst. Der Synodale Weg in Deutschland, der Reformen schneller vorantreiben will, wurde mit doch recht eindeutigen Stellungnahmen aus dem Vatikan blockiert. Die Liste ließe sich problemlos fortführen.
Die katholische Kirche ist mit ihren 1,2 Milliarden Gläubigen und ihrer langen Tradition nicht mit einem kleinen "Startup" zu vergleichen. Dennoch lohnt es sich, auf moderne Firmenstrukturen zu blicken, mit denen durch den Abbau von Hierarchien und Umverteilung von Kompetenzen und Verantwortung einerseits Kreativität gefördert und andererseits unbürokratischer und schneller auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert werden kann.
Der Kirche täte das ebenfalls gut. Denn ihr läuft die Zeit davon. Wenn man dann aber den auf zwei Jahre angelegten weltweiten synodalen Weg mit dem Titel "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Partizipation und Mission" betrachtet, dessen Ergebnisse auf einer zentralen (!) Versammlung von Bischöfen in Rom erarbeitet und vom Papst approbiert werden, kann man nur hoffen, dass die Zeit noch reicht. Und beten.
Der Autor
Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.