AfD: Religionspolitik als Abgrenzung zum Islam
"Deutschland. Aber normal." – mit diesem Slogan ist das Programm der Alternative für Deutschland (AfD) für die anstehende Bundestagswahl überschrieben. Doch die von der rechtspopulistischen Partei angestrebte Normalität wird den allermeisten Wählern – sogenannte "Wutbürger" vielleicht ausgenommen – wohl nicht als Zukunftsprogramm für eine moderne Bundesrepublik erscheinen. Denn die auf etwas mehr als 200 Seiten zusammengefassten Forderungen der AfD sind von politischen Maßstäben geleitet, die eher an vergangene Zeiten erinnern, anstatt für einen modernen Aufbruch zu stehen.
So fordert die Rechtsaußen-Partei den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union, da die angeblichen Bemühungen der aktuellen Politik, "aus derzeit 27 oder noch mehr Staaten mit jeweils eigenen Sprachen, Kulturen und historischen Erfahrungen einen wie auch immer ausgestalteten Gesamtstaat zu bilden", in jedem Fall scheitern würden. Die AfD möchte daher die "Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft" vorantreiben, die aus souveränen Nationalstaaten besteht. Dieser Punkt stellt, ebenso wie viele andere Themen des Wahlprogramms, eine massive Stärkung des rechten Flügels der Partei dar. Denn beim Beschluss auf dem Parteitag im April wurden viele Inhalte im Vergleich zur Vorlage sogar verschärft, was als Ohrfeige für den eher als gemäßigt geltenden AfD-Chef Jörg Meuthen gewertet werden konnte.
AfD fordert "Abschiebeoffensive"
Die deutlich erkennbare Rückbesinnung auf das Nationale ist zu einem Markenzeichen der AfD geworden und findet sich auch beim Thema Flüchtlingspolitik wieder. Im Wahlprogramm werden eine "Abschiebeoffensive" und der Verzicht auf Duldungen von Geflüchteten gefordert. Um das angebliche "Asylparadies Deutschland" für notleidende Menschen auf der Flucht möglichst unangenehm zu gestalten, sprudelt die AfD geradezu vor Ideen: So solle etwa jeglicher Familiennachzug von Flüchtlingen abgelehnt sowie Gefährder und Straftäter aus Afghanistan, dem Irak oder Syrien ausnahmslos in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Zudem sollen Geflüchtete, die von der oftmals privat finanzierten Seenotrettung im Mittelmeer vor dem Tod bewahrt werden, unter keinen Umständen mehr in Deutschland aufgenommen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt im AfD-Programm zur Bundestagswahl ist die aktuelle Pandemie. Die Rechtspopulisten biedern sich Corona-Leugnern und Impfgegnern als Protestpartei an, indem sie die Maßnahmen der Bundesregierung als "täglichen Bruch von Recht und Verfassung" bezeichnen. Die nach Ansicht der AfD "überzogenen" Grundrechtseinschränkungen seien gemeinsam mit der "verfassungswidrigen Grenzöffnung" während der Flüchtlingsbewegungen 2015 die "bisherigen Höhepunkte" einer angeblich immer totalitärer werdenden Politik in Deutschland. Trotz berechtigter Anfragen, der sich die von der Großen Koalition verantworteten Corona-Maßnahmen stellen müssen, scheint die Kritik der AfD hier doch von einer grundsätzlich ablehnenden Haltung getrieben zu sein, die der Partei neue Wählergruppen erschließen soll.
Ob darunter auch katholische Christen sein werden, erscheint mehr als fraglich, denn die Positionen der Amtskirche sind nicht nur bei den Themen Europa, Umgang mit Flüchtlingen und Corona-Maßnahmen mehr als gegensätzlich zu den Forderungen der AfD. So befindet sich mit dem französischen Politiker Robert Schuman einer der Gründerväter der heutigen EU auf dem Weg zur Seligsprechung und die deutschen Bischöfe setzen sich mit Nachdruck für die Aufnahme von Geflüchteten sowie die Einhaltung der Regeln in der Pandemie ein, auch wenn das bedeutet hat, dass im vergangenen Jahr mehrere Wochen lang keine öffentlichen Gottesdienste stattfinden konnten.
Christentum als Grundlage der deutschen Leitkultur
Auch die katholischen Laien haben Vorbehalte gegenüber der Partei: So warnte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, etwa davor, die AfD zu wählen. Mehrere katholische Vereine und Verbände erklärten die Unvereinbarkeit einer Mitgliedschaft in dem jeweiligen Zusammenschluss und der AfD, wie etwa die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und jüngst die katholischen Schützenbruderschaften.
Der christliche Glaube und die Kirchen kommen trotz oder vielleicht auch wegen dieses spannungsreichen Verhältnisses im Wahlprogramm der Rechtspopulisten nur am Rande vor. Das Christentum wird von der AfD zwar als Grundlage einer deutschen Leitkultur präsentiert. Doch gleichzeitig wird den Kirchen vorgeworfen, die bewährte Tradition des Kirchenasyls zu missbrauchen, um angeblich "die Fristen für Abschiebungen in EU-Länder auszuhebeln". Daher fordert die AfD die Aufhebung der Vereinbarung zum Kirchenasyl, die zwischen dem zuständigen Bundesamt und den christlichen Kirchen geschlossen wurde. Das würde de facto ein Verbot des Kirchenasyls bedeuten. Die Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland hatten diese Praxis in der Vergangenheit immer wieder gestützt – selbst als es jüngst wegen der Gewährung von Kirchenasyl zu Verurteilungen von Ordensleuten gekommen war.
Das Wahlprogramm der Partei kommt jedoch gerne auf die Kirchen zurück, wenn sie als Gegensatz zum Islam dienen. So betont die AfD, dass die muslimischen Gemeinschaften keine kirchenähnlichen Strukturen aufweisen würden und deshalb ein "bekenntnisgebundener" islamischer Religionsunterricht nicht möglich sei. Zudem spricht sie dem Islam ab, anders als die christlichen Kirchen, zu einem "toleranten Miteinander der Religionen" fähig zu sein. Als Beispiel führt das Wahlprogramm die Bedrohung von jüdischen Bürgern durch "juden- und israelfeindliche Muslime" an. Eine weitere Nennung des Judentums findet nicht statt. Religionspolitik scheint für die AfD nur in der Abgrenzung zum Islam zu bestehen.
Lehrstühle für Islamische Theologie sollen abgeschafft werden
Der muslimischen Religion ist daher auch ein eigenes Kapitel gewidmet, an dessen Beginn immerhin ein Bekenntnis der AfD zur im Grundgesetz verankerten Glaubens- und Gewissensfreiheit steht. "Muslime, die sich integrieren und unsere Grundordnung und die Grundrechte anerkennen, sind geschätzte Mitglieder unserer Gesellschaft", heißt es dort ebenfalls. Dass es auch Deutsche muslimischen Glaubens gibt, die die Grundordnung "ihrer" Gesellschaft unterstützen, erwähnt die Partei nicht. Stattdessen verteidigt die AfD ihre Kritik am Islam, die nicht durch die Vorwürfe der "Islamophobie oder des Rassismus" zunichte gemacht werden könne. Das Wahlprogramm stellt Muslime als Gefahr für die deutsche Gesellschaft dar, da es zur Herausbildung von "Parallelgesellschaften" mit eigener islamischer Rechtsordnung gekommen sei, die sich über dem staatlichen Recht wähne. Dagegen wollen die Rechtspopulisten mit harter Hand vorgehen. Doch auch eine Überprüfung von Koranschulen, dort ausschließlich in deutscher Sprache stattfindender Unterricht und die Abschaffung der Lehrstühle für Islamische Theologie an staatlichen Universitäten, die in den vergangenen Jahren gegründet wurden, sind nur einige der in diesem Zusammenhang aufgestellten Forderungen der Partei.
Trotz großer Differenzen zwischen der katholischen Kirche und der AfD finden sich doch in der Familienpolitik und beim sogenannten Lebensschutz einige Punkte, die im Einklang mit dem Lehramt stehen. So will sich die Partei für eine kinderfreundliche Gesellschaft einsetzen und dieses Ziel sogar ins Grundgesetz aufnehmen. Von Kinderrechten in der Verfassung rät das Wahlprogramm jedoch ab, da diese die Elternrechte schwächen würden. Außerdem kritisiert die AfD eine zunehmende "Bagatellisierung von Abtreibungen" in den vorgeschriebenen Beratungsgesprächen. In vielen Fällen seien sie zu einem Verwaltungsakt verkommen. Dabei hätten sie jedoch "stattdessen dem Schutz des Lebens" zu dienen. Die "Tötung Ungeborener" dürfe auf keinem Fall zu einem Menschenrecht erklärt werden. Diese Gemeinsamkeiten zwischen katholischem Glauben und der Politik der AfD können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein tiefer Graben großer Meinungsverschiedenheiten zwischen Kirche und Rechtspopulisten liegt – vom Verhältnis der Partei zum muslimischen Glauben ganz zu schweigen.