Benedikt XVI. habe sich als "Verschleierungskünstler" erwiesen

Theologe Hoff: Kirche hat sich in Labyrinth von Lügen verstrickt

Veröffentlicht am 27.01.2022 um 12:55 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Das Münchner Missbrauchsgutachten belastet die Oberhirten des bayerischen Erzbistums – unter ihnen auch den emeritierten Papst Benedikt XVI. Der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff geht mit Benedikt und der Kirche hart ins Gericht.

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Der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff hat den Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal scharf kritisiert. Sie habe sich "in einem schier unauflösbaren Labyrinth von Lügen verstrickt", schrieb Hoff in einem Beitrag für die österreichische Zeitschrift "Die Furche" am Mittwoch. Jeder Schritt bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle führe "nur tiefer in den Abgrund", so der Theologe. "Die seriellen Betroffenheitsbekundungen von Bischöfen verfangen nicht mehr", weil sich "die Beharrungslogik im System als übermächtig" erweise. Auch die zahlreichen kirchlichen Schritte in Richtung Aufarbeitung und Prävention könnten das nicht ändern.

Angesichts der Aussagen des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Zusammenhang mit dem Münchner Missbrauchsgutachten kritisierte Hoff, dass der ehemalige Erzbischof von München und Freising auf seinem Nichtwissen über die Teilnahme an einer Ordinariatssitzung beharrt habe. "Am Ende lässt sich seine Aussage nur deshalb von einem Meineid unterscheiden, weil er nicht vor Gericht stand", so Hoff über Benedikt. Es möge sein, dass der Papa emeritus nicht absichtlich gelogen habe, doch das nachträgliche Eingeständnis der Teilnahme an der Sitzung wirke "halbherzig". Benedikt hatte betont, dass bei der Konferenz nicht über den Einsatz eines bestimmten Missbrauchstäters in der Seelsorge entschieden worden sei.

"Sedisvakanz der Verantwortung"

Man müsse die Frage stellen, warum Benedikt "vorab so sicher sein konnte, keinen Fehler gemacht zu haben", so Hoff. "Das Überschreiben von Erinnerungen ist ein psychologisch bekanntes Phänomen", das in diesem Fall funktioniert haben könnte, "weil die katholische Kirche ihr Bleiben in der Wahrheit immer schon voraussetzt". Es werde "passend gemacht, was nicht passt. Seien es abweichende Theologen, seien es Fakten". Benedikt habe "sich als Mitarbeiter der eigenen Wahrheit demaskiert", schrieb Hoff in Anspielung auf den Wappenspruch des damaligen Münchner Erzbischofs: "Mitarbeiter der Wahrheit". Wahrheit bestehe jedoch nicht nur in der korrekten Faktenbenennung, sondern zeige sich auch in der Fähigkeit zur Selbstkorrektur. "Diese Fähigkeit hat Joseph Ratzinger sein Theologenleben lang nicht gezeigt."

Benedikt habe sich mit seinen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Gutachten als "Verschleierungskünstler" erwiesen. Das Vertrauen in die Kirche werde brüchig, "wenn Päpste und die, die sie zu Päpsten wählen, ihre persönliche Glaubwürdigkeit verspielen". Benedikt habe jedoch als Papst versucht, "Licht ins Dunkel des katholischen Missbrauchskomplexes" zu bringen und die Kirche "vom Täterschutz auf die Perspektive der Betroffenen umzustellen". Hoff kritisierte zudem die Abwesenheit des derzeitigen Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx, bei der Vorstellung des Gutachtens in der vergangenen Woche als "Sedisvakanz der Verantwortung". (rom)