Vikar Kaesberg: Wenn die Kirche ein Verein wäre, würde ich austreten
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Wenn er gefragt wird, warum er Priester geworden ist, sagt Patrick Kaesberg: "Ich wollte das nicht." Im Interview erklärt er, warum er sich trotzdem für die Priesterweihe entschieden hat und was ihm Hoffnung gibt.
Frage: Seit 2019 sind Sie Vikar. Zum Priester geweiht worden sind Sie im Sommer, bevor die Corona-Pandemie begonnen hat. Wie haben Sie die Zeit seitdem erlebt?
Kaesberg: Es war eine sehr besondere Zeit – für mich, wie für alle. Im Nachhinein sieht man dann auch, was man für ein Glück gehabt hat, dass wir mit unserem Kurs noch ganz groß die Priesterweihe feiern durften, in einem vollen Dom in Paderborn. Groß feiern konnte ich auch die Primiz, mit sehr vielen Freunden in meiner Heimatgemeinde aus allen möglichen Teilen Deutschlands und darüber hinaus. Und bei denen, die dann ein Jahr später dran waren, sah das alles schon ganz anders aus.
Frage: Was hätten Sie sich anders vorgestellt oder gewünscht für die zwei Jahre Pandemie, die wir schon hatten? Wie wären Sie sonst in den Priesterberuf eingestiegen?
Kaesberg: Ich glaube, erst mal trifft ja dieser Punkt zu, dass man sich das gar nicht vorstellen konnte. Wenn einem jemand gesagt hätte: "Jetzt bald ändert sich alles." – das haben ja viele gesagt – dann hätte man demjenigen den Vogel gezeigt und gesagt: "Wieso soll sich alles Mögliche so schnell ändern?" Und ich sehe das jetzt gar nicht nur negativ, sondern man muss das halt so nehmen, wie es gekommen ist. Ich glaube, dass es auch gute Seiten gibt. Das habe ich auch währenddessen immer schon gedacht und gesagt, dass man nicht den Fehler machen sollte, jetzt alles nur negativ zu sehen, obwohl das natürlich eine bedrückende Situation war.
Jetzt im Nachhinein würde ich einfach sagen: Das, was sich als gut gezeigt hat, vielleicht auch im persönlichen Leben, aber auch für die Kirche, das wird bleiben. Und bei manchen Dingen sieht man einfach: Das gab es irgendwie, aber es war eigentlich nicht so überlebensnotwendig und es wird vielleicht nicht wiederkommen.
Frage: Was sind denn die positiven Punkte, die Sie während dieser zwei Jahre erlebt haben? Wo sagen Sie, diese Punkte nehmen wir auf jeden Fall mit?
Kaesberg: Da, wo es wirklich zur Begegnung kam, gibt es eine ganz neue Wertschätzung dafür, wie kostbar das ist, dass man sich persönlich begegnen kann. Ich glaube auch, dass viele den Glauben als sehr große Stütze erfahren und erlebt haben. In so einer Zeit der Krise, da hilft mir wirklich meine Verbindung zu Jesus auch hindurch. Das durfte ich immer wieder erleben, dass ich auch Hoffnung von anderen geschenkt bekommen habe, aber diese Hoffnung auch weitergeben durfte. Wenn es nur war, dass man mal eine Stunde spazieren gegangen ist oder wie auch immer. Dass man sich diese Zeit nimmt für die wirklichen Begegnungen, das wäre, glaube ich, etwas, was bleiben sollte.
Frage: Sie haben aber auch etwas ganz Neues noch angefangen. Sie sind Dekanatsjugendseelsorger im Dekanat Siegen, machen nicht nur katholische Jugendarbeit, sind selbst auch Mitte dreißig und sind im Team vom Netzwerk Tabor für Jugendspiritualität. Das können Sie gleich ein bisschen näher erklären. Sie sind unterwegs in den Gemeinden im Süden vom Sauerland und im Siegerland, um Jugendmessen zu feiern. Diese neue Idee ist auch während der Pandemie entstanden und an den Start gegangen.
Kaesberg: Genau, das war auch so ein Spaziergang mit Alexander Sieler, dem Leiter vom jugendspirituellen Zentrum Tabor in Lennestadt. Wir haben überlegt: Was können wir denn mal machen? Und da hatten wir diese Idee: Also Jugendmessen, das heißt einfach, die Messe so zu feiern, wie sie gefeiert wird, aber eben über die Musik etwas Neues zu machen, weil die Musik ja schon ein Punkt ist, mit dem einfach Herzen berührt werden. Das kennt jeder, jeder mag irgendeine Art von Musik. Und viele, die das mal erlebt haben auf einem Gebetsfestival oder so, diese moderne Form der Lobpreislieder, die haben erlebt, dass sie da auch wirklich Zugang finden konnten, dass sie von Jesus berührt wurden. Wir haben gesagt, wir versuchen das mal, dass wir die Messe feiern, aber eben diese neue Form der Musik da hereinbringen.
Das Projekt steckt jetzt noch in den Kinderschuhen. Aber wir hoffen, dass das gut angenommen wird. Und die Bereitschaft, da mitzumachen, war eigentlich direkt sehr gut. Da waren viele junge Leute, die gesagt haben, das klingt nach einer coolen Idee, da machen wir gerne mit. Und jetzt ziehen wir so ein bisschen hier durch unsere Region. Ich bin im Siegerland, das Zentrum Tabor steht im Sauerland. Wir wechseln immer ab: Einmal in einer Pfarrei im Siegerland, einmal im Sauerland. Es ist nicht an einen festen Ort gebunden.
Alt und Neu im Einklang: Wie Popmusik den Gottesdienst bereichern kann
Den einen Musikstil für den Gottesdienst gibt es nicht, sagt Kirchenpop-Professorin Tine Wiechmann. Sie macht sich für Vielfalt stark: Auch Popmusik schaffe Gottesbegegnung. Kritisch sieht sie die Gefahr emotionaler Verführung im Evangelikalismus.
Frage: Was ist das für Musik, wie können wir sie uns vorstellen? Und ist sie dann so ganz anders als Kirchenmusik?
Kaesberg: Nein, es ist schon geistliche Musik. Es sind diese Lobpreislieder. Wenn man mal auf der MEHR-Konferenz war oder auf einem anderen Gebetsfestival, kennt man sie – die Sparte des Neuen geistlichen Liedguts. Aber dann von dieser Band gespielt – und auf coole Art und Weise. Es ist also keine weltliche Musik, sondern auf jeden Fall geistliche Musik, aber eine, die man jetzt in der "normalen" Messe sonntags in der Pfarrei wahrscheinlich eher nicht hören würde.
Frage: Und das zieht – es spricht anscheinend junge Menschen an, das haben Sie gerade schon gesagt. Es kommen viele und machen mit. Ist das die Zukunft der katholischen Kirche
Kaesberg: Ich glaube, dass dieser Bereich der Musik schon ein Punkt ist. Ich habe, wie vielleicht viele andere, das Buch von James Mallon gelesen. Ein Priester aus Kanada, der über die Erneuerung der Kirche schreibt. Dieses Buch lohnt sich sehr. Kritische Stimmen sagen, man könne es nicht eins-zu-eins übertragen auf unsere Situation hier. Das stimmt. Aber gleichzeitig würde ich sagen, wir leben schon sehr vieles von der Kultur her so, wie es auch die Amerikaner machen. Ob das jetzt McDonalds ist oder auch vieles andere. Und ich glaube, dass man sich aus dem Buch schon vieles als Beispiel nehmen oder es einfach mal ausprobieren kann.
Bei der Musik bin ich ziemlich sicher, dass sie einfach die Herzen berühren kann und diese neue Form der Musik ein Einstieg wäre für junge Leute. Wenn sie in die Kirche kommen und es werden alte Sachen aus den 1970ern gesungen, dann werden die das nicht so hip finden. Diese neue Form der Musik, glaube ich, kann da schon eine Tür öffnen. Aber das ist natürlich jetzt kein Schlüssel, der eine Lösung für alles ist.
Frage: Daran gibt es bestimmt auch viel Kritik. Andererseits gibt es natürlich auch die Tradition – wer denkt nicht bei der Fronleichnamsprozession an "Großer Gott, wir loben dich" oder ähnliches. Ist das ein Widerspruch?
Kaesberg: Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt diese schöne Stelle im Evangelium, wo ein weiser Mensch Altes und Neues aus seinem Schatz hervorbringt: Es geht ja nicht darum, das Alte ganz wegzulassen, sondern es geht einfach darum, auch zu gucken, wen was anspricht. In dem Buch aus der Pfarrei in Kanada fand ich das sehr beeindruckend. Die haben sonntags insgesamt 2000 Leute, die da zur Messe kommen. Es gibt eine Messe mit dem, was bei uns jetzt Gotteslob-Lieder wären. Dann gibt es eine Messe mit gregorianischen Gesängen auf Latein, eine Messe mit einer Band und diesen modernen Lobpreisliedern. Dann kann jeder da hingehen, wo es ihn am meisten anspricht.
Das ist auch ein Punkt, den ich generell so sehen würde, dass wir schauen können: Was können wir an der Form machen? Wie können wir die Form in eine neue und moderne Sprache bringen? Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, und das scheint mir leider nicht selten der Fall zu sein, dass wir unsere Inhalte ganz abgeben und das Kind mit dem Bade ausschütten. Da gut zu unterscheiden ist wichtig. Ich bin sehr zuversichtlich, dass man über neue Formen und eine passende Sprache vieles erreichen und junge Menschen ansprechen kann.
Frage: Sie machen es ja nicht erst seit gestern, Sie sind schon seit Jahren in der katholischen Jugendarbeit tätig. Ein Verein beispielsweise würde daran arbeiten, sich den Nachwuchs großzuziehen. Bei der katholischen Kirche vermisst man das manchmal. Würden Sie sagen, da müsste die Kirche vielleicht mal ein bisschen Nachhilfe bekommen und genau diese Inhalte gerade jungen Menschen noch mal wieder viel schmackhafter machen, als sie das in den letzten Jahren gemacht hat?
Kaesberg: Ja, das würde ich auf jeden Fall sagen, und das ist, finde ich, auch etwas, was eigentlich sehr verwunderlich und gleichzeitig auch sehr traurig ist, dass die Kirche in Deutschland so viel Geld hat und es nicht auf die Kette kriegt, mal eine Marketingkampagne an den Start zu bringen, wo 'rüberkommt, was eigentlich unser Glaube ist. Also dass unsere Hauptaussage ist: "Du bist von Gott geliebt, so wie du bist. Du bist dafür bestimmt, ewig zu leben." Das ist ja eigentlich etwas, was jeder Mensch zu hören wünscht.
Aber wenn die Leute das Stichwort katholische Kirche hören, dann bringen sie das oft als erstes damit in Verbindung: Da geht es um irgendeinen Regelkatalog, den ich erst mal erfüllen muss und alles Mögliche ist verboten usw. Das müsste doch möglich sein, da etwas Cooles auf die Beine zu stellen, damit deutlich wird, worum es im Christentum eigentlich geht.
Frage: Die Kirche ist eine Institution und kein Verein. Aber ich komme auf den Vergleich mit dem Verein, weil Sie selber Fußballspieler waren. Sie waren Profifußballer von 2006 bis 2008 in der dritten Liga in Darmstadt und in Aachen. Ziehen Sie da manchmal für Ihren Priesterberuf, den Sie jetzt ausüben, Parallelen heraus?
Kaesberg: Ehrlich gesagt eher weniger. Das mit dem "Verein" ist aber ein gutes Stichwort. Wenn die Kirche wirklich ein Verein wäre, dann würde ich auch austreten. Das habe ich auch schon mal in einer Predigt gesagt. Aber sie ist eben kein Verein bzw. kein von Menschen gegründeter Verein, sondern wenn man jetzt den Begriff aufgreifen will, dann würde ich sagen: Die Kirche ist der Verein Gottes. Das ist das Argument, warum ich dabeibleibe und das auch anderen rate.
Und dieser Punkt der Institution ist, glaube ich, erst an hundertster Stelle wichtig. Bei uns in Deutschland kommt die Kirche so 'rüber, aber in erster Linie ist die Kirche die Gemeinschaft der Kinder Gottes und eine große Familie von denen, die getauft sind und dadurch mit Jesus verbunden sind. Das sind die Aspekte, auf die es ankommt. Ich bin auch sicher: Wenn die Kirche einfach nur ein menschlicher Verein wäre, dann wäre sie jetzt an die Wand gefahren, aber dann wäre sie auch schon in der Geschichte oft an die Wand gefahren. Das ist doch der größte "Gottesbeweis", dass trotz all dieser Katastrophen dieser "Verein" überhaupt noch existiert.
Wenn die Kirche ein menschlicher Verein wäre, dann hätte ich auch große Schwierigkeiten. Deswegen ist auch klar, wenn Menschen das so sehen, dass das einfach eine Institution oder ein menschengemachter Verein ist und sie dann gehen, dann ist das keine großartige Überraschung.
Frage: Sie sprechen diese Zweifel an, die Gläubige bekommen können aus den ganz unterschiedlichen Themen, die die Kirche in den vergangenen Jahren und ja auch ganz aktuell besonders beschäftigen und die einen großen Schatten auf die Institution werfen: Wenn man an die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche denkt und an ihre Aufarbeitung. Ein anderes Thema ist der Umgang mit Menschen, die homosexuell leben und sich dazu bekennen, oder die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, was die Ämter in der Kirche betrifft. Was antworten Sie Kritikern, die vielleicht gerade das Gefühl haben, sie können eben nicht am Ball bleiben?
Kaesberg: Da würde ich in diesen Beispielen eine klare Unterscheidung machen. Als erstes, im Bezug auf den Missbrauch, bin ich natürlich genauso schockiert und wütend wie alle anderen auch. Diese Zweifel kann ich dann natürlich verstehen. Ich ärgere mich auch, dass die Aufarbeitung nicht vorangeht und dass man auch heute oft das Gefühl hat, bei den Bischöfen wird zwar jetzt gesagt, wir müssen es aus der Vergangenheit aufarbeiten. Aber was ist denn mit aktuellen Fällen? Und was ist denn mit der persönlichen Übernahme der Verantwortung? Wobei auch sicher schon was gemacht wird in der Priesterausbildung mit der Prävention. Diese Schulungen, die wir da gemacht haben, die jetzt sehr viele machen im Bereich der Kirche. Das ist ein Beispiel für bereits vorhandene Schritte, die in eine gute Richtung gehen.
Bei den anderen kirchenpolitischen Themen bin ich jedoch eher im Zweifel, weil ich ehrlich gesagt nicht glaube, dass das Dinge sind, die entscheidend sind. Wenn ich an Freunde denke, die nicht gläubig sind. Die würden ja nicht auf einmal sonntags in die Kirche kommen oder sagen "Jetzt glaube ich an Gott", wenn ich auf einmal heiraten dürfte oder wenn jetzt eine Frau am Altar stehen würde. Ich weiß ja auch, worauf ich mich eingelassen habe als Priester und ich weiß, wofür die Kirche steht. Ich kann mir das anschauen und wenn man dann andere Angebote sieht, kann man sich frei entscheiden. Ich kann ein Beispiel nennen. Als ich meine Priesterberufung gespürt habe, bin ich zum Studium nach Jerusalem und habe gedacht: So, jetzt stellst du das noch mal wirklich auf die Probe, stellst das alles in den Wind. Da leben dann Jungs und Mädels als Studis zusammen unter einem Dach. Man studiert über den Islam, über das Judentum, es ist ein ökumenisches Programm, man lernt die anderen Konfessionen kennen.
Und ich dachte: Ja, wer weiß, wenn ich nachher das alles hinter mir habe, bin ich dann noch Christ oder bin ich dann bei einer anderen Konfession? Keine Ahnung. Aber ich habe ja die freie Entscheidung. Ich habe mich damals so entschieden und das würde ich heute immer noch tun, bei allem, was es da an Herausforderungen gibt. Das würde ich allen Leuten sagen: Wir sind in einem freien Land – zum Glück – und man kann sich entscheiden. Aber ich glaube, dass wir einen großen Fehler machen als Kirche, wenn wir immer nur selber rausstellen, was bei uns schlecht ist und uns selber schlecht machen. Wie soll das attraktiv sein und Ausstrahlung haben auf Menschen, die außen stehen und vielleicht irgendwie Gott suchen und dann mitkriegen, dass wir immer nur über uns selbst diskutieren?
Also ich kann die Zweifel an dem "Verein" Kirche, könnten wir sagen, gut verstehen und die teile ich auch in einigen Bereichen. Aber letztlich ist der entscheidende Punkt, dass es um diesen Jesus geht, dass die Rede vom Verein eigentlich falsch ist. Und wenn, dann müssten wir sagen: Es ist der Verein dieses Jesus und es geht um Jesus. Der ist und bleibt einfach unglaublich faszinierend. Das ist das, worum wir als Kirche unser Angebot aufstellen sollten. Dann bin ich sicher, dass das auch in Zukunft attraktiv sein wird für die Menschen, wenn auch natürlich nicht in einer großen Zahl, wie das früher – wenn überhaupt – mal gewesen ist.
„Wenn Leute mich fragen: Warum bist du Priester geworden? Oder: Wieso wolltest du Priester werden? Dann sage ich immer: Ich wollte das nicht.“
Frage: Wenn ich so persönlich werden darf: Sie haben von "diesem Jesus" gesprochen. Wie sind Sie denn dann vom Fußballberuf zum Priester gekommen?
Kaesberg: Das war ein sehr langer Weg. Ich habe mich lange dagegen gewehrt. Wenn Leute mich fragen: Warum bist du Priester geworden? Oder: Wieso wolltest du Priester werden? Dann sage ich immer: Ich wollte das nicht. Ich wollte es ganz bestimmt nicht! Mein Plan war immer, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Und ich habe dann irgendwann den "Fehler" gemacht, dass ich einmal das Vater Unser ernsthaft gebetet und gemeint habe in einem Moment, wo ich 22 war. Da ging mir plötzlich durch den Kopf: Was bedeutet denn eigentlich dieses "Dein Wille geschehe"? Hast du das jemals ernsthaft gebetet? Und mir war sehr schnell klar: Eigentlich nicht, weil ich organisiere und plane mein ganzes Leben selbst. Meinen Tag, meine Woche, das, wo ich hin will. Und dann habe ich in diesem Moment gespürt: Das ist jetzt hier ziemlich heikel. Und ich habe so ein "gefährliches" Gebet gebetet, nämlich einfach zum Herrn zu sagen: Okay, dann bete ich das jetzt mal wirklich vom Herzen her – "Dein Wille geschehe". Und dann musst du mir aber auch zeigen, was das für mein Leben bedeutet.
Ab da ging es dann – ganz langsam und schrittweise, aber im Rückblick dann erkennbar – alles in eine andere Richtung. Es waren viele Bausteine und ich habe mich insgesamt drei Jahre lang gewehrt, bis ich dann erkannt habe: Das bringt nicht viel. Also natürlich habe ich immer noch die Freiheit. "Gott ist die Liebe," heißt es im ersten Johannesbrief. Und Liebe hat immer mit Freiheit zu tun. Man kann keinen Menschen zwingen, einen anderen zu lieben. Ich kann niemanden zwingen, mich zu lieben. Bei Gott ist es genauso. Er lässt uns unsere Freiheit. Aber ich habe dann sehr deutlich gespürt: Wenn ich das jetzt nicht mache, was ich als seinen Plan erkannt habe, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass ich in 20 bis 30 Jahren zurückschaue und mir denke: Mist, damals hattest du doch eigentlich verstanden, was der Plan Gottes war und hast es nicht gemacht. Und dann habe ich das Gefühl gehabt, damit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich nachher nicht sehr glücklich dastehe. Dann konnte ich das irgendwann annehmen und diesen Weg gehen.
Frage: Da klingt sehr viel Optimismus mit. Was gibt Ihnen Hoffnung?
Kaesberg: Hoffnung gibt mir einfach das Evangelium selber und dass es zu keiner Zeit einfach war. Meine Generation ist, glaube ich, sehr privilegiert, weil wir in einer Zeit aufgewachsen sind, mehrere Jahrzehnte, wo es immer nur mehr wird, größer wird und vorangeht, es irgendwie ein Wachstum gibt und man sich keine Sorgen machen muss. Wenn man auf die Geschichte sieht, war das in den seltensten Fällen so. Jetzt erleben wir zum ersten Mal so eine Krisenzeit.
Hoffnung gibt mir einfach das, was im Evangelium steht, dass der Herr dabei ist und dass ich nicht alleine bin. Dieses schöne Wort: Wer glaubt, ist nie allein. Es sind immer andere da, die auch mit Jesus unterwegs sind. Das ist das, was Kirche ja letztlich bedeutet, dass wir nicht für uns diesen Weg gehen, sondern immer zusammen. Und dass auch Jesus selbst da ist und ich in zweifacher Weise deswegen nie alleine bin.
Deswegen bin ich immer voller Hoffnung. Ich weiß auch, dass es schwierige Zeiten geben wird. Die gibt es für alle Menschen, auch für die, die mit Gott durchs Leben gehen. Wenn man gläubig ist, heißt das nicht, dass alles einfach wird. Das zu wissen, ist auch wichtig. Aber dass man in eine Situation kommt, wo es gar keine Hoffnung mehr gibt, glaube ich, kann einem kaum passieren, wenn man mit dem Evangelium im Herzen durchs Leben geht.