Medienschelte von Notker Wolf: Alle schießen auf Benedikt XVI.
Der ehemalige Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf kritisiert die Medien angesichts ihrer Berichterstattung über Missbrauch in der Kirche. Im Interview mit dem Portal "kath.ch" (Dienstag) bezeichnete der Mönch es als "Verblendung", dass keiner mehr darüber rede, was in der Kirche alles Gutes geschehe. "Natürlich, das was vorgefallen ist, ist schlimm. Ich hoffe aber, dass es bald vorbei ist und nicht mehr rumgestochert wird", so Wolf. Besonders störe ihn der Umgang mit dem emeritierten Papst: "Alle schiessen auf Papst Benedikt XVI. Es heisst immer, man kümmert sich nicht um die Opfer, sondern nur um die Täter. Jetzt zeigt wieder die ganze Medienschar auf Benedikt als angeblichen Täter. Die Opfer spielen wieder keine Rolle", beklagt der Ordensmann.
Seine Kritik stelle keine Verharmlosung von Missbrauch dar, betonte Wolf. Natürlich sei er auch dafür, dass Täter verurteilt werden: "Aber man sollte auch auf die Opfer Rücksicht nehmen. Denn diese stehen nicht im Blickfeld. Alles konzentriert sich auf die Täter. Doch was ist mit den Opfern?", fragt der Mönch. "Die Sachen der 1970er-Jahre" solle man nicht vom heutigen Standpunkt aus beurteilen, da Missbrauch damals "keiner so ernst genommen" habe. Auch das Vorgehen Ratzingers müsse man "aus der Zeit heraus" sehen: "In den 70er-Jahren wollten in Deutschland die Grünen Pädophilie legalisieren", so Wolf über die 1980 gegründete Partei.
"Selig seid ihr, wenn ihr verleugnet werdet"
Oft werde in der Kirche Vergebung vergessen. "Wenn ich von Vergebung spreche, ist das keine Bagatellisierung. Ohne Verzeihen kommt man nicht weiter", führte Wolf aus. Doch die Leute wollten nicht verzeihen. "Als die ersten Anklagen hochkamen, als die Kirche beworfen wurde, zuckte die Deutsche Bischofskonferenz zusammen. Ich habe mich damals gefragt, ob die Bischöfe denn nicht die Bibel kennen. Denn dort steht: Selig seid ihr, wenn ihr verleugnet werdet und euch Schlechtes nachgesagt wird."
Der Benediktinerpater Notker Wolf war von 2000 bis 2016 als Abtprimas der Benediktinischen Konföderation der höchste Repräsentant seines Ordens. Nach seiner Emeritierung lebt der 81-jährige wieder in der Erzabtei Sankt Ottilien im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech, der er ab 1977 bis zu seiner Wahl zum Abtprimas als Erzabt vorstand. (fxn)