Laien-Beteiligung an Bischofswahl: Warten statt schneller Reform
"Sie müssen nicht warten, bis die letzte Synodalversammlung getagt hat. Sie müssen auf nichts, Sie müssen auf niemanden warten", warb Rechtswissenschaftlerin Charlotte Kreuter-Kirchhof bei der Vorstellung des Handlungstextes zur Bischofsbestellung bei der dritten Synodalversammlung Anfang Februar in Frankfurt am Main. Und tatsächlich fand der Text in zweiter Lesung die Zustimmung von 88 Prozent aller Synodalen und sogar fast 80 Prozent der Bischöfe. "Jetzt ist höchste Zeit für Veränderungen. Jetzt ist Zeit für mehr Synodalität in unserer Kirche", hatte Kreuter-Kirchhof zuvor eindringlich appelliert.
Die Synodalen hatten dafür votiert, dass sich die Domkapitel der deutschen Diözesen selbst dazu verpflichten, bei der Bestellung von Bischöfen stärker auf die Beteiligung von Laien zu setzen. Konkret bedeutet das die Zusammenarbeit der Domkapitel mit entsprechenden Laiengremien, die erst noch gegründet werden müssen. Diese diözesanen Räte sollen genauso viele Mitglieder wie die Domkapitel haben und "möglichst geschlechter- und generationengerecht" besetzt sein, wie es im beschlossenen Handlungstext heißt. Gemeinsam mit dem Domkapitel soll dieses Laiengremium die Liste geeigneter Kandidaten festlegen, die dem Apostolischen Stuhl vor der Bischofsbestellung zugesandt wird. In Diözesen, in denen das Domkapitel den Bischof aus einer Dreierliste des Vatikan wählt, soll das entsprechende Mitwirkungsgremium angehört werden. Es kann auch eine Wahlempfehlung aussprechen – muss sich jedoch an das in diesen Fällen geltende päpstliche Geheimnis halten.
Unklarheit, wer Musterordnung erarbeitet
Zwei Monate nach diesem Beschluss scheint es bei der Umsetzung allerdings keine Eile zu geben – ganz entgegen der Ankündigung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing. Der Limburger Oberhirte hatte bei der Pressekonferenz unmittelbar nach dem Ende der dritten Synodalversammlung mitgeteilt, sich beim Domkapitel seiner Diözese für eine umgehende Anwendung starkzumachen. "Das Synodalpräsidium hat in seiner Sitzung am 8. Februar 2022 entschieden, dass mit der Umsetzung der Beschlüsse sukzessive begonnen wird", heißt es recht vage im Pressebericht des DBK-Vorsitzenden nach der Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe in Vierzehnheiligen vor knapp drei Wochen. Konkretes zum Beschluss bezüglich der Bischofsernennungen ist dort nicht zu finden.
Zudem schien nach der Synodalversammlung im Februar zunächst nicht klar geregelt gewesen zu sein, wer die im Handlungstext geforderte Musterordnung erarbeiten soll. Einige Bistümer gingen davon aus, dies selbst tun zu müssen, andere warteten auf eine Vorlage der Bischofskonferenz. Nun scheint klar zu sein, dass sich die Rechtsabteilung der DBK darum kümmert: "In den nächsten Monaten wird daran gearbeitet. Eine Zeitperspektive können wir im Moment nicht nennen", sagte eine DBK-Sprecherin auf Anfrage. Viele Bistümer wollen diese Mustervorlage nun zunächst abwarten, bevor sie weitere Schritte gehen. So teilten etwa das Bistum Rottenburg-Stuttgart, das Erzbistum Freiburg und das Bistum Osnabrück mit, auf die Musterordnung zu warten – auch aus "Respekt gegenüber den Beratungen im Synodalen Weg", so der Rottenburg-Stuttgarter Domdekan Clemens Stroppel.
Im Erzbistum Bamberg hat man ebenfalls keine Eile bei der Umsetzung des Beschlusses. Da es um "die Vorschlagslisten, die bei der Vakanz des Erzbischöflichen Stuhls zu erstellen sind", gehe, habe man im Bamberg noch mindestens zwei Jahre Zeit, sich Gedanken um die Anwendung der Entscheidung zu machen. Denn dann erst wird Erzbischof Ludwig Schick 75 Jahre alt und muss laut Kirchenrecht dem Papst seinen Amtsverzicht anbieten. "Bis dahin wird das Domkapitel eine Antwort geben können", heißt es aus der fränkischen Erzdiözese. Mit Blick auf die deutschen Bistümer herrscht grundsätzlich ein unterschiedlich großer Handlungsdruck: Während neben Bamberg beispielsweise in Rottenburg-Stuttgart, Paderborn oder Osnabrück schon allein altersbedingt Bischofswahlen in den kommenden Jahren anstehen dürften, hat etwa die nächste reguläre Entscheidung über einen neuen Oberhirten im Erzbistum Freiburg noch ganze 15 Jahre und im Bistum Fulda sogar 25 Jahre Zeit.
Als einzige Diözese hat das Erzbistum Paderborn öffentlich bereits einen konkreten Schritt hin zur Umsetzung angekündigt: Dort soll im Sommer eine Arbeitsgruppe "die mögliche konkrete Umsetzung beraten und einen Vorschlag für eine Regelung erstellen", hieß es in einer Pressemitteilung im Februar. Gleichzeitig lobte der dortige Domprobst Joachim Göbel die Handlungsempfehlung als einen "guten Weg" für die Mitwirkung des diözesanen Gottesvolks an der Bischofsbestellung. "Dies kann die Anerkennung und Akzeptanz eines künftigen Bischofs erhöhen".
Große Zustimmung – mit Ausnahmen
Insgesamt scheint die Zustimmung zum Beschluss des Synodalen Wegs bei vielen Domkapitel groß zu sein. So teilte das Bistum Limburg auf Anfrage mit, dass das dortige Gremium die Entscheidung "freudig wahrgenommen" habe. Das Domkapitel werde "zeitnah über die Dinge beraten und sich intensiv damit beschäftigen". Im Bistum Regensburg sieht man die Entscheidung der Synodalversammlung hingegen etwas nüchterner: Das Domkapitel gehe bei der Wahl eines Bischofs entsprechend der Maßgaben des Apostolischen Stuhls vor, wie sie unter anderem im Kirchenrecht festgelegt seien. Daher verweist die Diözese bei diesen Fragen grundsätzlich an die Nuntiatur des Heiligen Vaters in Berlin.
Auch der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Sven Anuth wundert sich darüber, dass die Entscheidung der Synodalversammlung als erstes konkretes Reformvorhaben präsentiert worden sei: "Hier wird eine Bitte an die Domkapitel beschlossen, sich selbst zu verpflichten. Schwächer und weniger verbindlich geht es kaum." Die Domkapitel würden zudem darum gebeten, über die Frage der Bischofsbestellungen mit Dritten zu sprechen – etwas, das sie kirchenrechtlich gar nicht dürften. "Für die Mitglieder des mitbestimmenden Gremiums gelten die gleichen Geheimhaltungsvorschriften wie für die Mitglieder des Domkapitels. Das gilt insbesondere für das päpstliche Geheimnis", heißt es dazu im Handlungstext.
Mehr Laienmitsprache bei Bischofsbesetzungen – (wie) geht das?
Geht es nach der Mehrheit beim Synodalen Weg, sollen die Laien in Deutschland künftig bei der Besetzung von Bischofstühlen mitwirken. Die vom Macht-Forum ausgearbeiteten Vorschläge befinden sich alle im rechtlich möglichen Rahmen. Doch wie effektiv sind sie tatsächlich?
Diese Ausweitung des päpstlichen Geheimnisses für die Domkapitulare sei aber gar nicht möglich, erklärt Anuth. "Dafür bräuchte es eine vorherige Dispens des Apostolischen Stuhls, um sich auch mit anderen beraten zu dürfen", so der Kirchenrechtler. "Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich, dass eine solche Dispens erteilt wird." Der Vatikan habe in der Vergangenheit erkennen lassen, dass er die Beteiligung Dritter oder von Laiengremien an der Bischofsbestellung ausdrücklich nicht wünsche.
Bei der Besetzung von Bischofsstühlen gelten in Deutschland die Bestimmungen der jeweiligen Konkordate, also vertraglich festgelegter Vereinbarungen über das Verhältnis von Kirche und Staat, die teilweise noch aus den 1920er-Jahren stammen. Nach dem Bayerischen Konkordat hat etwa jeder Bischof und jedes Domkapitel der bayerischen Diözesen alle drei Jahre dem Heiligen Stuhl eine Liste von geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt vorzulegen. Bei Vakanz eines Bischofsstuhls legt das Domkapitel dem Heiligen Stuhl noch einmal eine eigene Kandidatenliste vor. Aus all diesen Kandidatenlisten wählt der Papst den aus, den er zum Bischof ernennt.
Wahlrecht der Domkapitel weltkirchlicher Ausnahmefall
Auch das Badische und das Preußische Konkordat bestimmen, dass die Bischöfe und Domkapitel dem Heiligen Stuhl Listen geeigneter Kandidaten für das Bischofsamt vorlegen – räumen aber noch mehr Mitsprache der Domkapitel ein. Der Heilige Stuhl nennt "unter Würdigung" der Vorschläge dem Domkapitel drei Kandidaten, aus denen diese dann in freier und geheimer Abstimmung den Bischof wählen.
Das im Badischen, im Preußischen und im Reichskonkordat zugesicherte Wahlrecht der Domkapitel sei weltkirchlich gesehen ein Ausnahmefall, sagt Kirchenrechtler Anuth. "Der Regelfall ist: Der Papst ernennt die Bischöfe frei." In der Vergangenheit habe der Vatikan frühere Zugeständnisse und Wahlrechte tendenziell eher wieder einzuschränken versucht. "Insofern weckt der Handlungstext hier Erwartungen, die universalkirchlich wenig realistisch sind und schiebt damit den Schwarzen Peter zugleich den Domkapiteln zu", sagt der Kirchenrechtler. Wenn diese sich ans Kirchenrecht hielten, dürften sie den Handlungstext nicht umsetzen, zögen damit aber die Kritik der Laien auf sich, oder müssten das Kirchenrecht brechen und damit eine Beanstandung aus Rom riskieren. Eine Lösung dieses Dilemmas von der noch zu erstellenden Musterordnung mit den Mindestkriterien des Handlungstextes zu erwarten, ist aus Anuths Sicht "kirchenrechtlich naiv".
Wesentlich positiver bewertet hingegen die Regensburger Kanonistin Sabine Demel die kirchenrechtliche Situation. "Das päpstliche Geheimnis wird nicht verletzt, wenn der Beschluss der Synodalversammlung umgesetzt wird", sagt Demel, die selbst Mitglied des synodalen Macht-Forums ist, das für die Erarbeitung der entsprechenden Beschlussvorlage zuständig war. Es werde leidglich "erweitert", was kein kirchenrechtliches Problem darstelle. "Schon jetzt werden Laien vor einer Bischofsernennung befragt und dann gilt das päpstliche Geheimnis eben auch für diese Personen."
Tatsächlich sieht das Kirchenrecht, dass der Apostolische Nuntius unter anderem auch die Mitglieder des Domkapitels anhört, bevor eine Liste mit möglichen Bischofskandidaten nach Rom geschickt wird. Das Gremium wisse also, dass dieser Besuch irgendwann stattfinden werde, sagt Kirchenrechtler Anuth. "Im Vorfeld mit einem Laiengremium zu sprechen und sich Anregungen oder Rat zu holen, welche Namen man dem Nuntius dann nennen könnte, ist dem Domkapitel kirchenrechtlich unbenommen." Diese Form der Mitbestimmung von Laien bei der Bischofsbestellung wird in vielen Diözesen bereits erprobt. Im Erzbistum Freiburg seien vor der Wahl von Erzbischof Stephan Burger unter anderem alle Mitglieder des Diözesanrats und des Pastoralrats um Voten gebeten worden, so der Sprecher. Im Vorfeld der Wahl von Bischof Gebhard Fürst im Bistum Rottenburg-Stuttgart haben laut Domdekan Clemens Stroppel Domkapitel, Priesterrat und Diözesanrat Kandidatenlisten erstellt. Auch in Osnabrück wurden laut Domdechant Weihbischof Johannes Wübbe bei vorherigen Bischofsernennungen die Gremien angehört.
Wird der Vatikan stärkere Laienbeteiligung gutheißen?
Insgesamt befinde sich die Kirche momentan in einer Zeit der Veränderung, weshalb es mehr als angebracht sei, "in Rom mutige Anfragen zu stellen", fasst Demel zusammen. Sie hält es deshalb nicht für ausgeschlossen, dass der Vatikan eine stärkere Beteiligung von Laien bei der Bestellung von Bischöfen akzeptiert – und vielleicht sogar gutheißt.
Die teilweise vorhandenen Vorbehalte gegen eine umfassendere Beteiligung von Laien an der Bischofsauswahl führt Demel auf die Verschärfung des kirchlichen Strafrechts im vergangenen Jahr zurück. In einigen Ordinariaten gebe es angesichts der Umsetzung des synodalen Beschlusses "vereinzelt Angst" vor dem Straftatbestand, der durch den Bruch des päpstlichen Geheimnisses erfüllt wird. "Um die kirchenrechtlichen Befürchtungen zu nehmen, ist es wichtig, dass die Bischofskonferenz eine Musterordnung für alle Domkapitel erstellt." Die Unklarheiten bei der Geschwindigkeit und der Praxis der Umsetzung könnten laut der Kanonistin darin begründet sein, dass dem Synodalpräsidium nicht klar gewesen sei, "was mit dem Beschluss wirklich auf sie zukommt". Angesichts der vielen Unklarheiten hinsichtlich der konkreten Umsetzung einer Beteiligung von Laien an der Bischofsbestellung geht es den meisten Katholiken in Deutschland aktuell wohl nicht anders.