Viele Menschen teilen sich Werkzeuge, Autos und sogar Dienstleistungen

Teilen statt Besitzen

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:56 Uhr – Von Margret Nußbaum – Lesedauer: 
Dossier: Einfach leben

Auto, Wohnung, Rasenmäher, Bohrmaschine: Immer mehr Menschen teilen Gebrauchsgüter mit anderen. Sharing Economy lautet der Fachbegriff. Zusammen kommen Interessenten über das Internet. Gemeinsames Nutzen von Produkten und Dienstleistungen, Tauschen oder Kaufen aus zweiter Hand: Ein neuer Trend, der weltweit immer mehr Anhänger findet.

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Nach wie vor sind die Deutschen in Kauflaune; dies berichtete erst kürzlich wieder das Marktforschungsunternehmen GfK. Das zeigt sich auch in deutschen Haushalten: Schränke und Regale sind voll. Viele stehen vor einem Kleiderschrank, der aus allen Nähten platzt, vor dem Küchenschrank mit den kaum benutzten Haushaltsgeräten, vor den Bücherregalen, die unter ihrer Last fast zusammenbrechen. Manche ziehen die Reißleine, weil ihnen bewusst wird, wie belastend all diese Dinge sein können. Minimalisten werden Menschen genannt, die ein einfaches Leben anstreben – ohne überflüssige Habe. Sie beschränken sich aufs Nötigste, schwimmen bewusst gegen den Strom, wehren sich gegen Statusdenken und gesellschaftliche Normen.

Aufs Tablet oder Smartphone verzichten die Minimalisten aber eher selten. Sie brauchen den Zugang zur digitalen Welt – zum Lesen, Musikhören, Tauschen und Mieten. Sie besitzen kein Auto, sind aber Mitglieder bei Carsharing-Anbietern. Sie tauschen oder verleihen Küchengeräte, Fahrräder, Bücher, Abendkleidung, weil sie es leid sind, immer noch mehr Dinge anzuhäufen und billig zu konsumieren.

Teilen schont Ressourcen

Leihen, Tauschen und Mieten statt Besitzen: eine Entscheidung, die auch dazu beiträgt, Ressourcen zu schonen. Dies macht eine Studie deutlich, die vom Wuppertaler Institut für Energie, Klima, Umwelt im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) durchgeführt wurde. Tauschplattformen ermöglichen es, schnell und unkompliziert jemanden zu finden, der hat, was man selber braucht. Die Grundidee dahinter ist dabei gar nicht so neu. Wohngemeinschaften, Bibliotheken, Mehrwegprodukte, Genossenschaften - sie gibt es schon lange.

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Video: © Diözese Rottenburg-Stuttgart

Das Mode-Label "Busy Bees" vereint Nachhaltigkeit und Kreativität.

Viele teilen sich ein Auto

Hinter den gemeinschaftlichen Nutzungsformen und den neuen Tauschbörsen im Internet steckt die gleiche Idee: Nutzen statt Besitzen und damit den Ressourcenverbrauch senken. Der NABU macht dies am Beispiel einer Bohrmaschine deutlich: Sie wird im Durchschnitt 45 Stunden während ihrer Lebenszeit genutzt, könnte aber problemlos 300 Stunden eingesetzt werden.

Das Internet-Auktionshaus Ebay kennt wohl mittlerweile fast jeder. Seit 19 Jahren kann dort Gebrauchtes verkauft und ersteigert werden. Mittlerweile hat der Gigant jedoch Konkurrenz bekommen. In den letzten Jahren kommen immer mehr Tausch- und Leihbörsen dazu. Vor allem das Carsharing boomt. Laut Bundesverband Carsharing gibt es in unserem Land 757.000 Autofahrer, die sich lieber einen Wagen leihen als für einen eigenen tief in die Tasche zu greifen. Das klassische Carsharing, also das Teilen eines Autos, kann zurzeit in 380 deutschen Städten genutzt werden. Die Nachfrage ist so groß, dass mehrere Anbieter beginnen, ihre Dienste zu vernetzen.

Tauschen und Leihen sind junge Formen des Konsums. Sie setzen Internet-und Smartphone-Affinität voraus. Kein Wunder, dass ältere Menschen die neuen Konzepte eher kritisch beurteilen. Dies bestätigt auch eine repräsentative Studie, die Harald Heinrichs, Professor für Nachhaltigkeit und Politik an der Leuphana Universität Lüneburg, im Jahr 2012 im Auftrag von "Airbnb", einer Plattform für private Unterkünfte gegen Bezahlung, durchführte. Mehr als die Hälfte der Befragten hatte schon einmal Erfahrungen mit Tausch- und Verleihbörsen gemacht – darunter vor allem 14- bis 39-Jährige.

Hilfe gegen Hilfe

"Die jüngere Generation hat die Vorteile der Ökonomie des Teilens wiederentdeckt, und belebt sie dank Internettechnologie neu", kommentiert Professor Harald Heinrichs den neuen Trend. Die Lüneburger Universität unterhält darüber hinaus einen eigenen Second-Hand-Laden. Die "Zwiebel" hat Vorbildcharakter: Jeder kann mitnehmen, was er braucht und hinbringen, was er nicht mehr benötigt – von Schuhen und Kleidung über Porzellan und Haushaltsgeräten bis zu Büchern. Viele Studenten setzen das gesparte Geld in Bio-Lebensmitteln um. Eine sinnvolle Investition. Denn: "Wie dieses eingesparte Geld investiert wird, ist entscheidend für die Frage nach dem ökologischen Effekt der Sharing Economy", sagt Professor Harald Heinrichs. "Bei einem Flug nach Mallorca ist der Nutzen natürlich dahin."

Doch nicht nur über Internetportale können Konsumenten Produkte ausleihen oder tauschen. In vielen Städten finden sich mittlerweile Second-Hand-Läden oder Leih-Läden, in denen Fahrräder, Werkzeug, Geschirr, Gartengeräte oder Spielzeug eingetauscht werden können. Oft gibt es aber eine Bedingung: Wer leiht, muss selber etwas aus seinem Fundus beisteuern, das er nicht ständig braucht. Das Konzept geht auf – ebenso das von Tauschbörsen, die Hilfe gegen Hilfe organisieren. Jemand bekommt Unterstützung beim Montieren einer Lampe und spendiert dafür einen selbst gebackenen Apfelkuchen. Den Hund Gassi führen, bügeln, putzen, einkaufen, Rasen mähen: kostenlos, aber mit entsprechender Gegenleistung. Sogar Essen kann geteilt werden: Im Internet haben sich bereits Gleichgesinnte organisiert und mit Händlern und Produzenten vernetzt, um deren überschüssige Lebensmittel abzuholen.

Von Margret Nußbaum