Aus Treffen könne man für vielfältige Entscheidungsprozesse lernen

Theologe: Synodalversammlung war Musterbeispiel von Streitkultur

Veröffentlicht am 15.09.2022 um 11:46 Uhr – Lesedauer: 

Zürich ‐ Auf der zurückliegenden Vollversammlung des Synodalen Wegs gab es Proteste, aber auch ausgiebige Diskussionen. Insgesamt sei das ein "Musterbeispiel für Konfliktbewältigung", sagt der Theologe und Psychologe Tobias Heisig – und nennt Gründe.

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Der Theologe und Psychologe Tobias Heisig hat die vierte Vollversammlung des Synodalen Wegs als ein "Musterbeispiel für Konfliktbewältigung" bezeichnet. "Die Versammlung stellt über weite Strecken ein Musterbeispiel integrer und erfolgsorientierter Streitkultur dar", schreibt Heisig in einem Gastbeitrag für das Portal "kath.ch" am Donnerstag. Aus der Versammlung könne man für Entscheidungsprozesse im Privaten, Ehrenamt, Unternehmen bis hin zur Politik lernen.

Als besonders hilfreich benennt Heisig die "professionellen Interventionen" vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dem Limburger Bischof Georg Bätzing, sowie von der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, die beide Präsidenten des Synodalen Wegs sind. Sie hätten persönlicher Betroffenheit Ausdruck verliehen ohne in Weinerlichkeit zu verfallen. "Es wurde die Realität beschrieben und klar Position bezogen", dabei jedoch die Gegenseite nicht abgewertet. "Letztlich wirkte das Ganze stabilisierend und integrativ."

"Robust im Sinne großer Entschiedenheit"

Auch die Mehrheit der Synodalen sei "robust im Sinne großer Entschiedenheit und sichtbarer Klarheit" gewesen, so Heisig. Er benennt hier unter anderem die Äußerungen des Bochumer Neutestamentlers Thomas Söding, die die Diskussion versachlicht hätten. Dagegen seien von Selbstmitleid und Vorwürfen geprägte Äußerungen als "lächerlich entlarvt" worden. Heisig führt hier etwa die Aussage eines Bischofs als Beispiel an: "Ich habe die Arbeit im Vorfeld sehr emotional erlebt und fühle mich nicht in der Lage zu argumentieren."

Es habe impulsive Äußerungen mit Abwertungen und Vorwürfen gegeben, diese Tonalität sei jedoch glücklicherweise "von den Synodalen nicht fortgeführt" worden. Überzeugung gelinge nur, "wenn die andere Seite bereit ist, sich selbst zu überzeugen". Diese Bereitschaft scheine nicht bei allen gegeben zu sein. Es sei versäumt worden, diese Offenheit im Vorfeld bei allen einzufordern. "Wenn sich einzelne – noch dazu aus der kritischen Minderheit – im Vorfeld der Versammlung bei den Foren, Hearings und Sitzungen nicht beteiligt haben, hätte das ein Warnsignal sein müssen." Solche Verzögerungstaktiken müssten "nicht nur benannt, sondern auch konfrontativ gestoppt" werden.

Er betont: "Das Einüben von Synodalität ist höchst anspruchsvoll", denn inhaltliche Komplexität komme mit emotionaler Komplexität zusammen. Das erschwere es, eigene Impulse zu kontrollieren und die Gesamtsituation gut wahrzunehmen. Dies sei jedoch "insgesamt gut gelungen". Grundlegend für den Erfolg sei gewesen, dass die allermeisten Teilnehmenden ein gemeinsames Problem gesehen hätten. (cph)