Debatte um Laienbeteiligung auf Grundlage des Reformprozesses

Bamberger Bischofswahl: Ist Beschluss des Synodalen Wegs umsetzbar?

Veröffentlicht am 13.11.2022 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Bamberg ‐ Gut eineinhalb Wochen ist es her, dass der Rücktritt von Erzbischof Ludwig Schick verkündet wurde. Inzwischen wird darüber diskutiert, wie Laien bei der Ernennung eines Nachfolgers beteiligt werden können. Denn einfach umzusetzen ist der Beschluss des Synodalen Wegs nicht. Doch es gibt Ideen.

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Auch wenn Ludwig Schick zuletzt immer wieder über Amtszeitbegrenzungen für Bischöfe gesprochen hatte, kam die Annahme seines Rücktrittsgesuchs mit 73 Jahren – und damit zwei Jahre vor der vorgeschriebenen bischöflichen Altersgrenze – als Bamberger Erzbischof doch unerwartet. Für sein Erzbistum bedeutet der Rücktritt, dass nun ein Nachfolger für Schick gefunden werden muss, der – so formulierte er es in einem persönlichen Schreiben an die Gläubigen – "mindestens die nächsten zehn Jahre die Erzdiözese leiten kann". Bereits kurz nach dem Rücktritt hat die Debatte begonnen, inwiefern auch Laien bei der Besetzung des Bamberger Bischofsstuhls mitwirken dürfen. Erst im Februar räumte der Synodale Weg den Laien mehr Mitspracherecht bei der Bischofswahl ein. Rund 88 Prozent der Synodalversammlung und sogar knapp 80 Prozent der Bischöfe stimmten für den Handlungstext "Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs".

Das dreiseitige Schreiben sieht vor, dass der – noch zu etablierende – Synodale Rat des Bistums ein geschlechter- und generationengerechtes Wahlgremium zusammenstellt, das "so viele Mitglieder hat wie das Domkapitel und dieses bei der Wahrnehmung seiner Rechte im Prozess der Bischofsbestellung unterstützt". Konkret heißt das, dass dieses Gremium gemeinsam mit dem Domkapitel die Liste geeigneter Kandidaten zusammenstellen soll, die das Domkapitel dem Apostolischen Stuhl zusendet. Eine solche Mitwirkung des diözesanen Gottesvolkes sei unter "der derzeitigen kirchlichen und konkordatären Rechtslage" möglich – mithilfe einer freiwilligen Selbstbindung des Domkapitels.

Die Umsetzung dieses Beschlusses des Synodalen Wegs ist in Bamberg allerdings nicht vorgesehen: "Aufgrund der momentan bestehenden Rechtslage in den Diözesen, die dem Bayerischen Konkordat unterliegen, sieht das Domkapitel leider keine Möglichkeit, bei der Erstellung der Listen den Beschluss des Handlungstextes (des Synodalen Wegs) 'Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs' umzusetzen", teilte das Erzbistum Bamberg in der vergangenen Woche auf Anfrage von katholisch.de mit. Grundsätzlich befürworte man aber die Beteiligung weiterer Gläubiger aus dem Priester- oder dem Diözesanrat. Daher wolle das Domkapitel zeitnah auf den Diözesanrat zugehen und weitere Schritte ausloten. Aber auch der Vorsitzende des Bamberger Diözesanrats, Günter Heß, sieht nach eigener Einschätzung keine Möglichkeit, für eine Laienbeteiligung bei der Bischofsbestellung: "Man muss realistisch sein und sehen, dass das Bayerische Konkordat Laienbeteiligung mehr oder weniger ausschließt."

In Bayern hat der Heilige Stuhl "volle Freiheit"

Dieses Bayerische Konkordat, ein völkerrechtlicher Vertrag über das Verhältnis von katholischer Kirche und dem damaligen Staat Bayern aus dem Jahr 1924, regelt bis heute die Besetzung der Bischofsstühle in den bayerischen Diözesen (und dem Bistum Speyer) und somit auch im Erzbistum Bamberg. Das Konkordat sieht vor, dass die bayerischen Bischöfe und Domkapitel dem Heiligen Stuhl alle drei Jahre eine Liste mit geeigneten Kandidaten für das Bischofsamt vorlegen. Bei der Vakanz eines Bischofsstuhls erarbeitet das betreffende Domkapitel eine weitere Liste geeigneter Kandidaten, die es an den Heiligen Stuhl weiterleitet. Anders als bei anderen Konkordaten ernennt der Papst aus all diesen Listen einen Kandidaten zum (Erz-)Bischof. "In der Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe hat der Hl. Stuhl volle Freiheit", heißt es im Konkordat.

Damit unterscheidet sich das Verfahren beispielsweise von der Bischofswahl in Paderborn, die nach dem Rücktritt von Erzbischof Hans-Josef Becker ansteht. Dort gilt das Preußische Konkordat aus dem Jahr 1929. Auch hier schicken im Falle einer Sedisvakanz das jeweilige Domkapitel und weitere Diözesanbischöfe jeweils eine Liste mit geeigneten Kandidaten an den Heiligen Stuhl. Dieser würdigt die Liste – was nicht heißt, dass er sich auch an die vorgelegten Vorschläge hält – und schickt dem Domkapitel eine Liste mit drei Kandidaten zu, die sogenannte Terna. Aus dieser wählt das Domkapitel "in freier, geheimer Abstimmung" dann den neuen Diözesanbischof. Ein solches Privileg einer Wahl ist weltkirchlich betrachtet eine absolute Ausnahme. Im Regelfall ernennt der Papst die Bischöfe frei.

Erzbischof Becker
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Auch im Erzbistum Paderborn wird nach einem neuen Erzbischof gesucht. Das dort gültige Preußische Konkordat lässt bei der Wahl eines Nachfolgers für Erzbischof Hans-Josef Becker aber mehr Spielraum für eine Beteiligung von Laien.

Anders als in Paderborn lassen sich – zumindest in der Theorie – in Bamberg Bischofsbestellung und Laienbeteiligung nicht so leicht vereinbaren.  Dennoch sorgte prompt für Kritik, dass sowohl Domkapitel als auch Diözesanrat eine Umsetzung des Handlungstextes des Synodalen Wegs als unmöglich betrachten. "Der Beschluss ist verbindlich, auch für Bayern", sagte der Vizepräsident des Synodalen Wegs, Thomas Söding, dem "Neuen Ruhrwort" am Wochenende. Der Beschluss besage ausdrücklich, dass die Konkordate einzuhalten seien. Der Theologe verwies auf das Erzbistum Paderborn. Hier gelte zwar ein anderes Konkordat und bei der Umsetzung des Handlungstextes gebe es noch Luft nach oben. "Aber zu behaupten, in Bayern gehe es wegen des dort geltenden Konkordates nicht, ist falsch." Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend BDKJ im Erzbistum äußerte sich in ähnliche Richtung.

Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier sieht das anders. Es sei allein Sache des Kathedralkapitels in Bamberg, dem Heiligen Stuhl eine Kandidatenliste zu unterbreiten. Die Kapitulare müssten hier untereinander einen Weg finden, sich auf eine Liste zu einigen. Die Idee eines Mitentscheidungsrechts bei der Erstellung der Kandidatenliste sei damit unvereinbar. "Die Mehrheit eines solchen 'Kandidatenfindungsorgans' könnte dann nämlich gegebenenfalls gegen die Mehrheit der Mitglieder des Kathedralkapitels einen bestimmten Kandidaten auf die Vorschlagsliste bringen – und dann könnte nicht mehr die Rede von einer vom Kathedralkapitel verantworteten Liste sein", erläutert der Kanonist.

Würde in einem solchen Fall ein überstimmtes Mitglied des Domkapitels beim Heiligen Stuhl vorstellig, würde dieser vermutlich intervenieren und "das Kapitel zu konkordatskonformer Vorgehensweise auffordern – oder sogleich feststellen, dass Kapitel habe für diesmal sein Vorschlagsrecht verwirkt", so Bier. Auch die Idee der freiwilligen Selbstbindung des Domkapitels helfe da nicht weiter. Auch sie trage nur so weit wie die Vorschläge von den Mitgliedern des Kapitels mitgetragen würden. Sobald auch nur ein einziger Kapitular einen bestimmten Kandidatenvorschlag für untragbar halte, werde er sich durch die Selbstbindung nicht mehr verpflichtet fühlen.

Bayerisches Konkordat schweigt zur Laienbeteiligung

Der Mainzer Kirchenrechtler Matthias Pulte hält eine Beteiligung von Laien bei der Bischofsbestellung dagegen unter den Bedingungen des Bayerischen Konkordats in gewisser Weise schon heute für möglich. "Der Textbefund von Art 14 § 1 BayK schließt das nicht aus, sondern schweigt darüber, weil man sich eine solche Beteiligung 1924 gar nicht vorstellen konnte", sagt er. Auch die Bamberger Kapitelsstatuten sprächen schlicht von der Erstellung der Liste. Am finalen Beschluss der Liste dürften allerdings nur Mitglieder des Domkapitels beteiligt werden. Auftragswahlen seien demnach unzulässig. "Das bedeutet meines Erachtens, dass dem Kapitel keine Liste zur Abstimmung vorgelegt werden kann, die die Freiheit der Mitglieder in der Entscheidung begrenzt", erklärt Pulte. Auch eine Selbstbindung an ein Mitentscheidungsrecht von Laien sei dadurch nicht möglich.

Damit sei aber noch nichts darüber ausgesagt, wie diese Kandidatenliste zusammengestellt werde. Die bestehenden Regelungen ließen vielmehr völlig offen, bei der Erkundigung über listenfähige Kandidaten Laien zu befragen und zu beteiligen. "Es erscheint mir auch denkbar, dass das Kapitel einen Beschluss über das Zustandekommen der Liste fasst, der vorsieht, dass validierte Vorschläge der befragten Laien in die Liste aufgenommen werden, die dann dem Kapitel zur Abstimmung gestellt wird."

Bild: ©Privat

"Der Handlungstext ist vermutlich wie vieles, was in den Beratungen des Synodalen Weges beschlossen worden ist, gut gemeint – aber im Ergebnis eine Selbsttäuschung der Synodalen hinsichtlich des rechtlich Möglichen und Durchsetzbaren", kritisiert Georg Bier, Professor für Kirchenrecht und Kirchliche Rechtsgeschichte an der Universität Freiburg.

Auch Georg Bier betont, dass es den Kapitularen nicht verboten ist, einzelne Gläubige um Kandidatenvorschläge zu bitten. "Zwar hat der Apostolische Stuhl solches Vorgehen in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen missbilligt, und er wäre vermutlich auch in diesem konkreten Fall wenig begeistert", sagt er. Der Wortlaut der Norm lasse aber ausreichend Spielraum. Das Kathedralkapitel könne zwar Kandidatenvorschläge einholen, "die aber ohne jede Bindungswirkung für das Kapitel wären".

Für die gegenwärtige Situation in Bamberg bringt Pulte eine weitere Idee ins Spiel: Das Domkapitel könnte den Laien, die schon bei der Listenerstellung beratend beteiligt wurden, eine Anhörung über die finale Liste ermöglichen. Eine solche Anhörung greife keiner Entscheidung voraus. "Die Abstimmungsliste erstellt ja trotzdem das Kapitel", erläutert der Kirchenrechtler. Für das ganze Procedere wären dann auch die befragten Laien unter das päpstliche Geheimnis zu stellen. "Das geht zwar zulasten von Transparenz, so wird jedoch keiner der zu diskutierenden Kandidaten beschädigt", betont Pulte. "Das scheint mir hier auch das wichtigere Rechtsgut zu sein."

Statutenänderung in Sedisvakanz nicht möglich

Er sieht in Bamberg auch ein Versäumnis: Grundsätzlich kann das Domkapitel die eigenen Kapitelsstatuten ändern und vom Erzbischof bestätigen lassen. "Das ist aber in der Sedisvakanz nicht möglich, da der Diözesanadministrator nicht über die Vollmacht verfügt, eine etwaige Änderung der Statuten zu genehmigen", so Pulte. Eine Dispens könne tatsächlich nur der Apostolische Stuhl vornehmen.

Beide Kirchenrechtler ziehen aber ein negatives Fazit, was den Handlungstext des Synodalen Wegs angeht: Der Beschluss bilde die komplexen unterschiedlichen Rechtslagen in diesem Bereich nicht optimal ab, sagt Pulte. Ein Anhörungsrecht sei zwar möglich, aber: "Ein Mitentscheidungsrecht im eigentlichen Sinne kann es aufgrund dieser Rechtslage in Bamberg nicht geben." Georg Bier geht noch einen Schritt weiter: "Der Handlungstext ist vermutlich wie vieles, was in den Beratungen des Synodalen Weges beschlossen worden ist, gut gemeint – aber im Ergebnis eine Selbsttäuschung der Synodalen hinsichtlich des rechtlich Möglichen und Durchsetzbaren."

Ob und wenn in welcher Form Laien bei der Wahl des Künftigen Bamberger Erzbischofs beteiligt werden, bleibt also abzuwarten. Von einer schnellen Entscheidung kann man sowieso nicht ausgehen. "Erfahrungsgemäß dauert es mehrere Monate, bis der Auswahl- und Entscheidungsprozess abgeschlossen ist und der Papst einen Nachfolger ernennt", heißt es in einem FAQ zur Bischofswahl auf der Homepage des Erzbistums. Aber natürlich ist auch hier – wie beim Rücktritt von Erzbischof Schick – eine Überraschung möglich.

Von Christoph Brüwer