Kein "immer weiter so": Ein Deutschlandtempo für den Vatikan
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Man glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können, als gestern in der Zeitung das "neue Deutschlandtempo" der Bundesregierung gerühmt wurde. Kanzler Scholz, sonst so oft seiner Zögerlichkeit halber gescholten, pries nun die "Deutschlandgeschwindigkeit" in Sachen Flüssiggas-Infrastruktur. Man wird noch Gelegenheit haben, ihn daran zu erinnern.
Aber vielleicht ist das "Deutschlandtempo" ein treffender Begriff auch für den Synodalen Weg. Dass die Beurteilungen nicht frei sind von nationalen Zuschreibungen, zeigte sich bereits, als Kardinal Ouellet in seiner Rede vor den deutschen Bischöfen am 18. November 2022 auf die "typisch deutsche Manier" verwies, in der auf dem Synodalen Weg vorgegangen werde: Gemeint war die Kombination von "Wissenschaft, Glaube und synodaler Konsultation". Unklar bleibt, ob das freundlich gemeint war, denn eigentlich kann an diesem Dreischritt doch nichts Schlechtes sein.
Vermutlich liegt in dem, was im Satz danach kam, das Problem: Mit diesen Mitteln sei ein Vorhaben angestoßen worden, das zu "einer radikalen Neuausrichtung" der Kirche führen solle. Natürlich, möchte man ausrufen, was denn sonst? Umso erstaunter liest man, dass "viele Gläubige und Beobachter" nun staunen würden (definitiv nicht anerkennend gemeint), dass auch die Bischöfe sich mehrheitlich hinter Dokumente stellten, in denen die Abschaffung des Pflichtzölibats oder der Zugang von Frauen zum Weiheamt verlangt würden. Das "Projekt der Veränderung der Kirche" würde "Zweifel und Verwirrung" vor allem "bei den Kleinen" (wer auch immer das ist) verursachen.
Diese Diagnose aber sorgt wiederum nur für Erstaunen. Denn wenn etwas für Zweifel und Verwirrung hierzulande sorgt, bei Großen und Kleinen, dann ist es das "Vatikantempo", mit dem auf die systemischen Ursachen des Missbrauchs reagiert bzw. eben nicht reagiert wird. Wer angesichts des offenkundigen Bankrotts der hiesigen Priesterkirche, dem schlicht und ergreifend der Nachwuchs abhanden gekommen ist, "immer weiter so" ruft, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Und sage keiner, die Kirche sei just hier (zum Beispiel bei der Frauenweihe) zu ohnmächtig. Da gilt, was über das "Deutschlandtempo" in der FAZ zu lesen stand: "Wer will, der kann!"
Die Autorin
Birgit Aschmann ist Professorin für Europäische Geschichte des 19. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.