Briefe und Interviews statt direkter Gespräche

Synodale Prozesse: Es knirscht – in Deutschland und weltweit

Veröffentlicht am 02.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt/Bonn ‐ Das päpstliche Großprojekt einer Weltsynode ist in unruhige Fahrwasser geraten. Das gilt erst recht für den Synodalen Weg in Deutschland. Inzwischen haben sich etliche Protagonisten in eine Ecke manövriert, aus der sie schlecht wieder herauskommen.

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"Diese Art, Kirchenführung durch Interviews wahrzunehmen, halte ich für äußerst fragwürdig." Sagte Georg Bätzing vergangene Woche und reagierte mit eben demselben Mittel: einem Interview in der "Welt". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz lädt darin etlichen Frust über Papst, Kurie und kritische Mitbrüder in den eigenen Reihen ab. Und räumt ein, keinen direkten Draht zum Papst zu haben.

Ernüchternd etwa, was Bätzing vom Ad-limina-Besuch berichtete: "Warum hat der Papst nicht mit uns darüber gesprochen, als wir im November bei ihm waren? Da wäre die Gelegenheit gewesen, aber da hat er die Gelegenheit zum Austausch nicht genutzt." Statt dessen schrieben fünf Bischöfe nach Rom wegen des schon früher von dort kritisierten Vorhabens eines Synodalen Rates und provozierten ein erneutes Stoppschild.

Grundverschiedene Vorstellungen von Synodalität

Diesmal in Form eines von den Kardinälen Pietro Parolin, Luis Ladaria und Marc Ouellet unterzeichneten Briefes. Geplante Synodale Räte, in denen Bischöfe und Laien gemeinsam beraten und entscheiden sollen, sei keine katholische Art kirchlicher Leitung. Anders als bei früheren Stoppschildern machte sich der Papst diesmal den Inhalt "in forma specifica" besonders zu eigen. Und sollte einer selbst dies noch nicht verstanden haben, wiederholte Franziskus in einem weltweit verbreiteten AP-Interview seine Kritik: Der deutsche Synodale Weg sei "nicht hilfreich", nicht wirklich synodal, sondern eine Veranstaltung von "Eliten".

Dabei erkennt Bätzing ein Problem sehr genau: grundverschiedene Vorstellungen von Synodalität. "Der Papst versteht darunter ein breites Sammeln von Impulsen aus allen Ecken der Kirche, dann beraten Bischöfe konkreter darüber, und am Ende gibt es einen Mann an der Spitze, der die Entscheidung trifft. Das halte ich nicht für die Art von Synodalität, die im 21. Jahrhundert tragfähig ist", kontert Bätzing dazu via "Welt". Umgekehrt ist für den Papst das, was etwa im September beim Synodalen Weg geschah, das Gegenteil von Synodalität: eine geheime Kampfabstimmung unter den Bischöfen über ein kontroverses Papier, das durchfällt, die viele Verwundete hinterlässt. Fortan sollte, so hieß es, auf geheime Abstimmungen verzichtet werden.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Bischof Bätzing monierte, dass Papst Franziskus in einem Interview den Synodalen Weg kritisiert statt mit den deutschen Bischöfen direkt zu sprechen.

Weil es aber nicht nur in Deutschland knirscht, sahen sich die Organisatoren der Weltsynode, die Kardinäle Jean-Claude Hollerich und Mario Grech, zu einem allgemeinen Mahnschreiben veranlasst. Vermutlich aber wurden sie dazu aufgefordert. Ihr dreiseitiger Brief vom 26. Januar an alle Bischöfe weltweit liest sich, als stamme er aus einer Feder im Staatssekretariat:

Es sei ihnen "ein dringendes Anliegen", auf "ein gemeinsames Verständnis des synodalen Prozesses" hinzuwirken. "Es gibt nämlich einige, die sich anmaßen, bereits zu wissen, wie die Schlussfolgerungen der Synodalversammlung lauten werden. Andere möchten der Synode eine Tagesordnung aufzwingen, mit der Absicht, die Diskussion zu lenken und deren Ergebnisse zu beeinflussen."

Gefahr für päpstliches Projekt?

Thema sei und bleibe Synodalität, also ein anderer Umgangs- und Beratungsstil der katholischen Kirche. Das klingt nach einer Auftragsarbeit, um den von konservativen Kardinälen beklagten Zentrifugalkräften der Weltsynode entgegenzuwirken. Der Synodale Weg in Deutschland wird nicht eigens erwähnt. Aber nach dem jüngsten Stoppschild aus Rom ist klar, dass die Mahnung auch den deutschen Mitbrüdern gilt.

Ein zusätzlicher Anlass könnte der Gastbeitrag von Kardinal Robert McElroy aus San Diego im US-Magazin "America" gewesen sein. McElroy warb im Zusammenhang mit der Weltsynode für eine Reihe von Änderungen an der katholischen Lehre: etwa bei der Zulassung zur Kommunion für alle Getauften, auch für jene Katholiken, die in sexuellen Beziehungen leben, die der Lehre der Kirche widersprechen. Das deutet darauf hin, dass McElroy möglicherweise eine andere Vision für die Synode hat als der Papst.

Ob Franziskus nun das Gefühl von Goethes Zauberlehrling beschleicht: "Die ich rief, die Geister / Werd ich nun nicht los". Oder ob Parolin und Ladaria das Mahnschreiben von Grech und Hollerich veranlassten, lässt sich nur vermuten. Klar ist: Momentan drohen hartnäckig liberale Forderungen das päpstliche Projekt "Weltsynode" erheblich zu gefährden.

Kardinal Mario Grech
Bild: ©picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Fabio Frustaci

Kardinal Grech (Foto) und Kardinal Hollerich wandten sich mit einem "Brandbrief" zum weltweiten synodalen Prozess an die Bischöfe.

Scheinen sie doch jenen Recht zu geben, die entweder nie Lust zu mehr Synodalität hatten oder die eine Synode als Einfallstor "protestantischer Häresien" erachten. Bevor eines der größten Projekte seines Pontifikats vor die Wand fährt, schickt Franziskus lieber nochmals ein Stoppschild oder zumindest Tempolimit nach Deutschland und weist den von ihm als liberales Gegengewicht im konservativen US-Episkopat protegierten McElroy in die Schranken.

Da in Kürze Delegierte auf kontinentaler Ebene über die bisherigen Ergebnisse der Synode beraten – für Europa Mitte Februar in Prag – erinnert der Vatikan die Bischöfe an deren "gleichzeitige und untrennbare" Verantwortung sowohl für die ihnen anvertraute Ortskirche wie auch für die Gesamtkirche. Dass trotz aller weltkirchlichen Hilfswerke und Diözesanpartnerschaften die katholische Kirche hierzulande nur begrenzt die Sichtweisen anderer Ortskirchen berücksichtigt, zeigten in den vergangenen Monaten diverse Symposien und Reaktionen aus dem Ausland.

"Unterirdische" Begegnungen

Umgekehrt ist unter deutschen Bischöfe der Frust groß über die Kurie. Vom Ad-limina-Besuch im November kehrte das Gros ernüchtert bis enttäuscht zurück. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass man dort die aufwendig erstellten Berichte aus den Diözesen gelesen hatte, meinte ein Teilnehmer. Konstruktive und thematisch konkrete Gespräche habe es nur wenige gegeben. Mitunter seien die Begegnungen "unterirdisch" gewesen.

Dass dies nicht allein an Klerikern liegt, zeigte die Begegnung in der Kommunikationsbehörde. Deren Leiter, der frühere Fernsehmanager Paolo Ruffini und erste Laie auf dem Posten eines Kurienpräfekten, sei ganz schlecht vorbereitet gewesen, war zu hören. Enttäuschend sei auch des Papstes erneut wiederholte Mahnung am Ende der Begegnung gewesen, man möge doch seinen Brief vom Juni 2019 lesen. Wenn auch nicht so formuliert, war dem Tonfall einzelner Teilnehmer die Reaktion zu entnehmen: "Wir sind doch nicht blöd".

Ein Zweites wurmt viele Kirchenvertreter in Deutschland: Warum weigert sich die Kurie, das gesamte Präsidium des Synodalen Weges aus Deutschland nach Rom einzuladen – inklusive Vertreter aus dem Zentralkomitee der Katholiken? Was hindert Marc Ouellet und Luis Ladaria, sich mit Irme Stetter-Karp und Thomas Söding an einen Tisch zu setzen? Selbst der sonst so dialogbereite Kardinal Mario Grech scheut sich. Wollen sie keinesfalls das Format des Synodalen Wegs adeln oder scheuen sie die intellektuelle Debatte?

Papst Franziskus: Synodaler Weg in Deutschland ist keine echte Synode

"Es ist nur dem Namen nach ein synodaler Weg; keiner, an dem das Volk Gottes als ganzes beteiligt ist, sondern einer, der von einer Elite veranstaltet wird": Der Papst äußert sich kritisch zum Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland.

Auf die päpstliche Kritik, der Synodale Weg sei "elitär", reagierte Bätzing im "Welt"-Interview gar etwas schnippisch: Das könne man "auch als Kompliment verstehen: Der Synodale Weg hat sehr gute Kräfte aus der Kirche in ganz Deutschland zusammengeführt." Nur: Wer Franziskus in den bald zehn Jahren seines Pontifikats zugehört hat, weiß, dass für ihn "Elite" negativ konnotiert ist. Er hält es lieber mit Jesu Wort, dass Gott seine Pläne "vor den Weisen und Klugen verborgen" und sie "den Unmündigen offenbart" hat.

Was der Papst mit "elitär" wohl auch meinte, deutet eine Erfahrung der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) im Erzbistum Freiburg an. Aus mehreren Gründen stellte der Verband in einer durchaus gut geplanten Infokampagne seine Mitglieder vor die Wahl: entweder Mitglied werden im Bundesverband oder gar nicht mehr in der kfd. Das Ergebnis, so die Bistumszeitung "Konradsblatt", sei ernüchternd.

Die Zahl der kfd-Gruppen sank von 500 auf 300, die Zahl der Mitglieder von rund 40.000 auf deutlich unter 20.000. Mit dem Mitgliederverlust sei zudem die "Erkenntnis verbunden, dass das Interesse an kirchen- und gesellschaftspolitischen Themen, auf die sich der Bundesverband zuletzt stark fokussiert hatte, bei vielen Mitgliedern nicht sonderlich ausgeprägt war". Und das gilt nicht allein für die kfd.

Was passiert mit Woelki und Bode?

Was in Deutschland zusätzlich nervt – und zwar alle Beteiligten – ist das vatikanische Nicht-Entscheiden über das Rücktrittsangebot des Kölner Erzbischofs, Rainer Maria Woelki. Aber auch die ausbleibende Reaktion auf die kircheninterne Anzeige gegen Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode durch den Betroffenenrat der norddeutschen Bistümer wegen Fehleinschätzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen.

Beobachtern zufolge hatte Ouellet beim interdikasteriellen Ad-limina-Gespräch möglicherweise auch deswegen ein Moratorium des Synodalen Wegs gefordert. Solange der Synodale Weg in Deutschland läuft, wartet der Vatikan mit einer Entscheidung. Das sagte er nicht, soll es andernorts aber angedeutet haben. Demnach setzt der Vatikan wohl nach wie vor auf Woelki als ranghöchsten Kritiker des Synodalen Wegs und Prellbock gegen etwaige Auswüchse.

Doch die Kurie, an der nach wie vor protokollarisch-hierarchisch gedacht wird, unterschätzt dabei Denken und Fühlen in Deutschland. Hierzulande macht ein Kardinalsrot längst keinen allzu großen Eindruck mehr, wie auch schon Reinhard Marx in München erfahren musste.

Vierte Synodalversammlung
Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner (Archivbild)

In Rom scheint man noch zu hoffen, die Führung der katholischen Kirche in Deutschland täte im Hinblick auf den Synodalen Weg einige Schritte zurück und ordnete sich stärker in den weltweiten synodalen Prozess ein.

Umgekehrt würde eine Rüge oder gar eine Rücktrittsaufforderung an Bode den Vizepräsidenten des Synodalen Wegs wie der DBK zumindest "anschießen" und ins Kräfteverhältnis des Reformprojekts eingreifen. Aber davor scheut die Kurie zurück. Die einst öfter gewählte kuriale Strategie, Konflikte auszusitzen, funktioniert ebenso wenig.

Diverse Stoppschilder, die der Vatikan in den vergangenen fünf Jahren nach Deutschland schickte, haben bisher wenig bewirkt. Zu groß ist der Druck, dem sich viele Bischöfe in Deutschland ausgesetzt sehen – und sich selber machen. Dennoch scheint man in Rom noch zu hoffen, die Führung der katholischen Kirche in Deutschland täte einige Schritte zurück und ordnete sich stärker in den weltweiten synodalen Prozess ein.

Antwort wird erwartet

So erwartet man eine konkrete Antwort, wie Ouellet in einem Interview mit dem spanischen Magazin "Omnes" sagt: "Jetzt müssen sie dem Kardinalstaatssekretär antworten. Dann werden wir sehen, wie wir den Dialog fortsetzen. Es ist klar, dass der Dialog fortgesetzt werden muss, auch um ihnen zu helfen, auf dem katholischen Weg zu bleiben." Das komplette Interview soll zum Wochenende erscheinen. Einschlägige Reaktionen aus Deutschland lassen sich schon jetzt ausmalen.

In einem ausführlichen Kommentar analysiert der Religionsexperte der "New York Times", Ross Douthat, eine de facto schismatische Lage der katholischen Weltkirche. Dabei macht er die Lager an ausführlichen Beiträgen des konservativen, jüngst gestorbenen Kardinals George Pell sowie an Kardinal McElroy fest. Kann es noch Brücken geben zwischen den Fraktionen in der katholische Kirche?, fragt Douthat. Synthesen dürften nicht nur auf Papier stehen, sie müssten auch in den Herzen der Gläubigen leben. Derzeit aber tendierten beide Seiten zu einer Strategie, die den aktuellen Streit nur lösen will nach dem Motto: "Wir gewinnen, sie verlieren."

In einem bekannten Kirchenlied aus den 1970er Jahren heißt es: "Wir knüpfen aufeinander zu, wir knüpfen aneinander an, wir knüpfen miteinander ein Friedensnetz". Man darf gespannt sein, wer wann wie aus seiner Ecke herauskommt und sein synodales Netz hinüber in eine andere Ecke knüpft.

Von Roland Juchem (KNA)